Wie erleben Kinder eine Sterbebettvision?Lesezeit: 10 Min.

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Wie erleben Kinder Sterbebettvisionen? Gibt es Unterschiede im Vergleich zu den Sterbebettvisionen Erwachsener?

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Was geschieht mit mir wenn ich sterbe - Gestaltung: privat

Dieser Beitrag ist Teil der Serie „Was geschieht mit mir wenn ich sterbe?
Grobes Inhaltsverzeichnis

Auch im Hinblick auf Sterbevisionen bei Kindern liegen eine Vielzahl von Schilderungen vor. Während bei Erwachsenen davon ausgegangen werden kann, dass die Auswirkungen von Sterben und Tod bekannt und bewusst sind, kann dies bei Kindern nicht unbedingt vorausgesetzt werden. Zunächst stellt sich deshalb die Frage, ab welchem Alter Kinder die Konsequenzen ermessen können.

Verständnis von Sterben und Tod bei Kindern

Verständlicherweise haben Kinder je nach Alter ein sehr unterschiedliches Verständnis von Sterben und Tod. Für Kinder im Alter bis drei Jahren sind Sterben und Tod nicht begreifbar. Sie können die Endgültigkeit kognitiv noch nicht erfassen. Im Alter zwischen drei und sechs Jahren können Kinder erste vage Vorstellungen von Sterben und Tod entwickeln. Kinder beziehen Sterben und Tod stets auf andere Personen, können noch keinen Bezug zu sich selbst herstellen. Erst im Alter zwischen sechs und neun Jahren ist dies möglich. Auch die Endgültigkeit des Todes kann in dieser Altersspanne bewusstwerden, obwohl von Begreifen im Allgemeinen noch keine Rede sein kann.

Erst im Lauf der Pubertät (innerhalb der etwa im Alter von zehn Jahren beginnenden Adoleszenzphase) können Kinder verstehen, dass der Tod etwas Endgültiges ist. In diesem Alter beschäftigen sich Kinder auch mit Sinnfragen, wie beispielsweise „Welchen Sinn hat mein Leben?“ oder „Gibt es ein Weiterleben nach dem Tod?“ Kinder nähern sich in ihrem Verständnis von Sterben und Tod allmählich den Vorstellungen Erwachsener an. Nunmehr erkennen Kinder ganz realistisch, dass Sterben und Tod auch in ihrem Leben irgendwann Realität werden. Diese Ereignisse werden als unausweichlich und unumkehrbar gesehen.

Kinder nehmen in diesem Alter auch die Auswirkungen von Sterben und Tod auf die Hinterbliebenen wahr. Sie können Empathie empfinden und sich in die Trauer der Hinterbliebenen hineindenken. Sie gestalten jedoch auch die Trauer für sich selbst, entwickeln durchaus auch eigene Trauerrituale.

Im Jugendalter entwickelt sich ein verstärktes Interesse im Hinblick auf Fragen nach dem Jenseits. Unterschiedliche Konzepte (beispielsweise „mit dem Tod ist alles vorbei und danach kommt nichts mehr“, „die Seele existiert in einem Jenseits weiter“) werden gedanklich bearbeitet.

Diese groben Klassifizierungen nach Altersspannen können nur einen ungefähren Anhaltspunkt bieten. Ausschlaggebend für die Vorstellungen eines Kindes ist stets, was es selbst in seinem Umfeld wahrnimmt. Im Unterschied zu Erwachsenen kennen Kinder oft noch keinen Menschen im Familienkreis, der während ihres noch kurzen Lebens verstorben ist. Eher von Sterben und Tod betroffen sind Haustiere, die schon vor der Geburt gewissermaßen zur Familie gehörten, und die eine geringere Lebenserwartung als Menschen haben (Hunde, als Beispiel, werden im Durchschnitt 10 bis 15 Jahre alt).

