Hoffnung gibt Kraft und Mut. Sie hilft durch schwere Zeiten, beim Durchhalten, und bewirkt Erstaunliches.
Verschüttet in 700 Metern Tiefe – ohne Hoffnung?
Es ist Donnerstag, der 5. August 2010. An diesem Tag stürzt am Rand der Stadt Copiapo in der chilenischen Atacama-Wüste die kleine Gold- und Kupfermine San José ein. 33 Bergleute werden in rund 700 Metern unter der Erde verschüttet.
Sondierbohrungen zu möglichen Rückzugsorten der Verschütteten werden vorgenommen. Da diese zunächst keinen Erfolg bringen, schwindet in den folgenden Tagen die Hoffnung immer mehr, die Bergleute zu finden und lebend retten zu können. Eine Woche später, am 12. August, erklärt das Bergbauministerium, dass die Wahrscheinlichkeit für eine Rettung gering sei, zumal noch immer jedes Lebenszeichen fehlte.
Trotzdem gehen die Bemühungen, die Bergleute zu orten, weiter. Schließlich, weitere 10 Tage später, am 22. August, können die verschütteten Bergleute nach insgesamt über zweiwöchiger völliger Abgeschiedenheit lebend geortet werden. Jetzt geht es darum, herauszufinden, wie die Bergleute wieder möglichst sicher an das Tageslicht gebracht werden können. Endlich, nach insgesamt 69 Tagen, und dennoch weitaus früher als ursprünglich angenommen, können alle Eingeschlossenen wohlbehalten in Rettungskapseln an die Erdoberfläche geholt werden. Noch nie zuvor waren Menschen so lange Zeit unter Tage eingeschlossen und überlebten.
Wann ist Hoffnung (noch) sinnvoll?
„Wenn die Hoffnung aufwacht, legt sich die Verzweiflung schlafen.“ Mit dieser asiatischen Weisheit lässt sich das Geschehene gut charakterisieren. Doch sicherlich stellte sich für die Verantwortlichen nicht nur einmal die Frage, ob noch eine begründete Hoffnung besteht. Hatte man wirklich noch Hoffnung, die der Verzweiflung den Raum nimmt? Oder hatte man in Wirklichkeit doch keine Hoffnung mehr und flüchtete sich letzten Endes in blinden Aktionismus, um den Angehörigen und der Öffentlichkeit gegenüber zu demonstrieren, dass man nicht aufgab?
Wann ist Hoffnung sinnvoll, und wann nicht (mehr)? Diese Frage beantwortete Václav Havel, tschechischer Menschenrechtler und Politiker wohl sehr treffend: „Hoffnung ist nicht die Überzeugung, dass etwas gut ausgeht, sondern die Gewissheit, dass etwas Sinn macht, egal wie es ausgeht.“. Wenn man überzeugt wäre, dass etwas gut ausgehen wird, wäre Hoffnung überflüssig. Hoffnung ist vielmehr eine zuversichtliche innerliche Ausrichtung, gepaart mit einer positiven Erwartungshaltung, dass etwas Wünschenswertes eintreten wird, ohne dass wirkliche Gewissheit darüber besteht.
Sinnvoll ist Hoffnung solange, wie eine noch so geringe Chance besteht, dass das Wünschenswerte eintritt. Im Gegensatz dazu wäre Hoffnung sinnlos, wenn das Wünschenswerte objektiv gesehen nicht eintreten kann. Dies wäre beispielsweise der Fall, wenn ein Leichtathlet darauf hoffen würde, den 100-Meter-Lauf in unter fünf Sekunden bestreiten zu können. Eine derartige Leistung liegt objektiv gesehen außerhalb des für Menschen Möglichen.
Was kann geschehen, wenn man die Hoffnung aufgibt?
Während des Lebens kann man in Situationen geraten, die als aussichtslos erscheinen. In einer solchen Situation können die Probleme riesengroß und als unlösbar erscheinen. Dann kann es naheliegen, die Hoffnung aufzugeben. Doch was kann geschehen, wenn die Hoffnung aufgegeben wird?
