Plötzlich ist sie da – die intensive Gewissheit. Doch woher kommt sie? Es scheint ein Rätsel zu sein, wie Menschen Gewissheit über etwas haben können, das sich außerhalb ihres Einflusses befindet.
Inhalte:
Dieser Beitrag ist Teil der Serie „Was geschieht mit mir wenn ich sterbe?“
Grobes Inhaltsverzeichnis
Das Phänomen der intensiven Gewissheit wird in ganz unterschiedlicher Form beobachtet. Diese Art von Gewissheit stützt sich weder auf das Hören einer oder mehrerer Stimmen noch auf das „Sehen“ mit den Augen der Seele. Sie kann sich auf Ereignisse oder Zustände in Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft beziehen.
Eine intensive Gewissheit benötigt keine Hilfestellung von außen in Form von Hinweisen durch Mitmenschen. Sie stellt sich gewissermaßen plötzlich ein.
Berichte in der Literatur
In der Literatur der vergangenen Jahrhunderte bis hinein in die Gegenwart werden eine Vielzahl von Vorfällen berichtet, die sich dem Phänomen der intensiven Gewissheit zuordnen lassen. Allerdings lässt sich nicht immer eindeutig bestimmen, ob es sich ausschließlich um einen Fall spontaner intensiver Gewissheit handelte oder ob zusätzlich ein weiteres Phänomen, beispielsweise eine innere Stimme, beteiligt war.
Vorausahnung des eigenen Todes
Von manchen Menschen wird berichtet, dass sie den genauen Zeitpunkt ihres eigenen Todes vorausahnten. Wie es zu der intensiven Gewissheit kam, bleibt allerdings im Ungewissen.
Vorahnung eines Schriftstellers
Das Buch „Der Spuk im Grabgewölbe“ gibt einen Beitrag wieder (S. 297), der den „Münchener Neuesten Nachrichten“ No. 441 im Jahr 1910 zu entnehmen war. Der Beitrag nimmt Bezug auf den Tod des französischen Schriftstellers und Wissenschaftsjournalisten Louis Boussenard (1847-1910), der überwiegend wissenschaftliche Abenteuerromane verfasste und neben Jules Verne als einer der wichtigsten Vertreter dieser Gattung gilt. In dem Beitrag heißt es:
„Der Jugendschriftsteller Boussénard, der in Frankreich für den Erben Jules Vernes gilt, ist letzten Sonntag gestorben. Er fühlte seinen Tod herannahen und verfasste selber seine Todesanzeige, die folgendermaßen lautet: „Louis Boussénard, Schriftsteller, beehrt sich, Sie zu seinem bürgerlichen Leichenbegängnis einzuladen, das am 12. September nachmittags stattfindet. Untröstlich über den Verlust seiner Frau, erliegt er in seinem dreiundsechzigsten Lebensjahre einem Schmerz, den nichts hat lindern können. Sein letzter Gedanke gilt seinen zahlreichen Freunden und treuen Lesern. Man versammelt sich im Sterbehaus, um den Leichenzug bis zum Bahnhof zu geleiten, von wo der Zug um zwölf Uhr abgeht.“ – Der Tod trat ein, wie Boussénard es erwartete, und die Anordnungen, die er für die Bestattung getroffen hatte, konnten auch in Hinsicht der Zeitangaben buchstäblich erfüllt werden.“
Aus dem Beitrag geht Folgendes hervor:
- Louis Boussenard fühlte seinen Tod herannahen und konnte den Zeitpunkt offenkundig soweit eingrenzen, dass er konkrete Anordnungen für die Trauerfeierlichkeiten treffen konnte,
- Louis Boussenard gab nicht seine Todesstunde an (er starb am 11. September 1910), sondern konzentrierte sich auf die Ereignisse des Tages der Trauerfeierlichkeiten,
- Es erscheint eher unwahrscheinlich („Er fühlte seinen Tod herannahen“), ist jedoch nicht völlig auszuschließen, dass es sich um einen Suizid handelte.