Wenn ein Kind einen Todesfall in seinem engeren Umfeld oder den Tod eines geliebten Haustiers miterlebt, werden dadurch Empfindungen ausgelöst, die zu einer intensiveren gedanklichen Auseinandersetzung mit Sterben und Tod führen. Demgegenüber wird ein Kind, das beispielsweise Sterben und Tod nur aus Filmen kennt, völlig andere Empfindungen erleben. Es mag möglicherweise den Eindruck gewinnen, dass Sterben und Tod „reparabel“ sind, wenn ein in einem Film gestorbener Schauspieler in einem anderen Film wieder auftaucht.

Wenn Erwachsene in Gegenwart von Kindern über Sterben und Tod sprechen, kann dies bei Kindern, abhängig von ihrem Entwicklungsstand, durchaus angstbesetzte Vorstellungen auslösen. Wird beispielsweise davon gesprochen, dass die Seele beim Tod den Körper verlässt, kann dies zur Vorstellung führen, dass eine Austrittsöffnung für die Seele geschaffen werden muss, und dass dies Schmerzen verursachen kann.

Sterbebettvisionen in den letzten Wochen vor dem Tod

Qualifizierte Aussagen darüber, wie Kinder Sterbebettvisionen wahrnehmen, lassen sich am Ehesten treffen, wenn sie über einen längeren Zeitraum hinweg von ärztlichem Fachpersonal behandelt und begleitet werden. Eine der sehr wenigen Quellen ist das Buch des Hospizarztes Christopher Kerr, der in seinem Buch „Die Träume der Sterbenden“ die Träume und Visionen einiger seiner jungen Patientinnen schildert. Er behandelte und begleitete mehrere Kinder, die an unheilbaren und lebensverkürzenden Krankheiten litten, während der letzten Zeit ihres Lebens.

Jessica

Christopher Kerrs erste Patientin war die dreizehnjährige Jessica, die an einer seltenen Form von Knochenkrebs erkrankt war. Weder Jessicas Mutter noch sie selbst erkundigten sich nach einer Prognose oder der vermuteten Lebenserwartung. Jessica schien intuitiv zu verstehen, dass sie bald sterben musste. Dieses Wissen um ihr baldiges Lebensende war nach Ansicht von Christopher Kerr auf ihre Träume und Visionen zurückzuführen.

Bei seiner ersten Begegnung mit Jessica nahm Christopher Kerr das Kind als im Hier und Jetzt lebend wahr (S. 182): „… ich traf auf ein putzmunteres junges Mädchen, das es kaum erwarten konnte, mir von seinem Tag, seiner Mutter, seinen Haustieren und Träumen zu erzählen. Jessica hielt sich nicht damit auf, ein Leben zu betrauern, das sie nie würde leben dürfen, oder über einen Beruf beziehungsweise Kinder zu sprechen, die sie nie haben sollte. Sie bereute nichts, machte sich keinen Kopf über ungelegte Eier, verpasste Chancen oder all die anderen Themen, die Erwachsene oft so belasten. Dafür lebte sie viel zu sehr im Jetzt, ungeachtet ihrer Schmerzen und der Nebenwirkungen, die die Behandlungen hatten.“

In ihren Träumen erlebte Jessica eine himmlische Welt (S. 182 f.): „Jessica zeigte sich von der himmlischen Welt fasziniert, in die ihre Träume sie entführten. Darin war ihr kürzlich verstorbener Hund Shadow wieder gesund und tobte nach Lust und Laune herum. […] Dass Shadows Auftauchen in ihren Träumen »Liebe« zu bedeuten hatte, war Jessica sofort klar. Der Hund war kein Sargträger, sondern Botschafter. Und er hatte ebenjene Liebe und Unterstützung im Gepäck, die sie brauchte, um zur letzten Reise ihres Lebens aufbrechen zu können.“ Shadows gelegentliche „Besuche“ waren für Jessica ein Hinweis, dass sie bald sterben würde.

