In der Krise einen kühlen Kopf bewahren? Ereignisse können sich sprichwörtlich überschlagen. Wie kann man verhindern, dass man nicht in blinden Aktionismus gerät?
Die Coronavirus-Pandemie, die im Frühjahr 2020 ihren Anfang nahm, traf die gesamte Bevölkerung plötzlich, unvorbereitet und unverschuldet.
Innerhalb weniger Tage veränderte sich die Lage in allen Bereichen der Gesellschaft drastisch. Das Wirtschaftsleben war stark beeinträchtigt und dies hinterließ auch an den Finanzmärkten tiefe Spuren.
Schon nach relativ kurzer Zeit befanden sich viele Länder mitten in einem Krisenmodus und ein Ende schien nicht abzusehen. Es stellte sich die Frage: Wie kann man eine so schwere Krise wie diese bewältigen?
Die Coronavirus-Pandemie ist, so starke Auswirkungen sie auch mit sich brachte, doch nur eine Krise von vielen. In jeder Krise stehen Politik und Wirtschaft in der Verantwortung, auf ihren jeweiligen Gebieten Wege zur Krisenbewältigung zu finden, aufzuzeigen, verständlich zu machen und diese Wege kraftvoll zum Wohl der Gesellschaft umzusetzen.
Und dann ist in einer Krise jeder für sich auf ganz individuelle Weise betroffen. Vielleicht ist der Arbeitsplatz bedroht. Vielleicht fällt das Einkommen aufgrund von Kurzarbeit geringer aus. Vielleicht hat man auch gar keine Einnahmen. Die Ausprägungen der persönlichen Betroffenheit sind ganz unterschiedlich.
Wie geht man mit der Krise auf der persönlichen Ebene um? Wie kann man die Krise bewältigen? Wie kann man gut für sich selbst sorgen?
11 Tipps sollen Antworten auf diese Fragen geben und dabei unterstützen, möglichst gut durch eine tiefgreifende Krise zu kommen.
Dieser Tipp befasst sich mit der Frage, wie man in der Krise einen kühlen Kopf bewahren kann. Ein bewährtes Mittel dabei ist, Distanz zu seinen Gedanken zu suchen
Tipp: Distanz zu den eigenen Gedanken suchen
In Krisenzeiten können sich Ereignisse sprichwörtlich überschlagen. Eine Flut an negativen Nachrichten, wie beispielsweise Berichte über bevorstehenden Stellenabbau oder drastische Verluste an den Finanzmärkten, lösen verständlicherweise Sorgen und Ängste aus. Vielleicht sieht man sogar schon die eigene wirtschaftliche Existenz gefährdet. Wie kann man bei alledem in einer Krise einen kühlen Kopf bewahren?
Wenn man aufgewühlt ist und die Gedanken sich überschlagen, besteht die Gefahr, in Panik zu geraten und damit einen übereilten Aktionismus mit potenziell negativen Auswirkungen auszulösen. Um dies zu verhindern, empfiehlt es sich dringend, eine Distanz zu den eigenen Gedankenimpulsen herzustellen. Vielleicht ist es sogar notwendig, seinen eigenen Gedanken zu misstrauen. Dies gilt insbesondere nachts.
Warum werden Sorgen in der Nacht als schlimmer empfunden?
Sorgen während der Nacht sind weit verbreitet, wie verschiedene Studien zeigen. Bei den meisten Menschen tritt, bedingt durch hormonelle Wirkungen, ein nächtliches Stimmungstief auf.
Mitten in der Nacht erwacht man und kann nicht gleich wieder einschlafen. Die Gedanken beginnen um irgendein Problem zu kreisen, mag es auch noch so klein sein. Und dann wird vielleicht auch das Sorgenkarussell in Bewegung gesetzt.
Die Auseinandersetzung mit dem Chef vom Vortag führt dann vielleicht zur Sorge um die weitere Karriere. Oder das vorübergehende kleine Minus auf dem Konto löst vielleicht die Sorge um den finanziellen Ruin und eine Zukunft als Sozialhilfeempfänger aus. Oder die Magenverstimmung am Abend artet vielleicht in die Sorge vor einer unheilbaren Krankheit aus. Kurzum, aus einer Mücke kann ein Elefant werden. Das Denken ist nicht mehr objektiv.
Begünstigt wird das Befeuern negativer Gedanken auch durch den Umstand, dass man mit sich alleine ist. Es ist dunkel und still. Neben einem schläft vielleicht die Partnerin oder der Partner tief und fest.
In den frühen Morgenstunden, so etwa zwischen drei und vier Uhr, arbeitet bei den meisten Menschen der Organismus auf „Sparflamme“. Die Körpertemperatur liegt während dieser Zeit niedriger als üblich. Der Körper befindet sich in einem Leistungstief, während der Spiegel des natürlichen Schlafhormons Melatonin erhöht ist. Normalerweise schläft man deshalb. Wenn man aber nicht schlafen kann, wirkt sich der erhöhte Melatoninspiegel aus und trübt die Stimmung.