Vorahnung eines noch rüstigen früheren Bäckers
In seinem Buch „Zeichen des Himmels“ schildert (S. 66 ff.) Johannes Michels die Vorahnung eines 90-jährigen früheren Bäckers hinsichtlich seines bevorstehenden Todes:
„An einem Mittwochmorgen überraschte er [der Bäcker, Anm. des Autors] mit einem eigentümlichen Wunsch seine Tochter. „Mariechen, ich habe eine Bitte: Bestell mir den Pfarrer her!“
„Heute, mitten in der Woche?“ – „Ja, heute, mitten in der Woche.“ – „Natürlich, gern. Aber warum denn eigentlich?“ „Ich möchte ihn sprechen, das heißt beichten. Er möge auch bitte die Kommunion mitbringen.“
„Ja, Papa, in Ordnung. Aber möchtest du mir denn nicht auch sagen, warum du das ausgerechnet heute so wünschst?“
„Natürlich. Denn heute Abend werde ich nicht mehr erleben.“
„Was? Nicht mehr erleben? Du bist doch gesund und munter. Das verstehe ich nicht.“
„Doch es ist so. Heute Nachmittag um vier Uhr ist es so weit. Bestelle auch nach Möglichkeit deine Geschwister her. Sie sollen herkommen, wenn sie können. Ich möchte mich dann verabschieden.“
Marie, seine Tochter hielt es nicht für möglich, was ihr Vater sagte. Aber trotzdem zweifelte sie auch nicht an seinen Worten. Denn trotz seines hohen Alters war ihr Vater noch bei vollständig klarem Verstand. Also telefonierte sie mit dem Pfarrer und allen erreichbaren Geschwistern. Noch am Vormittag besuchte der Pfarrer Herrn K. und führte mit ihm das gewünschte persönliche Gespräch. Er spendete ihm die Sakramente und religiösen Segnungen, wie Peter K. es von ihm erbeten hatte. Als der Bäckermeister dann Zeitpunkt und Gestaltung seiner Bestattung ansprach, war der sonst so wortgewandte Geistliche einfach sprachlos.
„Wie kommen Sie denn dazu? Sie sind doch noch vital und gesund, und dann sprechen Sie von Ihrer Beerdigung. Sie werden mit Sicherheit noch hundert Jahre alt werden.“
„Nein. Denn heute Nachmittag ist es so weit. Dann nehme ich von der Erde Abschied und von Ihnen allen. Es versteht sich ja von selbst, dass ich von mir aus damit natürlich nichts zu tun habe.“
Den versteckten Hinweis des alten Herrn auf seinen natürlichen und nicht etwa künstlich herbeigeführten Tod verstand der Seelsorger selbstverständlich direkt.
„Woher wollen Sie das denn mit solcher Bestimmtheit wissen?“
„Ich ahne und ich spüre es mit absoluter Gewissheit. Das ist so, als ob es mir jemand gesagt hätte, der es unbedingt weiß. Außerdem, Herr Pastor, Sie werden es ja in einigen Stunden erfahren. Erinnern Sie sich dann bitte an dieses Gespräch.“
Dem Bericht zufolge versammelten sich die Familienimtglieder, soweit sie in der kurzen Zeit anreisen konnten. Der Bäckermeister erläuterte sein Testament und verabschiedete sich schließlich von allen.
„Und schließlich – nach einiger Zeit – hörten sie, wie er mit zunächst fester, dann aber immer leiserer Stimme sprach: „Jaa – ich kooommme – tschüüs.“ Dabei hob der Bäckermeister seine rechte Hand und winkte allen im Zimmer zu. Seine Armbewegung wurde immer schwächer. Schließlich sank der Arm nach unten und rührte sich nicht mehr. Seine Augen schauten geradeaus. Die Augenlider bewegten sich nicht mehr. Sein Mund war leicht geöffnet.
Am ehesten begriff Mariechen, die jüngste Tochter. Sie ging ganz leise nach hinten in die Ecke zur uralten Standuhr, die gerade mit vier dumpfen Schlägen die Zeit angekündigt hatte. Denn der Stundenzeiger stand genau auf vier Uhr. Einem alten Brauch nach hielt die jüngste Tochter das Pendel der Uhr an.“
An der Schilderung lässt sich Folgendes als bemerkenswert festhalten:
- Peter K. wusste offenkundig um den genauen Zeitpunkt seines bevorstehenden Todes und schien sich diesbezüglich sehr sicher zu sein,
- Er schien unbesorgt zu sein, sich vor seiner Familie zu blamieren, falls sich seine Erwartung als unzutreffend erweisen sollte – seine Gewissheit schien stärker zu sein,
- Kurz vor seinem Tod hatte Peter K. anscheinend eine Sterbebettvision bzw. Sterbevision,
- Der Zeitpunkt des Todes entsprach genau dem erwarteten Zeitpunkt.
