Bewegen, Abschalten, Auftanken – Für Wohlbefinden sorgenLesezeit: 5 Min.

Bewegen, Abschalten, Auftanken – ein Erfolgsrezept zum Ausbrechen aus Stress und Hektik? Mehr noch: ein Erfolgsrezept für Gesundheit und seelisches Wohlbefinden?

Bewegung ist für die Gesundheit genauso wichtig wie für das seelische Wohlbefinden – keine wirklich neue Erkenntnis. Aber die Erkenntnis wird leider immer wieder ignoriert.

Die heilsame Wirkung von Bewegung zeigt sich in ermutigend kurzer Zeit. Wenn der Körper belastet wird, schüttet das Gehirn biochemische Botenstoffe (Neurotransmitter), wie z. B. Serotonin und Dopamin, aus. Diese Botenstoffe wirken gewissermaßen als Stimmungsaufheller. Sie regen den Hirnstoffwechsel an und wirken sich positiv auf die Gehirntätigkeit aus.

Was passiert im Gehirn?

Während Stress das Denken verengt, kommt durch Bewegung quasi „Frischluft“ ins Gehirn. Hirnareale, die Bewegung koordinieren, befinden sich im Stirnlappen, dort, wo sich auch das Arbeitsgedächtnis befindet. Sie werden besser durchblutet und mit Sauerstoff versorgt.

Im Arbeitsgedächtnis werden Dinge bearbeitet, auf die wir uns konzentrieren möchten. Wenn ich beispielsweise einen Satz inhaltlich verstehen möchte, setze ich dazu unbewusst das Arbeitsgedächtnis ein. So kann ich mich beispielsweise am Satzende noch an den Satzanfang erinnern und den Sinn des gesamten Satzes erfassen. Sinngemäß ähnlich verhält es sich bei einer Rechenaufgabe. Das Arbeitsgedächtnis unterstützt mich beim Problemlösen und beim Erwerb neuen Wissens. Des Weiteren hilft es mir bei der Formulierung und Abwägung aktueller Ziele.

Allgemein lässt sich sagen, dass durch Bewegung die Aktivität des Arbeitsgedächtnisses „heruntergefahren“ wird. Bewegung beansprucht den motorischen Kortex, einen Bereich im Stirnlappen, sehr stark. „Rechenleistung“ des Gehirns wird, bildlich gesprochen, aus einem Bereich des Stirnlappens (frontaler Kortex) abgezogen und in einen anderen Bereich (motorischer Kortex) verlagert. Ich bekomme durch die teilweise „Lahmlegung“ des Arbeitsgedächtnisses „den Kopf frei“. Deshalb kann ich auch während intensiver körperlicher Bewegung keine etwas schwierigeren Rechenaufgaben lösen. Wenn ich etwa versuche, während intensiver Bewegung die Zahl 2 zu quadrieren, werde ich nicht weit kommen.

Durch den angeregten Hirnstoffwechsel wird meine Konzentrationsfähigkeit gesteigert, meine kognitive Leistungsfähigkeit nimmt dank der Bewegung zu. So belegte beispielsweise eine in Großbritannien unter Schülern durchgeführte Studie, dass schon 15 Minuten Sport am Tag die schulischen Ergebnisse nachhaltig positiv beeinflussten.

Soll ich also Bewegung gezielt einsetzen, um durch Bewegung abzuschalten? Soll ich abschalten, um leistungsfähig zu bleiben? Die Ergebnisse vieler Untersuchungen (u. a. Untersuchungen am Institut für Bewegungs- und Neurowissenschaft der Deutschen Sporthochschule Köln) legen dies nahe. Allerdings steht diese Erkenntnis in deutlichem Widerspruch zur Einstellung vieler Menschen, für die Zeit Geld bedeutet (oder zu bedeuten scheint) und die häufigem Stress ausgesetzt sind. „Abschalten bedeutet vergeudete Zeit“, lautet deren Credo.

Keine Zeit zum Abschalten und Auftanken?

Bei diesem Argument erinnere ich mich an eine Geschichte. Ob sie wahr ist oder nicht spielt keine Rolle.

