Verifikation der EIS-Hypothese: Ungewöhnliche ErinnerungenLesezeit: 8 Min.

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Wie ist die Verifikation der EIS-Hypothese (siehe „Hypothese: Das individuelle Selbst befindet sich nicht im Gehirn“) möglich? Welchen Beitrag kann die Analyse ungewöhnlicher Erinnerungen bei der Verifikation leisten?

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Was geschieht mit mir wenn ich sterbe - Gestaltung: privat

Dieser Beitrag ist Teil der Serie „Was geschieht mit mir wenn ich sterbe?
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Das menschliche Erinnerungsvermögen bezeichnet eine Fähigkeit des Langzeitgedächtnisses, gespeicherte Informationen wieder zu finden und sich an vergangene Ereignisse, Wahrnehmungen, Worte, Zahlen usw. zu erinnern. Das Erinnerungsvermögen ergänzt gewissermaßen die Speicherfähigkeit des Gedächtnisses um die Fähigkeit, Erinnerungen jederzeit hervorrufen zu können.

Untersuchungen zum menschlichen Erinnerungsvermögen führten zu der Erkenntnis, dass die frühesten dauerhaften Erinnerungen zwischen dem Ende des zweiten und dem Ende des dritten Lebensjahres möglich sind. Im Durchschnitt können sich Menschen an Erlebnisse zurück bis zum Alter von dreieinhalb bis höchstens drei Jahren erinnern.

Informationen werden zunächst im Hippocampus, der Schaltstelle zwischen dem Kurz- und dem Langzeitgedächtnis, zwischengespeichert. Autobiografische Inhalte werden von dort aus in das Langzeitgedächtnis in der Großhirnrinde übertragen. Im Säuglingsalter ist die Verbindung zwischen den Gehirnregionen noch nicht hinreichend entwickelt. Dadurch ergibt sich die erwähnte allgemeine „Erinnerungsgrenze“.

Einige anekdotische Schilderungen berichten von ungewöhnlichen Erinnerungen an Ereignisse und Wahrnehmungen, die zeitlich jenseits der Erinnerungsgrenze liegen. Dabei handelt es sich um vorgeburtliche Erfahrungen vom Zeitpunkt der Empfängnis bis hin zur Geburt. Wenn derartige Erinnerungen verifizierbar sind – eine berichtende Person kann die betreffenden und zweifelsfrei zutreffenden mit der Erinnerung verknüpften Informationen nicht aus anderen Quellen erlangt haben -, spricht dies für ein externes individuelles Selbst.

Vorgeburtliche Erfahrungen

Ein weiterer Ansatz zur Verifikation der EIS-Hypothese ergibt sich aus dem Phänomen vorgeburtlicher (pränataler) Erfahrungen mit ungewöhnlichen Erinnerungen, die gemäß anekdotischen Schilderungen Wahrnehmungen aus dem Mutterleib wiedergeben. Derartige Erinnerungen sind nach aktuellem Stand der Hirnforschung objektiv unmöglich, wenn die Entwicklung des Gehirns zum behaupteten Zeitpunkt noch nicht hinreichend vorangeschritten ist.

Vorgeburtliche Erfahrungen wurden bisher im Zusammenhang mit einer Nahtoderfahrung von Kindern anekdotisch berichtet. Sie wurden gewissermaßen nachträglich durch Befragung zu einer jeweiligen Nahtoderfahrung erschlossen.

Die Entwicklung des Gehirns beginnt bereits in der dritten Schwangerschaftswoche. Bis zum Ende der achten Woche der Schwangerschaft sind Gehirn und Rückenmark nahezu vollständig angelegt. Gehirnaktivitäten sind jedoch erst zwischen der 20. bis 24. Schwangerschaftswoche messbar. Dann hat sich die Grundstruktur des Gehirns mit dem Thalamus, der den größten Teil des Zwischenhirns bildet, und seinen Verbindungen zum Großhirn bereits relativ weit entwickelt. Die Entwicklung des Bewusstseins setzt den meisten psychoanalytischen Theorien zufolge erst in der nachgeburtlichen Zeit der frühen Kindheit ein.

Vor dem Hintergrund, dass Gehirnaktivitäten messbar sein müssen, um vorgeburtliche Erfahrungen zu ermöglichen, sind derartige Erfahrungen zumindest in etwa vor der 20. Schwangerschaftswoche ausgeschlossen. Wenn dennoch von Erinnerungen an Erfahrungen im Mutterleib vor dieser Zeit berichtet wird, ist dies nur mit einem externen individuellen Selbst erklärbar.

