Die Zimmerdame im Hotel hatte sich Mühe gegeben. Sie hatte auf dem frisch gemachten Bett ein Tuch in Form eines Herzens drapiert und eine Rose darauf gelegt. Sehr schön habe es ausgesehen – sagte mir später meine Frau.
In Gedanken verloren ging ich ins Zimmer, gefolgt von meiner Frau. Sie bemerkte das kleine „Kunstwerk“ der Zimmerdame, ich leider nicht. Achtlos ging ich daran vorbei. Ich setzte mich aufs Bett, griff danach, hielt es für eine Art „Fremdkörper“ und zerstörte das Arrangement, während meine Gedanken noch irgendwo unterwegs waren. Ich hatte leider einen Glücksmoment verpasst!
Da hatte jemand für meine Frau und mich etwas Zusätzliches, nicht Notwendiges getan. Ob nun dieses Arrangement vom Hotel-Management für alle Gäste so angeordnet war oder ob die Zimmerdame aus sich aus oder einer spontanen Laune heraus uns eine besondere Freude bereiten wollte, spielt keine Rolle. Ich hatte es nicht wahrgenommen und mir so die Freude am Betrachten genommen. Ich war nicht achtsam, und deshalb hatte ich einen kleinen Glücksmoment verpasst!
Insgeheim hatte ich gehofft, dass ich eine zweite Chance bekommen würde, dass die Zimmerdame dieses, nach den Worten meiner Frau, schöne Arrangement während unseres Aufenthalts im Hotel nochmals wiederholen würde. Doch meine Hoffnung war vergebens.
Achtsam sein bedeutet im “Hier und Jetzt” leben, sich all seiner Wahrnehmungen, Empfindungen, Gedanken und Gefühle völlig bewusst zu sein. Es geht aber überhaupt nicht darum, etwas zu bewerten, und deshalb auch nicht darum, eine Situation als gut oder schlecht einzustufen.
Es fällt uns nicht leicht, achtsam zu sein. Viele Menschen haben Achtsamkeit sogar verlernt. Sie lassen sich auf ein beschleunigtes Leben ein, das auf alle möglichen Reize reagiert. Sie reagieren selbst nur noch und leben im Grunde fremdbestimmt. Das Leben zieht an ihnen vorüber und in fortgeschrittenem Alter machen sie sich Vorwürfe, dass sie ihr Leben trotz aller Aktivität nur “in Ausschnitten” gelebt haben.
Achtsam sein begünstigt Entschleunigung und wird deshalb u.a. als ein geeigneter Weg gesehen, der Entwicklung von Burnout vorzubeugen. Je mehr ich Achtsamkeit einübe, desto leichter wird es mir fallen, aus Burnout-förderlichen Automatismen auszusteigen. Ich werde mich leichter auf Wesentliches konzentrieren und Emotionen kontrollieren können.
Achtsam sein, in der Gegenwart leben, die Gegenwart wahrnehmen, drängt das Grübeln über Vergangenes, aber auch Sorgen um die Zukunft, zurück. Achtsamkeit erfordert allerdings Übung und von dem Gedanken, dass sich der Erfolg sofort einstellt, muss ich mich verabschieden. Bei täglicher Übung benötige ich in der Regel mehrere Wochen. Dann aber werde ich feststellen, dass es sich lohnt, dass ich Achtsamkeit wirklich eingeübt habe. Ich nehme jetzt bewusst wahr. Das Zwitschern der Vögel entgeht mir nicht mehr, auch nicht er Geruch des Gemüses am Marktstand, an dem ich gerade vorbei gehe, und auch nicht der Geschmack des Brötchens, das ich gerade esse.
Wenn ich achtsam wahrnehmen kann, steigere ich meine Lebensqualität und fördere mein Wohlergehen und meine Gesundheit. Ich bin dann “ganz bei Sinnen”.