- Das Selbstwertgefühl stärken und schützen – Wirkung erzeugen
- Bedingungslose Würde bewusstmachen
- Soziale Wertigkeit und Bedeutung bewusstmachenLesezeit: 9 Min.
- Fähigkeiten und Kompetenzen bewusstmachen
- Einstellungen und Verhalten ändern – im inneren Kraftraum
- Glaubenssätze ausmisten – Ballast abwerfen
- Aufhören zu vergleichen – sich nicht selbst klein machen
- Macht entziehen – dem inneren Kritiker
- Unvollkommenheit akzeptieren – authentisch werden
- Freundschaft mit sich selbst pflegen – lebenslang
- Schädliche Beziehungen erkennen – Grenzen setzen
- Erfolge feiern, zelebrieren – gerne auch mit anderen
- Positive Veränderungen erleben – systematisch und nachhaltig
Soziale Wertigkeit und Bedeutung – jeder Mensch hat sie. Wie stärkt sie Selbstwertgefühl und Selbstwertschätzung?
Inhalte:
Im Kleinkindalter bekam Claudia (Name geändert) von ihrer Mutter zu hören: „Du hast keinen Wert!“. Diese Worte kann Claudia – sie ist schon längst erwachsen – nicht vergessen. Sie belasten sie schon ihr ganzes Leben und lösen immer wieder Gefühle wie Trauer oder Wut bei ihr aus. Es ist eine tiefsitzende seelische Wunde, die nicht heilen mag.
Die Mutter, die Claudia diese schwere Last aufbürdete, war sich vielleicht überhaupt nicht im Klaren, was sie bei ihrer Tochter anrichtete. Vielleicht hörte sie solche oder ähnliche Worte schon in ihrer eigenen Kindheit und gab ihren eigenen Schmerz mehr oder weniger gedankenlos an Claudia weiter.
Was Claudia zu hören bekam stimmt nicht! Es ist eine infame Lüge!
Claudias Mutter wies ihrer Tochter einen Nicht-Wert zu. Dieses Werturteil erstreckte sich nicht nur auf die Familie, sondern ganz allgemein auf Claudia in der Gesellschaft als Ganzes! Dazu hatte die Mutter kein Recht!
Leider sind es nicht nur in der Kindheit erlebte Ablehnungserfahrungen, die das Selbstwertgefühl angreifen. Auch subtile Werbebotschaften können suggerieren: Du bist nichts wert, wenn dich niemand beneidet, wenn du dir das nicht leisten kannst, wenn du … Auch das sind infame Lügen!
Derartige Lügen schädigen das Bewusstsein sozialer Wertigkeit und Bedeutung. Sozialer Rückzug kann die Folge sein.
Was bedeutet Soziale Wertigkeit?
„Soziale Wertigkeit“ ist ein schwammiger Begriff. Der darin enthaltene Begriff „Wertigkeit“ bezieht sich auf den Wertgehalt von etwas. Objekte lassen sich über ihre objektiv oder subjektiv zugewiesenen Wertgehalte miteinander vergleichen. Doch es dürfen nicht „Äpfel mit Birnen“ verglichen werden. Nur Gleichartiges lässt sich sinnvoll miteinander in Beziehung setzen. Deshalb ist ein Adjektiv hilfreich, um eine Kategorie, Klasse oder Gruppe zu bestimmen. Die „Biologische Wertigkeit“, als Beispiel, ist ein objektives Maß für die Verwertbarkeit der in einem Lebensmittel enthaltenen Proteine.
Der Begriff „Soziale Wertigkeit“ muss genauer gefasst werden. Ist es die Kleidung, die eine soziale Wertigkeit ausdrückt? Es ließe sich argumentieren, dass beispielsweise ein Anzug oder ein Kostüm eine höhere soziale Wertigkeit hat als ein Jogginganzug. Ist es die Ausbildung? Auch hier ließe sich argumentieren, dass ein Studium eine höhere soziale Wertigkeit hat als eine angelernte Tätigkeit. Ist es die Sprache, das Brauchtum oder irgendetwas anderes, das eine soziale Wertigkeit bestimmt?
Kann man den Begriff „Soziale Wertigkeit“ auf den Menschen an sich anwenden? Die Antwort ist ein klares „Ja“, denn jeder Mensch ist wertvoll. Könnte es jedoch einschränkende Kriterien geben, wie beispielsweise das Alter? Ließe sich in vergangene und zukünftige soziale Wertigkeit unterscheiden? Würde man diesem Gedanken folgen, hätten Rentner im Vergleich zu Berufstätigen eher eine geringere soziale Wertigkeit, da sie im Allgemeinen weniger zum Bruttosozialprodukt (Bruttonationaleinkommen) beitragen als dies in ihrer Vergangenheit der Fall war.