Gerüchte bewahrheiteten sich nicht
In seinem Buch „… trotzdem Ja zum Leben sagen“ berichtet der Neurologe und Psychiater Viktor Frankl von seinen Erlebnissen im Konzentrationslager. Insbesondere nahm er wahr, dass zwischen Weihnachten und Silvester 1944 mehr Gefangene als jemals zuvor starben. Es waren jedoch nicht mögliche äußere Umstände, wie etwa Nahrungsentzug, Verringerung von Essensrationen, härtere Arbeit oder eine Epidemie, die für die vermehrten Sterbefälle verantwortlich zu machen gewesen wären. Es war vielmehr fehlende Hoffnung. Er schreibt:
„Der Grund für das Sterben so vieler Gefangener war vielmehr, dass Gerüchte umgegangen waren, das Ende des Krieges sei in greifbare Nähe gerückt. Die Lagerinsassen lebten in der Erwartung, noch vor Weihnachten befreit zu werden. Als das Fest näher rückte und es keine Anzeichen dafür gab, dass die alliierten Gruppen bald einträfen, verloren viele Gefangene den Mut. Sie resignierten. Und nachdem keine Hoffnung mehr da war, gaben sie den Kampf ums Überleben auf. Innerhalb weniger Tage starben viele von ihnen. Die Hoffnungslosigkeit übertrug sich auf die anderen Gefangenen und schon bald breitete sich diese negative Haltung wie eine Epidemie im Lager aus und viele fielen ihr zum Opfer.”
Im Nachhinein betrachtet – doch dies ist aus heutiger Sicht leicht gesagt – wurde die Hoffnung zu früh aufgegeben. Das Konzentrationslager, in dem Viktor Frankl als Gefangener leben musste, wurde etwa vier Monate später, im April 1945, befreit.
Der getäuschte und enttäuschte US-Soldat
Martin Seligman, US-amerikanischer Psychologe, schildert in seinem Buch „Erlernte Hilflosigkeit“ die Geschichte von Robert, einem Obergefreiten einer Eliteeinheit von Marineinfanteristen der US-Armee. Robert geriet 1966 während des Vietnam-Kriegs in Nordvietnam in Gefangenschaft der Vietcong.
Robert war als Fallschirmjäger und Taucher ausgebildet. Trotz der Unterernährung und Gewichtsverlust auf unter 50 kg blieb er zwei Jahre lang in sehr guter körperlicher und seelischer Verfassung. Er war überzeugt davon, dass er bald entlassen werden würde. Der Vietcong entließ gelegentlich Gefangene, die sich kooperativ verhalten hatten. Der Lagerkommandant hatte Robert Hoffnung gemacht und angedeutet, dass er innerhalb der nächsten sechs Monate freikommen würde.
Leider erfüllte sich die Hoffnung nicht. Robert wurde klar, dass er getäuscht worden war. Er hörte auf zu arbeiten und zeigte Anzeichen einer tiefen Depression. Er aß nichts mehr und kauerte in embryonaler Stellung, am Daumen lutschend, auf dem Bett. Obwohl sein körperlicher Zustand immer noch besser war als der der meisten seiner Mitgefangenen, dämmerte er dahin. Wenige Wochen später starb er.
Was kann geschehen, wenn man sich an der Hoffnung festklammert?
Wenn Menschen sich in einer äußerst schwierigen, vielleicht sogar lebensbedrohlichen Situation befinden und dann initiativ werden, benutzen sie nicht unbedingt das Wort „Hoffnung“. Doch so, wie sie handeln, würden sie ohne unterschwellige Hoffnung nicht handeln. Die Hoffnung ist trotz aller Widrigkeiten nicht erloschen.
Flucht im Kohlewagen von der Slowakei in die Schweiz
Zu allen Zeiten mussten Menschen fliehen, um am Leben zu bleiben, so auch während der Zeit des sogenannten Dritten Reiches (1933-1945). Unzählige Flüchtlingsschicksale wurden dokumentiert. Eines dieser Flüchtlingsschicksale sei an dieser Stelle kurz skizziert.
Leopold Mendlovic wuchs in einer jüdischen Familie in der Slowakei auf. Am 7. Juni 1942 wurden seine Eltern nach Polen deportiert. Jetzt konnte er nicht mehr in sein Zuhause zurückkehren, da ihm ebenfalls die Deportation drohte. Er hielt sich mit seinem Bruder Nandor versteckt, meistens im Wald. Nur bei schlechtem Wetter suchten die Beiden vorübergehend Unterschlupf im Haus von Verwandten.
Sie konnten in Erfahrung bringen, dass am 24. Dezember 1942 ein Kohlenzug in die Schweiz fahren würde. Damals war der Rohstoffimport aus der Slowakei für die Schweiz von hoher Bedeutung. Regelmäßig wurde u. a. auch Kohle von der Slowakei mit der Bahn in die Schweiz transportiert.
