Muss ich gleich von Beziehungsmanagement reden? Genügt nicht der Begriff „Beziehungspflege“? Der Begriff Beziehungsmanagement drückt für mich mehr aus: das Anbahnen und Aufbauen von Beziehungen, die Pflege, aber auch das Beenden von Beziehungen. Deshalb dieser Begriff.
Dass uns gesunde soziale Beziehungen gut tun, ist kein Geheimnis. Eine ganze Reihe von Studien haben nachgewiesen, dass Einsamkeit und Isolation auf Dauer krank machen können. Soziale Isolation schadet gewissermaßen genauso wie erhöhter Alkoholkonsum, Rauchen oder Übergewicht, lautet die Erkenntnis. Demgegenüber sind positive Beziehungen für uns wichtige Ressourcen.
Ferner ist es auch kein Geheimnis, dass Menschen, die mehr Wert auf soziale Beziehungen legen, zufriedener sind als Menschen, die sich vor allem auf Materielles konzentrieren: auf mehr Einkommen, auf mehr Besitz. Schließlich führt mehr Reichtum nicht unbedingt zu mehr Glück. Sonst müssten ja Lottogewinner ausnahmslos glücklich sein. Dass dem nicht so ist, ist auch hinreichend bekannt.
Auf einen kurzen Nenner gebracht: Gesunde Beziehungen steigern meine Lebensqualität. Es lohnt sich also, in Beziehungen und das Beziehungsmanagement zu investieren. Unternehmen beschäftigen sich damit unter den Begriffen Kundenbeziehungsmanagement (Customer Relationship Management) und Lieferantenbeziehungsmanagement (Supplier Relationship Management) schon lange. Bei Unternehmen stehen natürlich nicht die privaten, sondern ausschließlich geschäftliche Interessen im Blickpunkt. Es geht nicht um Lebensqualität, sondern unter anderem darum, mit zufriedenen Kunden höhere Umsätze zu erzielen.
Was bedeutet dies für mich? In der Konsequenz ist Beziehungsmanagement Teil meines Lebensqualitätsmanagement. Oder von der anderen Seite her betrachtet: Wenn mir Lebensqualität wichtig ist, muss ich mich um gute Beziehungen kümmern!
Kann ich Beziehungsmanagement sinnvoll in meinen privaten Bereich übertragen? Ohne Weiteres, lautet die Antwort. Anbahnung und Aufbau von Beziehungen, Beziehungspflege, aber auch das Beenden unbefriedigender Beziehungen gehören zu meinem Leben dazu. Ich überlege, mit wem ich Beziehungen aufbauen kann, die mich bereichern. Damit sind nicht Beziehungen gemeint, die ich aus einem Kalkül heraus aufbaue, weil sie mir einen Vorteil verschaffen. Es geht vielmehr um Beziehungen, die mir auf der menschlichen Ebene gut tun. Ebenso überlege ich, welche Beziehungen ich besser beende. Besondere Aufmerksamkeit werde ich der Beziehungspflege widmen, denn es ist mir schließlich wichtig, dass mich meine Beziehungen erfüllen.
Wie kann praktische Beziehungspflege geschehen? Beispielhaft möchte ich die Beziehung zwischen Ehe- oder Lebenspartnern betrachten.
Das Klischee ist aus einer Vielzahl von Filmen bekannt: der aufmerksame Ehemann, der seiner Angetrauten immer wieder einmal mit etwas Schönem verwöhnt. Vielleicht bringt er etwas von einer Geschäftsreise für sie mit oder er lädt sie in ein gutes Restaurant ein. Das ist aktive Beziehungspflege. Aber reicht das aus? Was wäre, wenn der Ehemann ansonsten sehr schweigsam wäre und seine Frau kaum beachtete? Wie würde sie sich fühlen?
Häufig bekomme ich von weiblicher Seite zu hören, dass ihr Partner wenig kommunikativ sei. Nach einiger Zeit der Beziehung würde er nicht mehr viel von oder über sich erzählen. Die Beziehung gerät in eine gewisse Routinephase. Informationen werden weitergegeben und ausgetauscht, aber das Reden über Gefühle spielt eine Nebenrolle.
Zwiegespräch zur Beziehungspflege
Der Psychoanalytiker Michael Lukas Moeller gibt mit seinem Buch „Die Wahrheit beginnt zu zweit“ einen Anstoß und sehr hilfreiche Impulse zur Intensivierung der partnerschaftlichen Kommunikation. Er schlägt wöchentliche Zwiegespräche vor. Jeder Partner hat 45 Minuten lang exklusiv Zeit, über sich zu erzählen: wie sie/er sich fühlt, was sie/ihn bewegt, was Sorgen bereitet, was Freude macht. Für diese Zwiegespräche gelten dieselben Regeln wie auch für Selbsthilfegruppen: „Keine Fragen. Keine Ratschläge. Jeder über sich.“
Seit einiger Zeit nehmen meine Frau und ich uns jede Woche Zeit für ein Zwiegespräch. Unsere Ehe besteht schon viele Jahre und bisher kamen wir ohne sie aus. Aber wir waren darauf gestoßen und wollten uns bewusst darauf einlassen, um unsere Beziehung besser zu pflegen. In den Jahren zuvor hatte sich eine gewisse Beziehungsroutine eingestellt. Daran wollten wir etwas ändern.
Wir halten uns an die im Buch von Moeller dargelegten Konzepte. Während dieser Zeit sind wir nur für uns und deshalb für Andere nicht erreichbar. Unsere Erfahrung ist sehr positiv. Wir erfahren viel mehr über uns und fühlen uns tiefer miteinander verbunden.
Anfangs dachte ich, dass ich für das, was ich mitteilen wollte, nicht mehr als fünf Minuten benötigen würde. Es fiel mir auch etwas schwer, aber mit der Zeit konnte ich mich besser darauf einlassen und jetzt nutze ich meine 45 Minuten aus. Natürlich rede ich nicht am Stück. Es gibt immer wieder längere Pausen, in denen ich nachdenke und Gedanken und Impulsen Zeit lasse, sich auszuformen.
Mittlerweile betrachte ich das Zwiegespräch als ein sehr gutes „Instrument“ in der Beziehungspflege. Das Zwiegespräch muss auch nicht auf Ehe- oder Lebenspartner beschränkt sein. Und der Anlass dafür, sich auf das Zwiegespräch einzulassen, muss keine akute Krise sein. Allerdings müssen beide Partner Beziehungspflege als wichtig ansehen und willens sein, in die Beziehungspflege zu investieren. Bei beiderseitigem gutem Willen lässt der Lohn nicht lange auf sich warten!