Warnung vor einem Unglück
Johann Heinrich Jung (genannt Jung-Stilling) schildert in seiner „Theorie der Geisterkunde“, wiedergegeben in „Die Hexe von Endor“ (S. 252) folgende Begebenheit:
„Der Kaufmann, bei dem ich von 1763 bis 1770 in Dienst war [Peter Johannes Flender, Fabrikant und Fernhandelskaufmann, Anm. des Autors] und den ich in meiner Lebensgeschichte Spanier genannt habe, hatte einst, als er seine Handlung anfing, eine Reise nach Holland gemacht, um sich Kunden für seine Eisenfabrik zu suchen. In Rotterdam mit seinen Geschäften fertig, war er eines Morgens zum Middelburger Marktschiff gegangen, das dort vor Anker lag, hatte einen Platz für sich bestellt und bezahlt und gebeten, man möchte einen Matrosen in seinen Gasthof schicken, wenn das Schiff abgehen sollte. Als dieser Matrose nun nach elf Uhr in sein Zimmer gekommen war, hatte den Kaufmann eine ganz unerklärliche Angst befallen mit der Überzeugung, dass er nicht nach Middelburg reisen dürfe. Alle Gegenvorstellungen hatten nichts geholfen: er hatte dem Matrosen sagen müssen, er könne nicht mitfahren, und das Fahrgeld verloren geben müssen. Als der Matrose gegangen, hatte der Kaufmann vernünftig überlegt, was wohl die Ursache dieser sonderbaren Gemütsbewegung gewesen sein möchte. Im Grunde war er missmutig gewesen, dass er nun diesen wichtigen Teil seiner Reise versäumen würde, indem er das nächste Middelburger Marktschiff nicht mehr abwarten konnte. – Als er dann abends mit einem Freunde zusammengesessen, war ein großer Lärm auf der Gasse entstanden. Man hatte sich erkundigt und aldbald erfahren, dass der Blitz in das Middelburgere Marktschiff geschlagen, dass es untergegangen und dass kein Mensch gerettet worden sei.“
Folgendes lässt sich als bemerkenswert festhalten:
- Die unerklärliche Angst war unspezifisch, muss aber als sehr heftig empfunden worden sein,
- Wahrscheinlich hatte der Kaufmann intensiv mit sich gerungen, ob er dieser Angst nachgeben sollte,
- Mit dem Verzicht auf die Fahrt mit dem Schiff waren ein finanzieller Nachteil (der Fahrpreis wurde nicht rückerstattet) und außerdem Zeitverlust verbunden,
- Die Angst erwies sich im Nachhinein als berechtigt, da er bei dem Unglück höchstwahrscheinlich ums Leben gekommen wäre.
Folgerungen
Das Phänomen der intensiven Gewissheit lässt sich rational kaum fassen. Wie kann es zu einer intensiven Gewissheit kommen, wobei sich diese Gewissheit dann auch noch objektiv erfüllt? Es wäre wiederum naheliegend, von einer Äußerung des Unterbewusstseins auszugehen. Das Unterbewusstsein würde gewissermaßen einen Wunsch, einen Trieb o. ä. in einer intensiven Gewissheit manifestieren. Sicherlich mag dies in manchen Fällen so zutreffen, jedoch wohl bestimmt nicht in allen. Zumindest die mit einer unerklärlichen und intensiv erlebten Angst verknüpfte Gewissheit des Kaufmanns lässt sich wohl kaum mit einem unterbewussten Wunsch oder einem Trieb erklären.
Wenn unterstellt wird, dass die intensive Gewissheit durch Eingebung einer externen Instanz induziert wird, bedeutet dies in der Konsequenz, dass eine externe Instanz in der Lage ist, sich in das Gehirn eines Menschen „einzuschalten“. Der Erlebende ist jedoch immer noch Herr seiner selbst, sofern er in der Lage ist, gegen seine intensive Gewissheit zu handeln.
Auf der „kommunikationstechnischen“ Ebene ergeben sich im Vergleich zu den bisher skizzierten Phänomenen keine weitergehenden Anforderungen. Der Empfänger „pflanzt“ gewissermaßen einen intensiven Gedanken ein, der vom Erlebenden ein Handeln im Einklang mit dem Gedanken fordert.
Das Phänomen der intensiven Gewissheit wird im Teil „Queranalyse“ weiter untersucht.