Zusammen mit einer dreiköpfigen Familie bestiegen Leopold Mendlovic und sein Bruder an Heiligabend 1942 einen Eisenbahnwagen durch eine Luftklappe. Bei der Grenzkontrolle in Feldkirch blieben die Flüchtlinge unentdeckt. Am 1. Januar 1943 wurden die Flüchtlinge in Olten vom Bahnpersonal aufgegriffen und an die Heerespolizei übergeben.
Die Gefühle der Flüchtlinge müssen sehr gespalten gewesen sein. Es war eine Fahrt ins Ungewisse. Doch die Flucht schien für sie angesichts der konkreten Gefahr der Deportation die einzige Option zu sein. Vor dem Hintergrund ihrer verzweifelten Hoffnung aufs Überleben waren sie bereit, große Risiken auf sich zu nehmen. Die Enge im Eisenbahnwagen, die Möglichkeit, nur Lebensmittel mitzunehmen, die Fahrt im Winter bei Kälte, die sanitäre Situation und vor allem auch die Angst vor Entdeckung hielten nicht davon ab, sich in den Wagen zu zwängen.
Insgesamt gelang 30 slowakischen Juden in Güterzügen die Flucht in die Schweiz1. Allerdings wurde auch eine Flüchtlingsgruppe bei der Grenzkontrolle in Feldkirch entdeckt. Andere Flüchtlinge kamen ums Leben, als die Alliierten den Bahnknotenpunkt Innsbruck bombardierten und ein dort stehender Güterzug getroffen wurde.
Sturz in eine Gletscherspalte in rund 6000 Meter Höhe
Im Mai 2014 kam es im Himalaya zu einem Bergunfall. Der US-amerikanische Wissenschaftler John All, Professor für Geografie und Umweltstudien, zudem auch Bergsteiger, befand sich zusammen mit zwei anderen Teammitgliedern am Himlung, einem Berg in der Nähe des Annapurna an der Grenze zwischen Tibet und Nepal.
Während des Aufenthalts am Himlung traten bei einem Teammitglied Beschwerden auf. Daraufhin wurde entschieden, ihn nach unten zu bringen. Dies bedeutete, dass sich John All entscheiden musste, entweder alleine im Lager zurückzubleiben oder mit den beiden anderen abzusteigen
John All entschied sich dafür, alleine zurückzubleiben, in dieser Umgebung eine riskante Entscheidung. Nachdem die beiden anderen gegangen waren, ging er los, um etwas Wasser für Kaffee zu holen und ein paar Schneeproben zu sammeln. Da die Sonne schien, war er lediglich mit einer leichten Jacke bekleidet. Die Stirnlampe und das Satellitentelefon ließ er zurück. Plötzlich brach er durch die Schneedecke ein und fiel in eine Gletscherspalte. Er stürzte rund 22 Meter tief. Beim Sturz brach er sich mehrere Rippen und den rechten Arm, kugelte sich die Schulter aus und zog sich noch dazu innere Verletzungen zu.
Verständlicherweise dachte John All schon, dass er in dieser unwirtlichen Umgebung sterben würde. Dennoch versuchte er, wieder nach oben zu kommen. Durch die Verletzungen bedingt kam er nur langsam voran. Rund sechs Stunden benötigte er, um wieder nach oben und weitere drei Stunden, um mit letzter Kraft in sein Zelt zu gelangen.
In seinem Zelt gelang es ihm, eine Nachricht mit der Bitte um dringende Hilfe abzusetzen. Am nächsten Morgen konnte schließlich ein Helikopter auf rund 6.000 Meter Höhe gelangen, ihn an Bord nehmen und zur ärztlichen Versorgung in ein Krankenhaus nach Kathmandu fliegen.
Es wäre verständlich gewesen, wenn John All die Hoffnung aufgegeben hätte, wieder zu seinem Zelt zu gelangen. Schließlich sprachen die Umstände eindeutig dagegen. Doch der kleine Hoffnungsfunke ließ ihn den beschwerlichen und sicherlich sehr schmerzhaften Aufstieg durchhalten.
Hoffnungsvoll oder hoffnungslos sein – meist eine Entscheidungssache
Diese wenigen hier beispielhaft und kurz skizzierten Begebenheiten zeigen, dass es keineswegs gleichgültig ist, ob man Hoffnung hat oder nicht. Hoffnungslosigkeit kann tödlich sein! Wenn andererseits Hoffnung besteht, kann die Gewissheit, dass etwas Sinn ergibt, egal wie es ausgeht, ungeahnte Kräfte freisetzen.