Jessica begegnete in ihren Träumen nicht nur ihrem bereits verstorbenen Hund, sondern auch der ebenfalls verstorbenen Mary, der besten Freundin ihrer Mutter. Auch Jessica mochte Mary sehr. Als Jessica acht Jahre alt war, verstarb Mary 35jährig an Leukämie. Mary nahm in Jessicas Träumen gewissermaßen die Stelle ihrer Mutter ein und gab ihr eine Sicherheit, dass sie „auf der anderen Seite“ von einer ihr vertrauten Person erwartet werden würde. Dadurch wurde ihr die Angst vor der gefürchteten Abwesenheit ihrer Mutter genommen. Schließlich kannte sie ein Leben ohne ihre alleinerziehende Mutter nicht. Die Beziehung zwischen Mutter und Tochter war während der Zeit der Krankheit noch enger geworden.

Ginny

Christopher Kerr schildert des Weiteren Begegnungen mit Ginny, die eigentlich Virginia Rose hieß. Sie war erst vier Jahre alt, als sie an Leukämie erkrankte. Die daraufhin veranlasste Therapie war erfolgreich. Gut zehn Jahre später bereitete sich die Familie auf die Zehnjahresfeier ihrer Heilung vor. Doch dann wurde ein bösartiger, inoperabler und unheilbarer Hirntumor diagnostiziert.

Auch Ginny hatte Träume und Visionen. In einer Vision – sie war während einer Kernspintomografie eingeschlafen – begegnete ihr ihre kurz zuvor verstorbene Tante Mimi. Ginny sah im Traum ihre Tante in einer Burg, die Schutz bietet, einem sicheren Ort. Als sie nach der Untersuchung wieder aufwachte, sagte sie ihrer Mutter, dass alles gut werde und sie nicht alleine sei.

Wie Jessica, so wusste auch die nunmehr 16jährige Ginny aus ihren Träumen, dass sie sterben würde. Ihre Träume wurden umso zahlreicher, umso mehr die Krankheit voranschritt. Über die letzten Tage vor ihrem Tod schreibt Christopher Kerr (S. 198 f.): „In den letzten Tagen vor ihrem Tod rief Ginny ungefähr alle fünfzehn Minuten nach ihrer Mutter. Einmal war Michele gerade wieder in die Küche gekommen, wo das Empfangsgerät des Babyfons stand, das sich im Zimmer der Tochter befand. Plötzlich hörte sie, dass Ginny offenbar in eine angeregte Unterhaltung verwickelt war, und ging ins Zimmer des Mädchens, um sich zu erkundigen, mit wem sie gesprochen hatte. »Mit Gott«, antwortete Ginny. »Der ist zwar schon ziemlich alt, aber auch irgendwie süß.« Und wie um die Mutter zu beruhigen, fügte sie – eigentlich bemerkenswert für ein Mädchen, das nicht religiös erzogen war und nie zur Kirche ging – hinzu: »Weißt du, da, wo ich hingehe, bin ich nicht mehr krank. Du weißt schon: in der Burg.« Nach ihrer Begegnung mit Gott hörte Ginny auf, ständig nach ihrer Mutter zu rufen. Von nun an fand sie Trost in ihrer opulenten Innenwelt, in die sie einmal Einblick gewährt hatte, was aber jetzt nicht mehr nötig war. Als ich sie am nächsten Tag besuchte, war sie ruhig und schien sich recht wohl zu fühlen. Vier Tage später starb sie.“

Sterbebettvisionen unmittelbar vor dem Tod

Wie bei Erwachsenen zu beobachten, können auch Kinder unmittelbar vor ihrem Tod bereits verstorbene Menschen oder Wesen sehen, die ihnen gewissermaßen aus dem Jenseits entgegenkommen. Wenn es sich um Verstorbene handelt, bestand zu deren Lebzeiten eine emotionale Beziehung.