Ein Wanderer begegnet einem Holzfäller, der gerade einen riesigen Haufen Holz hackt. Er schaut ihm interessiert zu. Dem Holzfäller rinnt der Schweiß von der Stirn. Er ist schon ganz nassgeschwitzt und sieht ziemlich erschöpft aus. Der Wanderer hat den Eindruck, dass die Axt ziemlich stumpf sein muss.

Nach einer Weile fragt er den Holzfäller, warum er sich denn nicht die Zeit nehme, seine Axt zu schärfen, wo sie doch erkennbar stumpf sei. Der Holzfäller deutet, ganz außer Atem, nur auf den noch immer riesigen Holzhaufen und antwortet:

„Sehen Sie den Haufen nicht? Ich habe keine Zeit dafür!“

Ist das Verhalten des Holzfällers intelligent, normal oder dumm? Sehr wahrscheinlich lautet die spontane Antwort: dumm, vielleicht sogar „ausgesprochen dumm“. Hätte er einige Minuten zum Schärfen der Axt investiert, dann hätte er anschließend ein Mehrfaches der aufgewendeten Zeit eingespart. Handle ich möglicherweise manchmal auch so dumm? Dann wird es Zeit für ein Umdenken!

Positive Wirkungen für die Seele

Auch bei seelischen Problemen hat Bewegung eine positive Wirkung. Bewegung baut Stress und Anspannung ab. In vielen Kliniken ist Bewegungs- bzw. Sporttherapie deshalb ein Element des regulären Behandlungsangebots. Eine niederländische Studie mit mehr als 7000 Probanden ließ beispielsweise erkennen, dass schon eine Stunde Sport pro Woche das Risiko für Depressionen, Angststörungen oder Abhängigkeitserkrankungen senkt. Ebenso war ein Erholungseffekt erkennbar. Regelmäßiger Sport half Probanden mit einer psychischen Erkrankung, sich eher von ihr zu erholen. Eine weitere Erkenntnis lautet, dass regelmäßiges Ausdauertraining sogar eine vergleichbar stimmungsaufhellende Wirkung wie die alleinige Behandlung mit Antidepressiva haben kann.

Wenn ich mich in der Natur achtsam bewege, dann kann ich so vieles wahrnehmen: die grünen Wiesen, den Geruch frisch gemähten Grases, das Zwitschern der Vögel, die Wärme der Sonne auf meiner Haut, die durch den Wind bewegten Zweige und Blätter in den Bäumen und Hecken, den Käfer auf dem Weg vor mir, das Gefühl in meinen Fußsohlen, wenn ich auftrete, und vieles, vieles mehr. Es geschieht etwas in mir und mit mir. Meine Seele tankt auf.

Seelisches Wohlbefinden ist in hohem Masse vom Hormonhaushalt und hier insbesondere vom Serotoninspiegel abhängig. Wie schon erwähnt, zählt Serotonin zu den Gewebshormonen mit stimmungsaufhellender Wirkung. Es wird direkt im Gehirn hergestellt, kann also nicht einfach in Tablettenform o. ä. eingenommen werden, da es die Blut-Hirn-Schranke nicht passieren kann. Aber Bewegung sorgt für Serotoninausschüttung. Diese bekannte Wirkung kann ich nutzen, um etwas für mein seelisches Wohlbefinden zu tun.

Vorbeugung für die Seele

In der Gesamtschau lässt sich feststellen, dass regelmäßige Bewegung ausgesprochen Gutes für Körper, Geist und Seele bewirkt. An meinem Wohlbefinden wird es mir bewusst. Ich kann Bewegung gezielt zur Vorbeugung einsetzen, insbesondere auch als Vorbeugung für die Seele.

Nachbemerkung: Beim Schreiben dieses Beitrags bin ich meiner eigenen Empfehlung gefolgt, habe mich eine Weile in der Natur bewegt und kam erfrischt und mit neuen Gedanken zurück. Ich habe nicht den Eindruck, dass ich dadurch Zeit verloren hätte.

Ich bin Dieter Jenz, Begleiter, Berater und Coach mit Leidenschaft. Über viele Jahre hinweg habe ich einen reichen Schatz an Kompetenz und Erfahrung erworben. Meine Themen sind die "4L": Lebensaufgabe, Lebensplanung, Lebensnavigation und Lebensqualität.