Hoffnung bewirkt in der Tat Erstaunliches! Sie spielt im Leben eine ganz entscheidende Rolle. Gedanken der Hoffnung sind Kraftgedanken. Es gibt mittlerweile viele Studien, die dies belegen. Eine hoffungsvolle Einstellung wirkt sich positiv auf die Erhaltung der physischen wie psychischen Gesundheit und bei Krankheit auf den Krankheits- bzw. Heilungsverlauf aus. Hoffnungsvolle Menschen empfinden mehr Sinn im Leben. Im Bereich der zwischenmenschlichen Beziehungen sind sie besser „vernetzt“, klagen weniger über Einsamkeit und verfügen über eine höhere soziale Kompetenz. Außerdem sind hoffnungsvolle Menschen leistungsfähiger, sowohl im Beruf als auch bei anderen Aktivitäten, beispielsweise beim Sport. Und wenn es Rückschläge gibt, erholen sich hoffnungsvolle Menschen schneller davon.
Für hoffungsvolle Menschen bedeutet ein Rückschlag kein endgültiges Scheitern. Sie haben vielmehr die Einstellung, dass die Ursache bei etwas liegt, das sich verändern bzw. korrigieren lässt. Sie sind überzeugt, dass sie ihre Zukunft beeinflussen können und nicht einem Schicksal quasi schutzlos ausgeliefert sind. Sie haben Selbstvertrauen, glauben an sich selbst und ihre Gaben und Fähigkeiten, mit denen sie etwas bewegen können. Sie sind belastbarer, entschlossener und konzentrierter als hoffnungsarme Menschen. Bei einem Rückschlag suchen sie den Grund dafür nicht in erster Linie bei sich selbst. Hoffnungsarme Menschen sind hingegen mehr auf sich selbst gerichtet und sehen in einem Rückschlag eher etwas Unveränderliches.
Menschen lassen sich nicht so einfach einer der Kategorien „hoffungsvoll“, „hoffnungsarm“ oder gar „hoffnungslos“ zuordnen. Vielmehr gibt es sehr viele Zwischentöne. Jeder Mensch ist durch die Erfahrungen in seinem bisherigen Leben, angefangen in der Kindheit, individuell geprägt. Doch wie es jetzt gerade ist, so muss es nicht bleiben. Zählt man sich eher zu den „hoffnungsarmen“ Menschen, kann man sich dafür entscheiden, daran etwas zu ändern.
Kann man das Hoffen lernen?
Der Philosoph Ernst Bloch hielt es für wichtig, das Hoffen zu lernen. „Es kommt darauf an, das Hoffen zu lernen.“, so drückte er es aus.
Wenn es darauf ankommt, das Hoffen zu lernen, dann muss es dafür auch einen Weg geben. Diesen Weg gibt es auch (siehe Beitrag: „Es kommt darauf an, das Hoffen zu lernen.“). Wesentlich ist, dass zunächst Störungsquellen beseitigt werden. Dann ist es wichtig, sich Hoffnungsgeber als Lernbegleiter zu suchen. Als Drittes kommt hinzu, den „Hoffnungsmuskel“ zu trainieren.
Wie könnte ein persönlicher Kraftgedanke lauten?
Wie oft denkt man in Kategorien wie „das wird nie was!“ oder so ähnlich? Wahrscheinlich öfters als einem bewusst ist. Eine Intervention, um pessimistischen Gedanken die Spitze zu nehmen, besteht darin, Wörter wie beispielsweise „nie“ durch „noch nicht“ zu ersetzen. Aus einem „das wird nie was!“ wird dann ein „bis jetzt habe ich es noch nicht geschafft“ oder „bis jetzt ist noch nichts daraus geworden“. Dies lässt die Möglichkeit offen, dass man es schaffen kann oder dass noch etwas daraus wird. Und es unterstützt das Dranbleiben.
Ein Kraftgedanke könnte beispielsweise so lauten:
„Bis jetzt habe ich noch keine neue Arbeitsstelle gefunden. Das ist aber nur der aktuelle Stand und sagt nichts über die Zukunft aus. Ich bleibe optimistisch, dass ich mit meinen Begabungen und Fähigkeiten eine für mich passende Stelle finden werde. Deshalb bleibe ich dran und lasse mich nicht hängen.“
Zitate zum Thema Hoffnung
- Gort, Rahel: „Versteckt unter Kohle – Die riskante Flucht von Juden aus der Slowakei in die Schweiz während des Zweiten Weltkrieges“, Masterarbeit, Pädagogische Hochschule St. Gallen, 2017 ↩︎