Erinnerung an ein Unfallgeschehen

In ihrem Buch „Wir waren im Himmel“ beschreibt P.M.H. Atwater Erinnerungen von Kindern an den Mutterleib (S. 57 ff.). Eine der anekdotischen Schilderungen gibt eine außerkörperliche Erfahrung von Janee wieder (S. 61): „Im Uterus begann mein Blickwinkel von der oberen Innenseite eines Autodachs im Raum zwischen den Vorder- und Rücksitzen aus. Im Auto sehe ich nach unten: Dads Tür öffnet sich; er hängt aus dem Auto. Mom ist einfach mit dem Kopf nach unten zusammengesackt. Kein Blut. Keine tiefe Wunde. Ein schöner Wintertag mit blauem Himmel. Zu dem Zeitpunkt bin ich vermutlich noch im ersten Schwangerschaftsdrittel. Das Auto ist gegen die Seitenbegrenzung einer Brücke aus Beton geprallt, einer Brücke über einen schmalen, funkelnden Fluss, dessen Uferränder vereist sind und dessen Waser schnell fließt. Dann bin ich draußen und ‚schwebe‘ nahe der Brücke über den Fluss.

Diese anekdotische Schilderung setzt das Erleben einer außerkörperlichen Erfahrung voraus. Dem Anschein nach wurden Details wahrgenommen, die nur unmittelbar nach dem Unfallgeschehen wahrnehmbar waren.

Die Schilderung erscheint durchaus plausibel. Allerdings ist nicht erschließbar, ob die Unfallsituation von weiteren Zeugen bestätigt werden konnte. Dann könnte die Schilderung als verifiziert gelten. So bleibt die Möglichkeit, dass sich bei Janee erst in ihrem späteren Leben durch Schilderungen anderer Menschen ein Bild zusammensetzte. In diesem Fall würde sich Janee in Wirklichkeit nicht an eigenes Erleben, sondern an Schilderungen anderer erinnern.

Wahrnehmungen des Entwicklungsfortschritts

Eine weitere anekdotische Schilderung in diesem Buch bezieht sich auf die Erinnerung an die Zeit der embryonalen Entwicklung, während der das kleine Lebewesen Schwimmhäute zwischen den Fingern und Zehen aufwies (S. 61): „Irgendwann später waren meine Finger und Zehen voneinander getrennt, wobei ich mich daran erinnere, dass sie Schwimmhäute hatten und es mir gefiel, dass sie jetzt voneinander getrennt waren. Ich mochte es, wie sie sich in meinem Mund anfühlten. Die tiefgreifendste Erinnerung ist die, dass meine Mutter rauchte. Ich entsinne mich an ihre Unruhe und daran, dass ich den seltsamen Geschmack von Zigarettenrauch schmeckte. Ich erinnere mich, dass ich im Uterus aufgeregt wurde, wenn sie unruhig wurde – weil ich wusste, dass der schlechte Geschmack kommen und ich mich bald angeturnt fühlen würde.“

Die Schilderung des Entwicklungsfortschritts des Körpers erscheint, wenn die lediglich die körperliche Entwicklung betrachtet wird, durchaus plausibel. In der Tat erfolgt die Trennung der Zehen und Finger zwischen der 5. und 7. Entwicklungswoche des Embryos. Die Schilderung kann nicht als verifiziert gelten, da ein Geschehen im Mutterleib nur subjektiv wahrnehmbar ist und nicht von Dritten bestätigt werden kann.

Wahrnehmung der Gedanken der Mutter

Schon im Mutterleib nehmen heranwachsende Babys am Gefühlsleben der Mutter teil. Die Mutter teilt gewissermaßen ihr Seelenleben mit ihrem heranwachsenden Kind. Schließlich ist sie über die Nabelschnur physisch mit ihm verbunden.

Es scheint sogar möglich zu sein, dass das Baby im Mutterleib die Gedanken seiner Mutter „mithört“, wie P.M.H. Atwater mit Bezug auf eine frühere Studie ausführt (S. 222): „Eine Tochter beschuldigte, sobald sie geboren war und sprechen konnte, ihre Mutter, dass sie versucht habe, sie umzubringen. Sie hatte die Gedanken ihrer Mutter während der Zeit ‚gehört‘, in der diese über eine Abtreibung nachgedacht hatte. Die Mutter war daraufhin voller Schuldgefühle und erklärte, sie habe nur deshalb über eine Abtreibung nachgedacht, weil sie bereits mehrere Kinder gehabt habe und sich nicht noch ein weiteres habe leisten können. Allerdings hatte sie ihren Gedanken nicht in die Tat umgesetzt. Die Tochter im Uterus hatte die Überlegung der Mutter, sie abzutreiben, ‚gehört‘ und war in Panik geraten, weil sie sich vor dem, was sie gehört hatte, fürchtete. Als sie alt genug war, um gehen und sprechen zu können, zog sie am Rock ihrer Mutter und fragte sie: »Warum hast du versucht, mich zu töten, als ich in deinem Bauch war?« Dieser Fall wurde von beiden Seiten in vollem Umfang bestätigt.“

