Das menschliche Leben ist von kontinuierlichen physiologischen Entwicklungen geprägt. Welches sind die markanten Aspekte?
Inhalte:
Dieser Beitrag ist Teil der Serie „Was geschieht mit mir wenn ich sterbe?“
Grobes Inhaltsverzeichnis
Der Mensch durchläuft in seiner Entwicklung vom neugeborenen Baby, dem Säugling, zum Erwachsenen mehrere Entwicklungsstufen. Doch mit dem Erreichen des Erwachsenenalters endet die Entwicklung nicht. In Teilbereichen setzt sie sich weiter fort, während andererseits schon relativ frühzeitig degenerative Prozesse einsetzen, die zur Verminderung der körperlichen Leistungsfähigkeit und schließlich zum biologischen Tod führen.
Das Leben im Zeitraffer
Nach der Geburt ist das Baby zwar überlebensfähig, jedoch kann es sich nicht selbst versorgen. Mädchen wiegen bei der Geburt in Deutschland im Durchschnitt rund 3450 Gramm. Jungen sind mit einem durchschnittlichen Geburtsgewicht von etwa 3550 Gramm etwas schwerer. In den letzten Jahren stieg das durchschnittliche Geburtsgewicht stetig an. Die Körpergröße bei der Geburt liegt schwerpunktmäßig bei etwa 50-52 cm.
Säuglings- und Kleinkindalter
Das Neugeborene kann nur dann wachsen und gedeihen, wenn es mit Nahrung, Kleidung und allem, was für sein Heranwachsen erforderlich ist, durch Menschen in seinem Umfeld versorgt wird. Wenn die Mutter das Kind stillt, pflegt sie eine besondere Beziehung zu ihrem Kind, die über die reine Versorgung mit Nahrung weit hinausgeht.
Mit etwa drei Monaten lernt ein Baby, das Köpfchen zu heben, geradeaus zu schauen und Mama oder Papa mit den Augen zu fixieren. Um den siebten Lebensmonat es schon rutschen, robben und sich aus eigener Kraft drehen. Nach etwa neun Monaten beginnt das Baby mit dem Krabbeln. Bald danach beginnt es damit, sich selbstständig aufzusetzen. Und dann dauert es auch nicht mehr lange, bis es ganz allein die ersten tapsigen Schritte wagt.
In den folgenden Monaten wird das Bewegungsrepertoire stetig erweitert und verfeinert. Das Kleinkind (ab Beginn des zweiten bis zum vollendeten dritten Lebensjahr) kann beispielsweise allein mit einem Löffel essen. Die Fähigkeit zur selbständigen Fortbewegung verbessert sich zusehends. Die Bewegungen werden sicherer, flüssiger und geschmeidiger.
Kindesalter
Im Kindesalter (ab Beginn des 4. bis zum vollendeten 12. Lebensjahr) isst das Kind selbstständig, kann sich selbstständig an- und ausziehen. Körperbeherrschung und Feinmotorik entwickeln sich zunehmend. Das Kind kann sich schon fast so sicher bewegen wie Erwachsene. Im 6. Lebensjahr beginnt der Zahnwechsel.
Adoleszenz
In der Entwicklungsphase der Adoleszenz, die in der späten Kindheit beginnt, wächst das Kind zum unabhängigen Erwachsenen heran. In der Pubertät, einem Teilbereich der Adoleszenz, wird die biologische Fortpflanzungsfähigkeit erreicht. Am Ende der Adoleszenzphase ist eine Person körperlich nahezu ausgewachsen. Wann die Adoleszenz beginnt und wann sie endet unterscheidet sich zwischen den Kulturen. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) versteht die Adoleszenz als die Periode des Lebens zwischen 10 und 20 Jahren.
Bedingt durch hormonelle Veränderungen wird in der Pubertät ein Wachstumsschub erlebt, verbunden mit einer Größen- und Gewichtszunahme. Bei Jungen kommt es zu einer Umverteilung der Körpermasse hin zur typisch männlichen Statur (breite Schultern, schmale Hüften), verbunden mit einem verstärkten Aufbau von Muskulatur. Bei Mädchen bildet sich die typisch weibliche Körpererscheinung (breite Hüften, schmale Taille, schmale Schultern) heraus.
Die Sexualorgane reifen heran und parallel bilden sich die sekundären Geschlechtsmerkmale aus. Bei Jungen zählen dazu vermehrte Körperbehaarung an Brust, Bauch, Rücken, Achseln und im Schambereich sowie der Bartwuchs. Darüber hinaus kommen sie hörbar in den Stimmbruch. Bei Mädchen setzen das Brustwachstum und das Wachstum der Schambehaarung ein. Außerdem setzt die Regelblutung (Menstruation) ein.