Könnte es ein Kriterium „Soziale Wertschöpfung“ geben? Dieses Kriterium würde ausdrücken, wie viel ein Mensch durch berufliche und ehrenamtliche Tätigkeit in die Gesellschaft einbringt. Doch ein solcher Beitrag wäre nicht objektiv messbar. Darüber hinaus würde ein solches Kriterium aus ethischer Sicht den Grundsatz der Gleichwertigkeit von Menschen verletzen. Folglich kann es keine Skala und auch keinen „Qualitätsindex“ für die vergleichende Bewertung der sozialen Wertigkeit von Menschen geben. Entweder hat der Mensch grundsätzlich soziale Wertigkeit oder er hat sie nicht. Die Antwort lautet, wie bereits ausgedrückt: Der Mensch hat soziale Wertigkeit!
Wie kann sich soziale Wertigkeit konkret äußern?
„Es ist eine Bereicherung für mich, dich zu kennen. Deine Freundschaft bedeutet mir sehr viel“ – diese Aussage beleuchtet den zwischenmenschlichen Aspekt sozialer Wertigkeit. Dieser Aspekt bezieht sich auf einen ideellen Wert, der jeder ökonomischen Betrachtung entzogen und mit keiner Art von Wertschöpfung verknüpft ist. Es handelt sich vielmehr um die Wertigkeit einer Beziehung zwischen zwei oder mehr Menschen.
Diese Beziehungswertigkeit ist weder an materiellen Wohlstand, an sozialen Status noch an körperliche Fitness, Unversehrtheit, Makellosigkeit o. ä. gebunden. „Deine Gegenwart tut mir gut“, diesen Satz kann jeder Mensch hören, der sich mit seinen Mitmenschen in Beziehungen auf Augenhöhe einlassen und darin investieren möchte.
Jeder Mensch ist sein ganzes Leben lang als soziales Wesen in Beziehungen eingebunden. Er wird von einem Menschen geboren. Beziehungen zu Menschen in der frühkindlichen Phase prägen die Entwicklung und Persönlichkeit eines Kleinkinds. Der Mensch erlebt im Lauf seines Lebens mehr oder weniger intensive Beziehungen und wird schließlich nach seinem Tod von Menschen bestattet. Der Abhängigkeit von anderen kann er sich nicht entziehen.
Aus der Tatsache, dass der Mensch ein Beziehungswesen ist, ergibt sich die Wertigkeit von Beziehung an sich. Beziehung ist wertvoll. Kein Mensch kann sich Beziehungen völlig verweigern, sehr wohl aber der Pflege von Beziehungen.
Jeder Mensch bringt seinen inneren Wert als Beziehungswesen in eine Beziehung ein. Auf dieser Grundlage können Beziehungen wachsen und durch Beziehungspflege gedeihen. Jeder Mensch kann somit, wenn er denn möchte, in seinen Beziehungen andere Menschen bereichern.
Was ist unter Sozialer Bedeutung zu verstehen?
Wenn jeder Mensch soziale Wertigkeit besitzt ist es in der Konsequenz nicht gleichgültig, ob ein bestimmter Mensch existiert oder nicht. Er ist als soziales Wesen in die Gesellschaft eingebunden und kann schon allein durch seine Existenz in der Gesellschaft etwas bewirken. Dadurch genießt er soziale Bedeutung.
Die soziale Bedeutung bemisst sich nicht an Zahl oder Intensität von Aktivitäten in der gesellschaftlichen Interaktion. Schon allein das „Da-sein“ hat Bedeutung. Bei einer Krisenintervention, als Beispiel, wenn eine Todesnachricht zu überbringen ist, helfen im Allgemeinen nicht die tröstenden Worte. Vielmehr ist es die körperliche Anwesenheit einer Person, die physische und auch emotionale Nähe, die in einer Krisensituation als hilfreich und unterstützend empfunden wird. „Ich kann Ihnen nicht wirklich helfen, aber ich bin jetzt bei Ihnen“, verbunden mit einer angemessenen körperlichen Berührung, ist vielleicht das Einzige, was einer trauernden Person gesagt werden kann, die gerade vom Unfalltod eines sehr nahestehenden Familienmitglieds erfahren hat. Doch dieses „einfach-nur-da-sein“ hat enorme Bedeutung. Die betroffene Person wird sich noch viele Jahre später an diese Begegnung und an ihre Gefühle, die sie empfunden hat, erinnern. Sie wird in der Rückschau sagen, dass es in all dem Leid eine bereichernde Erfahrung war.
