Das Selbstwertgefühl stärken und schützen – es ist nicht schwer und jeder kann es. Ein Denkprozess, der Freude macht und schon nach kurzer Zeit Erfolge mit sich bringt.
Inhalte:
Laura (Name geändert) litt in ihrer Beziehung. Von ihrem Partner fühlte sie sich schlecht behandelt. Ihrer Schilderung zufolge ging er nicht auf sie und ihre Wünsche ein, die sie im Hinblick auf die Beziehung hatte – jedenfalls meistens nicht. Sie wünschte sich eine Beziehung auf Augenhöhe, doch im Alltag erlebte sie sich eher als Erfüllerin der Bedürfnisse und Wünsche ihres Partners. Zwar gab es immer wieder einmal schöne Momente für sie, doch die meiste Zeit fühlte sie sich nicht respektiert, nicht wirklich ernstgenommen. Die Beziehung wollte sie trotzdem nicht beenden. „Besser der als gar keiner“, schien ihre Einstellung zu sein.
Weshalb fand Laura nicht den Mut, von ihrem Partner Respekt und eine Beziehung auf Augenhöhe für sich einzufordern? Im Gespräch stellte sich heraus, dass Lauras Selbstwertgefühl sehr schwach ausgeprägt war. Sie schätzte den Wert ihrer Person aus ihrer Sicht als sehr gering ein. Lieber ergab sie sich in ihr vermeintliches Schicksal als die Beziehung zu beenden.
Selbstwertgefühl – schwach, stark oder irgendwo zwischendrin?
Jeder Mensch bewertet sich selbst als Person. Das Wissen über sich selbst, die eigenen Fähigkeiten und Kompetenzen, Überzeugungen, Werte, Absichten, Pläne usw. – all dies formt sich zu einem Gesamtbild, einem Selbstbild. In dieses fließt nicht nur die gegenwärtige Wahrnehmung von sich selbst ein, sondern außerdem auch die Wahrnehmung der Vergangenheit. Aus dem so entstandenen Gesamtbild wird eine positive oder negative Einstellung gegenüber sich selbst abgeleitet. Diese Einstellung ist mit verschiedenen Gefühlen verknüpft. Insofern bezeichnet das Selbstwertgefühl das gesamthafte, globale subjektive Gefühl, das beim Nachdenken über den Wert (nicht in ökonomischer Hinsicht!) der eigenen Person empfunden wird.
Menschen haben nicht nur ein globales Selbstwertgefühl, bewerten sich im Hinblick auf einzelne Aspekte durchaus unterschiedlich. Eine Person mag beispielsweise hinsichtlich ihrer körperlichen Erscheinung eine andere subjektive Wahrnehmung empfinden als im Hinblick auf ihre Fähigkeiten und Kompetenzen und den damit verbundenen Leistungen und Erfolgen. So mag es, wiederum als Beispiel, sein, dass einem positiven Selbstwertgefühl im Hinblick auf die körperliche Erscheinung ein negatives Selbstwertgefühl hinsichtlich Fähigkeiten und Kompetenzen gegenübersteht. Die Thematik des aspektspezifischen Selbstwertgefühls wird an dieser Stelle nicht weiter vertieft.
Negatives globales Selbstwertgefühl
Ein negatives globales Selbstwertgefühl (man schätzt subjektiv den Wert seiner Person insgesamt negativ ein) bringt oft Gefühle wie Angst, Scham, Schuld oder Minderwertigkeit mit sich. Menschen mit einem schwach ausgeprägten Selbstwertgefühl neigen dazu, sich selbst sehr kritisch zu sehen, an sich selbst zu zweifeln, sich Selbstvorwürfe zu machen. Letztlich fehlt es an Selbstannahme bzw. Selbstakzeptanz. Anderen Menschen gegenüber, denen es vermeintlich besser geht, hegen sie oft Missgunst. Darüber hinaus neigen sie dazu, gegenüber anderen etwas vorzugeben, was sie nicht sind. Als Folge davon wirken sie nicht authentisch. Um persönliche Zurückweisungen zu vermeiden, versuchen sie Situationen aus dem Weg zu gehen, in denen sie möglicherweise versagen (Versagensangst) oder sich blamieren könnten. Sozialer Rückzug kann eine weitere Folge sein. Auch psychische Erkrankungen, insbesondere Angststörungen und Depressionen, stehen in Zusammenhang mit einem niedrigen Selbstwertgefühl.