Erwachsenenalter und Alterungsprozesse
Die Thymusdrüse, bei der Geburt das größte Organ des lymphatischen Systems (die Gesamtheit aller Lymphbahnen sowie die lymphatischen Organe), ist insbesondere während der Kindheit ganz wesentlich am Aufbau des Immunsystems beteiligt. Mit dem Ende der Pubertät wächst sie nicht mehr weiter bildet sich im Erwachsenenalter physiologisch zurück, d. h. sie schrumpft. In diesem Prozess verliert sie zunehmend ihre Funktion und besteht schließlich bei älteren Menschen vor allem aus Fettgewebe. Dies hat zur Folge, dass es ab etwa einem Alter von 60 Jahren zu einer Verschlechterung des Immunsystems kommt. Die Anfälligkeit für Infektionen und diverse Krankheiten nimmt zu.
Die körperliche Leistungsfähigkeit ist etwa zwischen dem 20. und 30. Lebensjahr am höchsten und nimmt dann kontinuierlich ab. Die Ausdauerleistungsfähigkeit lässt nach dem 30. Lebensjahr um bis zu 15 % pro Zehnjahresperiode nach. Ab dem Alter von 40 Jahren setzt außerdem bei jedem Menschen ein Muskelschwund ein, der durchschnittlich ein bis zwei Prozent pro Jahr beträgt. Der Alterungsprozess ist individuell jedoch sehr unterschiedlich und ist zudem von einer Vielzahl von Einflussfaktoren abhängig, die sowohl alters- als auch lebensstilbedingte Faktoren umfassen.
Mit zunehmendem Alter häufen sich Schäden an Erbsubstanz, Zellen und Geweben, die vom Körper nicht mehr repariert werden können. Das genetische Material, die DNA, wird ständig durch die verschiedensten äußeren und inneren Faktoren geschädigt. Schätzungen zufolge kommt es beim Menschen täglich bis zu einer Million „Schadensereignissen“.
Da die Zellen über effiziente Erkennungs- und Reparaturmechanismen verfügen, können die meisten dieser Schäden sofort repariert werden. Leider sind diese Reparaturprozesse nicht perfekt. Deshalb bleibt ein kleiner Prozentsatz der Schäden unrepariert. In der Konsequenz kommt es mit zunehmendem Alter zu einer Anhäufung von DNA-Schäden, die wiederum verschiedene negative Auswirkungen haben können. So steigt beispielsweise das Risiko, an Krebs zu erkranken.
Neben dieser genomischen Instabilität gibt es noch eine Reihe weiterer Faktoren, die im Alterungsprozess eine wichtige Rolle spielen. Dazu zählen u. a. der Verschleiß der Telomere (Schutzkappen an den Enden der Chromosomen des menschlichen Erbguts), die Erschöpfung der Stammzellen (verbunden mit einer verminderten Fähigkeit, Organschäden zu reparieren) und beeinträchtigte Autophagie (ein Mechanismus zur Überlebenssicherung der einzelnen Zelle, zugleich aber auch ein Selbstmord-Programm für geschädigte Zellen).
Unweigerlich kommt der Zeitpunkt, an dem die Vitalfunktionen nicht mehr aufrechterhalten werden können. Der Mensch stirbt und der biologische Tod tritt ein. Die Gehirnfunktion erlischt irreversibel und auch alle Organ- und Zellfunktionen.
Gehirn und Gedächtnis
In seiner Funktion als die Schaltzentrale des menschlichen Körpers steuert das Gehirn lebenswichtige Vorgänge. Obwohl es im Allgemeinen nur gut 2 % des Körpergewichts ausmacht, verbraucht es rund 20 % der Energie. Somit ist das Gehirn das energiehungrigste Organ im menschlichen Körper. Das Gehirn ist jedoch nicht nur Schaltzentrale, sondern auch Sitz des Gedächtnisses.
Entwicklung des Gehirns
Das menschliche Gehirn ist überaus komplex. Es gibt kein komplexeres Organ und auch kein Organ, das sich derart stark laufend verändert, beginnend schon in der dritten Schwangerschaftswoche bis hin zum biologischen Tod.
Im Gehirn eines Neugeborenen befinden sich bereits rund 100 Milliarden Nervenzellen (Neuronen), in etwa so viele wie im Gehirn eines Erwachsenen. Allerdings sind sie noch wenig vernetzt, wodurch noch nicht alle miteinander kommunizieren können. Nur ein Grundbauplan der neuronalen Vernetzung liegt vor. Da die Neuronen zudem noch relativ klein sind, wiegt das Gehirn eines Neugeborenen nur etwa 25 % im Vergleich zum Gewicht des Gehirns eines Erwachsenen.