In der Konsequenz hat jeder Mensch Bedeutung, oder anders ausgedrückt: Jeder Mensch ist wichtig! Er ist wichtig, weil er etwas geben kann. Die Bandbreite dessen, was gegeben werden kann, mag ein breites Spektrum umfassen. Der eine mag sich ehrenamtlich engagieren, anderen Menschen seine Zeit und vielleicht auch eine Menge Geld schenken und schließlich als Wohltäter der Menschheit in die Geschichte eingehen. Der andere hat nichts zu verschenken, mag behindert sein und weist einem Ortsfremden freundlich den Weg. Selbst wer wenig geben kann, vielleicht aufgrund von körperlichen, geistigen oder psychischen Einschränkungen – er kann etwas geben.
Jeder Mensch verfügt über ein einzigartiges Profil an Fähigkeiten, Kompetenzen und Interessen. Daraus folgt: jeder Mensch kann etwas Einzigartiges geben, etwas, das in dieser Form nur er allein geben kann – etwas von sich. Aus der Ich-Perspektive betrachtet: „Ich kann etwas von mir geben!“
„Ich kann etwas von mir geben!“
Im Hinblick auf den Einsatz seiner Fähigkeiten und Kompetenzen in der gesellschaftlichen Interaktion hat jeder Mensch Gestaltungsfreiheit. Jeder kann frei entscheiden, was und wie viel er geben möchte.
Die Möglichkeit, anderen nach freier Wahl etwas geben zu können, was auch immer es sei, führt zu einer Veränderung im Leben anderer. So wie schon alleine ein in das Wasser geworfener Kieselstein den Zustand der Welt verändert – so winzig und scheinbar unbedeutend dies auch sein mag -, so verändert auch etwas aus freien Stücken Gegebenes das Leben anderer Menschen.
Selbst wenn man sich nicht durch seine Fähigkeiten, Kompetenzen und Interessen von anderen Menschen unterscheiden könnte und nach eigener Ansicht nichts zu geben hätte, wäre es trotzdem immer noch möglich, etwas Wertvolles zu geben: Nächstenliebe. Die Möglichkeit zu geben verleiht Bedeutung.
Befinden sich Wissen und Gefühl in Einklang?
Das Wissen um soziale Wertigkeit und Bedeutung ist gewissermaßen die eine Seite der Medaille, das gefühlsmäßige Verinnerlichen die andere. Oft fällt es viel leichter, etwas verstandesmäßig und ohne tieferes Nachdenken zu bejahen als es tief in die Gefühlswelt eindringen und wirken zu lassen.
Claudia kann verstandesmäßig akzeptieren, dass sie soziale Wertigkeit und Bedeutung hat. Sie kann sich zusprechen: „Ich habe soziale Wertigkeit und Bedeutung!“ Bis ihre Gefühle ihr Wissen einholen braucht es jedoch Zeit. Das „Du hast keinen Wert!“, „Du bist nichts wert!“ oder welche Variante dieser Lüge sie auch immer gehört hat, lässt sich nicht einfach aus der Gefühlswelt löschen. Für Claudia war es in ihrer Kindheit gewissermaßen „normal“, das Gefühl der Wertlosigkeit zu erleben – so wie es beispielsweise auch für Kinder alkoholabhängiger Eltern während der frühen Kindheit „normal“ ist, dass Vater und/oder Mutter trinken.
Oft ist es hilfreich zu versuchen, sich in die Lage der Person hineinzuversetzen, die die Lüge ausgesprochen hat. Vielleicht hat Claudias Mutter einfach ihre eigenen Probleme oder Frustrationen an ihrer Tochter ausgelassen. Vielleicht waren es bestimmte besonders nervenaufreibende Situationen, als die ohnehin schon stark gestresste Mutter erlebte, dass Claudia ihren Stresspegel noch weiter nach oben trieb.
Wenn Claudia auch mit ihren Gefühlen erleben kann, dass sie soziale Wertigkeit und Bedeutung hat, ist sozialer Rückzug für sie kein Thema mehr. Ihr Selbstwertgefühl, ihre Selbstwertschätzung, werden gestärkt und gleichzeitig geschützt.
Weiterführende Fragen
- Was bedeutet es für mich, meiner sozialen Wertigkeit und Bedeutung bewusst zu sein?
- Wie wirkt es auf mein Selbstwertgefühl, meine Selbstwertschätzung, wenn ich mir bewusstmache, dass ich etwas von mir geben kann?
- Was verändert sich, wenn ich meine soziale Wertigkeit und Bedeutung ernst nehme und mit meinen Gefühlen erlebe?