Positives globales Selbstwertgefühl
Demgegenüber resultiert ein positives globales Selbstwertgefühl im Allgemeinen in einem emotionalen Wohlbefinden, verbunden mit Zufriedenheit im Leben und Freude am Leben. Menschen mit einem stark ausgeprägten Selbstwertgefühl akzeptieren sich so, wie sie sind, mit allen ihren Stärken und Schwächen. Sie stehen zu sich selbst und wirken authentisch. Sie müssen sich und anderen im Grunde nichts beweisen. Darüber hinaus trauen sie sich eher zu, Herausforderungen zu meistern und Ziele erreichen zu können. Deshalb sind sie auch eher dazu bereit, ihre Komfortzone zu verlassen, Neues zu wagen und dafür auch Risiken einzugehen.
Menschen mit einem positiven globalen Selbstwertgefühl fühlen sich im Allgemeinen psychisch gesund. Insofern ist es berechtigt, ein positives globales Selbstwertgefühl mit einem gesunden Selbstwertgefühl zu assoziieren.
Zwischentöne
Zwischen diesen beiden Polen des negativen und des positiven globalen Selbstwertgefühls gibt es ein breites Spektrum an Zwischentönen. Nur die wenigsten Menschen würden sich selbst ein absolut negatives oder absolut positives Selbstwertgefühl zuschreiben.
Eine grobe Einordnung des individuellen globalen Selbstwertgefühls ist mit einer Selbstwert-Skala möglich. Häufig genutzt werden die von Morris Rosenberg im Jahr 1965 entwickelte Selbstwert-Skala (Rosenberg Self Esteem Scale (RSES) und die deutsche Fassung von Collani und Herzberg aus dem Jahr 2003. In der deutschen Fassung besteht der Test aus zehn Fragen, wobei für jede Frage von „gar nicht“ bis hin zu „vollkommen“ insgesamt sechs Antwortmöglichkeiten bestehen.
Die Höchstpunktzahl liegt bei 60 Punkten, die Mindestpunktzahl bei 10 Punkten. Je näher die Selbsteinschätzung bei der Mindestpunktzahl liegt, desto größer ist der Anreiz, das Selbstwertgefühl zu stärken.
Weshalb ist ein gesundes Selbstwertgefühl so wichtig?
Ein gesundes Selbstwertgefühl, die gefühlsmäßige Überzeugung, wertvoll zu sein, hat auch zur Folge, dass man sich selbst wertschätzt. Diese Selbstwertschätzung strahlt auf die Lebensgestaltung in allen Bereichen des Lebens aus. Wer wertschätzend mit sich selbst umgeht, verhält sich völlig anders wie eine Person, die sich selbst nicht wertschätzt.
Insbesondere vermittelt ein gesundes Selbstwertgefühl, verknüpft mit Selbstwertschätzung, innere Sicherheit, stärkt die innere Widerstandskraft (Resilienz), und wirkt sich positiv auf die innere Balance aus. Insofern ist es keineswegs gewagt zu folgern, dass ein gesundes Selbstwertgefühl auch als Schutzmechanismus, gewissermaßen als Schutzschild, gegen eine depressive Erkrankung wirken kann.
In der Konsequenz hat ein gesundes Selbstwertgefühl somit nicht nur den Charakter eines Spiegels oder Barometers für das seelische Wohlbefinden, sondern dient auch aktiv als Ressource, gewissermaßen als „seelisches Rückgrat“. Es wirkt auch – mit einem anderen Bild ausgedrückt – als „Airbag der Psyche“.
Wie wird ein schwaches zu einem starken Selbstwertgefühl?
Wie gelangt Laura von einem schwachen zu einem starken Selbstwertgefühl? Automatisch oder per Zufall wird es sicherlich nicht geschehen. Wie jeder Mensch, so ist auch Laura für ihr Selbstwertgefühl selbst verantwortlich. Wenn sie ihr Selbstwertgefühl stärken will, weil ihr ihre psychische Gesundheit wichtig ist, muss sie etwas unternehmen. Doch was?
Angenommen, Laura setzt sich selbst das Ziel, auf der Selbstwert-Skala möglichst weit in Richtung Höchstpunktzahl zu gelangen. Als erstes stellt sich dann die Frage, welche Ressourcen Laura benötigt, um ihr Ziel erreichen zu können.
Wer, als Beispiel, eine Immobilie kaufen will, braucht dafür Finanzmittel als Ressource. Ohne ausreichende Finanzmittel ist ein Immobilienerwerb nicht möglich. Welche Ressourcen sind im übertragenen Sinne erforderlich, um das Selbstwertgefühl zu stärken?