Üblicherweise kehrt der Körper mit dem Erwachen zur üblichen Aufstehzeit wieder in den Normalmodus zurück. Sorgen und Probleme werden dann nur noch als halb so schlimm empfunden.
Wenn man sich, vielleicht wieder einmal, in einer Grübelphase ertappt, sollte man sich bewusst machen, dass die Dinge bei Tageslicht wieder besser aussehen werden. Es sind eben die Hormone, die nachts ihre Wirkung entfalten, etwas vollkommen Natürliches.
Wie kann man eine Grübelphase nutzen?
Vielleicht wälzt man sich im Bett und ist so unruhig, dass man partout nicht schlafen kann. Wie könnte man diese Zeit dennoch irgendwie sinnvoll nutzen?
Kann man darauf hoffen, dass man in einer nächtlichen Grübelphase eine Art „Geistesblitz“ erlebt, der einen zur Lösung seiner Probleme führt und die Sorgen beseitigt? Auszuschließen ist dieser Geistesblitz nicht, aller Erfahrung nach ist er aber eher unwahrscheinlich. Wenn man also keine nächtliche Problemlösung erwartet, kann man versuchen, sich diese Zeit so zu nutzen, wie es einem persönlich guttut.
Gedanken auf etwas Positives lenken
Vielleicht gelingt es ja, seine Gedanken bewusst auf etwas Positives zu lenken. Der letzte Urlaub, die Geburtstagsfeier oder sonst ein Ereignis oder eine Situation sind vielleicht auf ganz spezielle Wiese in positiver Erinnerung.
Man kann versuchen, sich wieder in die Situation hineinzuversetzen. Was hat man erlebt? Wie hat man die frische Frühlingsluft auf der Haut gespürt? Welche Gefühle hat man wahrgenommen? Und dann kann man bewusst dankbar dafür sein, dass man dies erleben durfte (siehe auch Tipp: Das Immunsystem durch Dankbarkeit stärken).
Für Christen: das Reden mit Gott
Christen wissen, dass sie durch das Gebet direkt mit Gott reden können. Der Reformator Martin Luther drückte es so aus: „Das Gebet ist ein Reden des Herzens mit Gott in Bitte und Fürbitte, Dank und Anbetung.“. Das Gebet verlangt also keine bestimmten Formulierungen, sondern geschieht aus dem Herzen heraus. Man redet mit Gott gewissermaßen so, wie einem „der Schnabel gewachsen“ ist.
Wenn Gott wirklich Gott, also ein übernatürliches Wesen außerhalb unseres Raum-Zeit-Kontinuums ist, ist davon auszugehen, dass er Gebet „hört“. Davon abgesehen werden Christen in den biblischen Schriften zum Beten ermutigt und aufgefordert. „Alle eure Sorge werft auf ihn; denn er sorgt für euch.“ (1. Petrus 5, 6-7) ist beispielhaft eine dieser Aufforderungen.
Wenn man im Gebet ein Problem oder eine Sorge vor Gott bringt, delegiert man es praktisch an ihn. Er möge einem dabei helfen, das Problem zu lösen oder die Sorge loszuwerden. Wie Gott dann damit umgeht, liegt nicht in der eigenen Hand.
Man geht man in gewisser Weise ein Risiko ein, wenn man sich an Gott wendet,. Gott erhört das Gebet möglicherweise nicht so und nicht sofort, wie man es sich erhofft, sondern auf eine andere Weise, die sich vielleicht erst sehr viel später erschließt. Vielleicht erhört Gott ein Gebet nicht, weil es aus seiner Sicht für einen nicht gut wäre, wenn er das Gebet erhören würde. Man kann nicht wissen, ob und wie Gott reagiert, nur hoffen. Dennoch kann das Reden mit Gott in einer Grübelphase für den auf Gott Vertrauenden entlastend wirken.
Gott ist für Menschen nicht zu erfassen und zu verstehen, sonst wäre er nicht Gott. Der als einer der bedeutendsten Theologen des 20. Jahrhunderts geltende Theologe Karl Rahner hielt es so fest: „Glauben heißt: Die Unbegreiflichkeit Gottes ein Leben lang aushalten.“.
Sorgen und Probleme stichpunktartig notieren
Wenn man nachts längere Zeit nicht schlafen kann, sich unruhig im Bett wälzt und grübelt, kann es sinnvoll sein, kurz aufzustehen und seine Gedanken stichpunktartig zu notieren. Während des Tages kann man sich dann ausgiebiger mit ihnen beschäftigen.
Um Distanz zu negativen Gedanken herzustellen und Dinge soweit wie möglich nüchtern darzustellen, bietet es sich an, sich an die Stichwortliste zu machen. Jeden Problempunkt kann man kurz skizzieren und bei Gelegenheit ausführlicher beschreiben. Einige Fragestellungen können dabei leiten:
- Was genau ist das Problem?
- Welche Auswirkungen sind zu erwarten, wenn das Problem nicht gelöst wird?
- Was könnte im schlimmsten Fall geschehen, wenn keine Lösung möglich ist?
- Wann bzw. bis wann muss das Problem gelöst werden?