Diese anekdotische Schilderung kann als verifiziert gelten. Die Situation während der Schwangerschaft wurde von Mutter und Tochter sehr unterschiedlich erlebt, jedoch wurde der Gedanke der Mutter an Abtreibung von beiden bestätigt.

Verifizierbarkeit von Schilderungen

Im Unterschied zu Schilderungen von Nahtoderfahrungen (siehe auch „Was sind Nahtoderfahrungen? Wie werden sie erlebt?“) und Episoden terminaler Geistesklarheit (siehe auch „Terminale Geistesklarheit – Was verbirgt sich dahinter?“) sind Schilderungen vorgeburtlicher Erfahrungen nur in den wenigsten Fällen verifizierbar. Schließlich ist das Erleben der Zeit im Mutterleib für andere Menschen verborgen. Es handelt sich um ein rein subjektives Erleben. In der Konsequenz ist es leicht möglich, aus welcher Motivation heraus auch immer vorgeburtliche Erfahrungen zu behaupten, die in Wirklichkeit nie stattgefunden haben.

Anders verhält es sich, wenn eine vorgeburtliche Erfahrung mit einer außerkörperlichen Erfahrung verbunden ist (wie in der Schilderung der Situation nach dem Autounfall). Unter Umständen besteht die Möglichkeit, dass die während einer außerkörperlichen Erfahrung erfolgten Beobachtungen und Wahrnehmungen von einem oder mehreren unabhängigen Dritten bestätigt werden können. Dann kann eine Schilderung als verifiziert gelten. Die Verifizierbarkeit ist auch gegeben, wenn das Erleben des im Mutterleib heranwachsenden Kindes von der Mutter bestätigt werden kann.

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Folgerungen

Vorgeburtliche Erfahrungen sind ohne externes individuelles Selbst nicht denkbar, da das menschliche Gehirn noch nicht hinreichend entwickelt ist, um derartige Erfahrungen m Langzeitgedächtnis abzuspeichern. Mit anderen Worten: Wenn eine Erinnerung an die Zeit vor der Geburt möglich ist, muss sich das dafür erforderliche Langzeitgedächtnis zwingend außerhalb des physischen Gehirns befinden.

Wenn davon ausgegangen wird, dass während und nach der Lebenszeit ein externes individuelles Selbst existiert, ist die Frage berechtigt, ob das externe individuelle Selbst möglicherweise auch schon vor der Geburt existiert (siehe auch „Wodurch wird das individuelle Selbst des Ungeborenen beeinflusst?“). Es wäre denkbar, dass das externe individuelle Selbst bereits zeitgleich mit der Befruchtung der Eizelle entsteht. Ein formaler Beweis für diese Hypothese ist allerdings nicht möglich.

Als für diese Hypothese sprechendes Indiz mag jedoch gelten, dass Wahrnehmungen von Kindern berichtet werden, die ihre „Anwesenheit“ bei ihrer Empfängnis nahelegen. Mehrere Kinder berichteten von einem speziellen Glühen, das sie wahrnahmen. In der Tat setzt die befruchtete Eizelle an ihrer Oberfläche in mehreren Wellen mehrere Milliarden Zinkatome frei. Dieses Phänomen wird als „Zink-Funken“ bezeichnet. So betrachtet beginnt das menschliche Leben gewissermaßen mit einem Feuerwerk. Aus der Größe der Eruption von Zinkfunken lässt sich erkennen, wie gesund die Eizelle ist und welche Chancen bestehen, dass sich daraus ein gesunder Embryo entwickelt.

In der Gesamtschau sprechen Indizien dafür, dass vorgeburtliche Erfahrungen und die spätere Erinnerung daran möglich sind. Das dafür erforderliche Langzeitgedächtnis ist in der Konsequenz ein Element des externen individuellen Selbst.

Ich bin Dieter Jenz, Begleiter, Berater und Coach mit Leidenschaft. Über viele Jahre hinweg habe ich einen reichen Schatz an Kompetenz und Erfahrung erworben. Meine Themen sind die "4L": Lebensaufgabe, Lebensplanung, Lebensnavigation und Lebensqualität.