Die Anzahl der Verbindungen zwischen den Nervenzellen, die Synapsen, nimmt in den ersten drei Lebensjahren schnell zu. Bereits mit zwei Jahren haben Kleinkinder so viele Synapsen wie Erwachsene. Mit drei Jahren haben sie sogar doppelt so viele. Bis zum zehnten Lebensjahr bleibt die Anzahl der Synapsen in etwa konstant. In den Folgejahren verringert sich ihre Zahl wieder um die Hälfte. Danach treten bei der Zahl der Synapsen keine größeren Veränderungen mehr auf.
Die Überproduktion von Synapsen in den ersten drei Lebensjahren ermöglicht eine hohe Anpassungs- und Lernfähigkeit. Das Kind ist in der Lage, in kurzer Zeit unterschiedliche Verhaltensweisen, Lebensstile, Sprachen usw. zu erlernen.
Im Zuge der weiteren Entwicklung des Gehirns werden die wenig benutzten und offenbar nicht benötigten Synapsen abgebaut. Mit dem, was das Kind bis zu diesem Alter erlebt, erfahren, gelernt und aufgenommen hat, nimmt es Einfluss auf die Struktur seines Gehirns und damit auch, wie dicht und damit leistungsfähig die Hirnstrukturen miteinander verknüpft werden.
Das Verhältnis zwischen neu entstehenden und abgebauten Synapsen kippt während der Pubertät. Während dieser Zeit bis hin zum Alter von etwa 25 Jahren baut das Gehirn sein neuronales Netz um. Es wird dadurch effizienter und dank weiterer Myelinhüllen (vergleichbar mit der Isolation um elektrische Kabel) noch schneller. Jetzt hat das Gehirn seine spätere Grundstruktur. Rund die Hälfte davon ist erblich bestimmt, die andere Hälfte wurden durch Erlebtes, Erfahrenes und Erlerntes gewissermaßen angeeignet.
Der kurz skizzierte Prozess der Neubildung und des Abbaus setzt sich dann bis zum Tod fort. Nicht benötigte Synapsen werden eliminiert, neue gebildet (insbesondere im Rahmen von Gedächtnisprozessen) und häufig benutzte verstärkt. Auch im Alter können neue Neuronen entstehen. Die sogenannte Plastizität des Gehirns bleibt bis ins hohe Alter erhalten.
Entwicklung des Gedächtnisses
Schon Säuglinge können sich an Erlebtes erinnern, wobei jedoch Erlebnisse bei sechs Monate alten Säuglingen lediglich 24 Stunden im Gedächtnis bleiben. Im Alter von neun Monaten können sich Säuglinge bereits an Erlebnisse erinnern, die etwa einen Monat zurückliegen. In der Folgezeit werden die Erinnerungszeiträume stetig länger.
Die Entwicklung des Langzeitgedächtnisses, das es ermöglicht, sich auch an mehrere Jahre zurückliegende Erfahrungen und Erlebnisse zu erinnern, benötigt noch einige Zeit. Aus diesem Grund können sich Menschen, von Ausnahmen abgesehen, an Erfahrungen und Erlebnisse in den ersten drei bis vier Lebensjahren nicht erinnern. Auch Erinnerungen an das fünfte und sechste Lebensjahr sind im Allgemeinen auf nur wenige Erfahrungen und Erlebnisse beschränkt. Diese Kindheitsamnesie (infantile Amnesie) ist völlig normal. Die Frage, ob Informationen aus den ersten Lebensjahren im Gehirn überhaupt noch vorhanden sind oder ob sie zwar noch vorhanden, jedoch nicht mehr abrufbar sind, muss ungeklärt bleiben.
Eine mögliche Erklärung für die infantile Amnesie besteht in dem noch nicht voll entwickelten Hippocampus. Diese paarige Hirnstruktur, die zum limbischen System gehört, ist vor allem an der Gedächtnisbildung beteiligt. Wahrscheinlich werden im Hippocampus Informationen aus dem Kurzzeitgedächtnis in das Langzeitgedächtnis übertragen. Der Hippocampus reift erst im Alter von etwa 14 Jahren aus. In der Kindheit wächst das Gedächtnis für Details bisherigen wissenschaftlichen Erkenntnissen zufolge nur langsam.
Die Gedächtnisleistung nimmt zwischen dem 6. und dem 10. Lebensjahr stark zu. Auch die Gedächtnisspanne, die Zeit zwischen dem Heute und einem weit zurückliegenden Erlebnis oder Ereignis, nimmt zu.
Ab dem mittleren Lebensalter, im Alter von etwa 50 Jahren, lässt das Arbeitsgedächtnis (Kurzzeitgedächtnis) im Hinblick auf seine Leistungsfähigkeit nach. Das Langzeitgedächtnis bleibt jedoch bis ins hohe Alter konstant.