Die benötigten Ressourcen müssen in jedem Fall in Laura selbst bereits vorhanden sein. Ansonsten wäre sie von bestimmten Gegebenheiten, Umständen, Personen o. ä. abhängig. Es müssen Energiequellen sein, die sich im Lauf des Lebens nicht erschöpfen. Und Laura muss auch in der Lage sein, diese Energiequellen zur Stärkung ihres Selbstwertgefühls nachhaltig zu nutzen.
Energiequellen
Wie jeder Mensch, so verfügt auch Laura von Geburt an über Energiequellen. Diese sind:
- bedingungslose Würde („ich habe angeborene Würde, die mir unter keinen Umständen genommen werden kann“),
- soziale Wertigkeit und Bedeutung („es ist nicht egal, ob ich auf der Welt bin oder nicht“),
- eigene Fähigkeiten und Kompetenzen („ich habe angeborene Fähigkeiten und kann diese dazu nutzen, Kompetenzen zu entwickeln“).
Viele Menschen sind sich nicht bewusst, dass sie über diese drei Energiequellen verfügen, die darüber hinaus unerschöpflich sind, also nie versiegen. Wäre dieses Bewusstsein vorhanden, würde es auch sehr viel leichter fallen, sich selbst zu akzeptieren.
Die unerschöpflichen Energiequellen sind, bildlich ausgedrückt, mit einem soliden Fundament vergleichbar. Erst wenn das Fundament gelegt und solide ist, sollten Schritte zur weiteren Entwicklung des Selbstwertgefühls in Angriff genommen werden. Geschieht dies nicht, wird, bildlich ausgedrückt, ein Haus auf Sand gebaut.
Energieumwandlung
Energiequellen haben keinen praktischen Nutzen, wenn sie unerschlossen bleiben. Im übertragenen Sinne ist es Lauras Aufgabe, ihre bereits vorhandenen Energiequellen zu erschließen und zur Stärkung ihres Selbstwertgefühls zu nutzen.
Eine Art Generator wird benötigt, der die von den Quellen gelieferte Energie in eine Energie zur Stärkung des Selbstwertgefühls umwandelt. Der bildhafte Vergleich mit einem konventionellen Kraftwerk bietet sich geradezu an. Dort übernimmt ein Generator die Aufgabe, eine Energieform in eine andere umzuwandeln. In einem Wasserkraftwerk, als Beispiel, wird durch das vorbeifließende Wasser ein Turbinenrad in Bewegung gehalten. Die Bewegungsenergie wird dazu genutzt, einen Generator anzutreiben, der elektrische Energie erzeugt.
Beim Menschen übernimmt das Denken die Aufgabe des Generators. Durch ihr Denken können Menschen nachhaltig steuern, wie sie
- sich selbst und ihre Umwelt einschließlich ihrer Mitmenschen wahrnehmen,
- sich gegenüber sich selbst und gegenüber anderen verhalten,
- sich selbst verändern.
Laura verfügt mit ihrem Denken und durch ihr Denken über die Fähigkeit, ihr Selbstwertgefühl nachhaltig zu stärken. Die notwendige Energie für ihre Veränderungsprozesse ist also schon vorhanden. Wenn sie diese Energie wirkungsvoll nutzt, wird sie von einem schwachen zu einem starken Selbstwertgefühl gelangen
Wie wird die Energieumwandlung gesteuert?
In der Gesamtschau betrachtet verfügt nicht nur Laura, sondern jeder Mensch, über ein inneres Kraftwerk. Der Betreiber dieses inneren Kraftwerks ist man selbst.
Als Betreiber sitzt man, bildlich ausgedrückt, am Bedienfeld. Das innere Kraftwerk wird natürlich nicht mit Knöpfen, Tasten oder Schiebern gesteuert, sondern durch sein Denken. Durch sein Denken bestimmt man, wie und in welchem Umfang man seine Energiequellen nutzt und wie Energie umgewandelt wird, um Einstellungen und Verhalten ändern zu können. Durch das Denken bestimmt man ferner, wie man mit Störeinflüssen umgeht und wie man Unterstützungsfaktoren zur Wirkung bringt.
Man hat es selbst in der Hand, wie man sein inneres Kraftwerk steuert, um sein Selbstwertgefühl zu stärken. Die Art und Weise der Steuerung und was es bei der Steuerung konkret zu beachten gilt, muss eingehend bedacht werden.