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Abholung eines Kindes durch Engel

In dem Buch „7 Botschaften des Himmels“ gibt die Autorin, Mary C. Neal, die Schilderung einer Frau namens Nancy wieder (S. 47): „Meine Mutter wurde 1924 geboren, ihr Bruder einige Jahre davor. Das genaue Jahr weiß ich nicht. Aber als der Kleine zwei Jahre alt war, bekam er Scharlachfieber und lag im Sterben. Seine Mutter wiegte ihn auf der Veranda, als er plötzlich beide Arme hob, wie um von jemandem gehalten zu werden (es war niemand sonst anwesend), und sagte: »Mama, die Engel sind für mich daIn diesem Moment starb er in ihren Armen.“

Der Junge schien bereits eine Vorstellung von Engeln gehabt zu haben. Er konnte die Engel offensichtlich wahrnehmen, die Mutter jedoch nicht.

Begegnung mit dem Vater

In seinem Buch „Das Schönste kommt noch“ gibt Fritz Rienecker das Sterbeerlebnis eines Kindes wieder (S. 96): „Ein fünfjähriges Mädchen verlor seinen Vater. Er starb jung an Zuckerkrankheit. Als das kleine Mädchen zehn Jahre alt war, brach die Zuckerkrankheit auch bei ihr aus, und es ging schnell bergab. Als ihre Mutter eines Tages an ihrem Bett saß und glaubte, ihr Kind wäre tot, richtete die Kleine sich plötzlich im Bett hoch streckte die Arme aus und rief laut mit jubelnder Freude: »Nun komme ich, mein lieber Vater!« Als sie das gesagt hatte, hauchte sie ihr Leben aus. Die Mutter zweifelte nicht daran, dass das Kind seinen Vater gesehen und wiedererkannt hatte.“.

Folgerungen

Wie sich aus den hier kurz skizzierten Sterbebettvisionen, die stellvertretend für viele weitere stehen, ableiten lässt, erhielten manche Kinder schon in den Wochen vor ihrem Tod durch ihre Träume und Visionen einen Einblick in den extrauniversalen Existenzraum, das Jenseits. Während dieser Träume und Visionen erschienen Diesseits und Jenseits gewissermaßen vereint. Bereits verstorbene Menschen und Tiere wurden als lebend und gesund bzw. wiederhergestellt wahrgenommen.

Die Frage, ob bzw. inwieweit sich Kinder die Welt in ihren Visionen selbst gestalten oder ob sie gestaltet wird, muss ungeklärt bleiben. Jedenfalls haben die Sterbebettvisionen für Kinder etwas Beruhigendes und nehmen ihnen Ängste. Christopher Kerr drückt es so aus (S. 205): „Die Ängste, die wir haben, sind ihnen [den Kindern] fremd. Für junge Menschen haftet dem Ende ihres Lebens nichts Unvollendetes an. Wo wir [Erwachsene] nur Verluste sehen, sehen sie Burgen, Engel und treue Haustiere, empfinden sie Wärme und treffen alte Freunde oder hören schöne Musik. Die Sprache, die Kinder für den Tod und das Sterben finden, können wir Erwachsenen deshalb nur so schwer verstehen, weil sie auf Akzeptanz beruht, von neuen Hoffnungen spricht sowie von Befreiung und grenzenloser Liebe.“

Für Kinder scheint es möglich zu sein, Gott und auch Engel (Geistwesen) zu erkennen. Ginny konnte Gott erkennen, obwohl es in ihrem bisherigen Leben keine religiösen Bindungen gab. Der zweijährige Junge konnte Engel erkennen, obwohl er in seinem Alter und seinem Entwicklungsstand entsprechend noch keine präzise Vorstellung von Geistwesen haben konnte.

Ich bin Dieter Jenz, Begleiter, Berater und Coach mit Leidenschaft. Über viele Jahre hinweg habe ich einen reichen Schatz an Kompetenz und Erfahrung erworben. Meine Themen sind die "4L": Lebensaufgabe, Lebensplanung, Lebensnavigation und Lebensqualität.