- Welche Möglichkeiten gibt es, das Problem zu lösen, und wer könnte dabei unterstützen?
- Welche Möglichkeiten bestehen, falls das Problem nicht gelöst werden kann?
- Gibt es eine Verbindung zu einem anderen Problem? Falls ja, welcher Art?
Während des Aufschreibens sortiert man seine Gedanken. Es mag sich herausstellen, dass das anfänglich übermächtige Problem schon deutlich kleiner geworden ist. Und es mag sich zeigen, dass ein Problem überhaupt nicht sofort gelöst werden muss, und blinder Aktionismus deshalb völlig verfehlt wäre. Davon abgesehen, wäre Aktionismus in den meisten Fällen ohnehin keine gute Option.
Andere Ressourcen einbeziehen
Wenn man seine Sorgen und Probleme in Worte gefasst und zumindest vorstrukturiert hat, kann man sich daranmachen, die eigenen Gedanken zu prüfen. Sind die Konsequenzen wirklich so schlimm wie ich mir das denke? Gibt es wirklich keine anderen Möglichkeiten? Oder übersehe ich Möglichkeiten? Sehe ich die Dinge vielleicht zu schwarz?
Sinnvollerweise bezieht man andere Ressourcen mit ein, um bei der Entscheidungsfindung zu unterstützen. Auch dadurch kann man eine Distanz zu den eigenen sich vielleicht gerade überschlagenden Gedanken finden.
Im Internet recherchieren
Das Internet ist eine riesige Informationsquelle, allerdings eine mit zwei Gesichtern. Dort sind einerseits sehr viele nützliche Informationen zu finden, andererseits findet man aber auch sehr viel Unsinn. Die Spreu vom Weizen zu trennen ist manchmal nicht einfach, da sich Falschinformationen, ideologisch gefärbte Informationen oder bewusste Irreführung nicht immer auf den ersten Blick erkennen lassen.
Es mag mitunter zeitaufwendig sein, hilfreiche Informationen zu finden. Gefundene Kontaktdaten können dazu genutzt werden, sich gegebenenfalls an die jeweilige Informationsquelle zu wenden, um Sachverhalte weiter zu vertiefen.
Mit jemandem reden
Wenn man Angst hat, kann man vielleicht überhaupt keinen klaren Gedanken mehr fassen. Man sitzt, bildlich gesprochen, wie das Kaninchen vor der Schlange. Vielleicht konnte man jedoch seine Gedanken schon strukturieren und aufschreiben (siehe oben). Wie weit auch immer man schon gekommen ist, es ist hilfreich, mit jemand darüber zu sprechen. Damit nimmt man sich selbst die Möglichkeit, einsame und vielleicht überstürzte Entscheidungen zu treffen, die man später möglicherweise bitter bereut.
Die „zweite Meinung“ kann gerade bei größeren Problemen bei der Entscheidungsfindung sehr hilfreich sein. Wer kommt infrage?
Unabhängig von der Art des Problems sollte man sich an eine kompetente Person wenden, die eine möglichst objektive Sicht der Dinge einbringen kann. Eine Person, bei der mögliche Eigeninteressen im Spiel sind, wäre natürlich nicht geeignet. Was würde es beispielsweise nützen, wenn man mit einem Immobilienmakler darüber redet, ob man das Haus verkaufen soll? Der Immobilienmakler verdient mit Verkauf und Vermittlung von Immobilienobjekten schließlich sein Geld. Eine von Eigeninteressen freie Meinung wäre im Allgemeinen wohl nicht zu erwarten, zumindest nicht in Zeiten eines Nachfrageüberhangs im örtlichen Immobilienmarkt.
Und wenn man ein Problem oder eine Sorge hat, einem aber ein nahestehender Mensch, beispielsweise eine Freundin oder ein Freund, fehlt? Was, wenn man niemand hat, mit dem man darüber reden kann, aber gerne mit jemand darüber reden möchte? Dann ist ein Anruf bei der Telefonseelsorge (0800 1110111 oder 0800 1110222) eine Möglichkeit, Distanz zu den eigenen Gedanken herzustellen.
Die Telefonseelsorge kann und wird keinen Rat geben. Zum einen fehlt bei speziellen fachlichen Problemen, wie beispielsweise bei Fragen des Arbeitsrechts, die Fachkenntnis, zum anderen kann und soll keine Entscheidung abgenommen werden. Dennoch kann ein Anruf bei der Telefonseelsorge sehr hilfreich sein. In einer vertraulichen Atmosphäre kann man vertrauensvoll reden, die Gedanken sortieren und mehr Klarheit in die eigenen Gedanken bringen.
In der Krise einen kühlen Kopf bewahren
In der Krise einen kühlen Kopf zu bewahren kommt einer immensen Herausforderung gleich. Enormer Zeitdruck und/oder wirtschaftliche Zwänge können auf einem lasten. Mit übereiltem Aktionismus ist jedoch keinesfalls geholfen. Eine gesunde Distanz zu den eigenen Gedankenimpulsen herzustellen hilft dabei, möglicherweise unkluge Entscheidungen zu vermeiden.