Wie glaubwürdig sind Schilderungen, wenn sich eine Person unter Hypnose befindet? Eine spannende Frage!
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Dieser Beitrag ist Teil der Serie „Was geschieht mit mir wenn ich sterbe?“
Grobes Inhaltsverzeichnis
Wiederholt wurde in jüngerer Zeit von spektakulären Fällen berichtet, in denen es Menschen unter Hypnose scheinbar gelang, sich an weit in der Vergangenheit zurückliegende Erlebnisse, Erfahrungen und Gefühle präzise zu erinnern. Manche Personen konnten sich sogar an ein oder mehrere frühere Leben erinnern. Doch soweit die Erinnerungen nicht verifizierbar waren bzw. sind, stellt sich die grundsätzliche Frage der Glaubwürdigkeit.
Unter Hypnose wird ein Zustand künstlich erzeugten teilweisen Schlafs in Verbindung mit einem veränderten Bewusstseinszustand verstanden. Während einer Hypnose schläft eine Person somit nicht wirklich bzw. zumindest nicht durchgehend, sondern befindet sich vielmehr in einem Zustand entspannten Wachseins und wechselt dabei zwischen bewussten und unbewussten Momenten.
Eine Hypnose wird üblicherweise von einem Hypnotiseur (der hypnotisierenden Person) eingeleitet, gesteuert und auch wieder beendet. Ziel der Hypnose ist es, über das Unterbewusstsein einen Zugang zur inneren Welt des Hypnotisanten (der hypnotisierten Person) zu schaffen. Im Rahmen einer Selbsthypnose kann eine Person auch beide Rollen, die des Hypnotiseurs und die des Hypnotisanten, übernehmen.
Unwillkürlich stellt sich die Frage, ob jeder Mensch hypnotisierbar ist. Im Allgemeinen ist dies der Fall. Allerdings sind nicht alle Menschen gleichermaßen gut für die Hypnose geeignet sind. Etwa 10 bis 15 % sind für die Hypnose besonders gut geeignet, und dies umso mehr, je größer die Vorstellungskraft ist. Demgegenüber sind rund 15 % nur schwer hypnotisierbar. Die wichtigsten Gründe sind Ablehnung, Skepsis und der fehlende Wille, Anweisungen des Hypnotiseurs zuzulassen. Zwischen diesen beiden Polen liegt das große Feld (etwa 70 bis 75 %) der für eine Hypnose „normal“ geeigneten Menschen.
Vorbereitung und Ablauf einer Hypnosesitzung
Üblicherweise findet vor einer Hypnosesitzung ein Vorgespräch statt. In diesem Gespräch zwischen Hypnotiseur und Hypnotisant wird geklärt, was dem Hyponotisanten wichtig ist und was mit der Hypnose erreicht werden soll. Implizit wird damit die Bereitschaft ausgedrückt, sich freiwillig in Hypnose versetzen zu lassen.
Mit dem erfolgreichen Einleiten der Hypnose wird der Hypnotisant in eine hypnotische Trance versetzt. Während dieses Zustands, in dem sich der Hypnotisant, wie bereits erwähnt, in einem tief entspannten Wachzustand befindet, ist die Aufmerksamkeit extrem eingeschränkt und auf nur wenige Inhalte ausgerichtet.
Der Hypnotisant verliert während der hypnotischen Trance nicht die Kontrolle über sich selbst. Die von sogenannten „Show-Hypnosen“ herrührende landläufige Annahme, dass ein Hypnotisant während der Hypnose gewissermaßen „abgeschaltet“ und vollkommen fremdbestimmt ist, trifft jedenfalls für die klinische Hypnose (eine Methode der psychologischen Psychotherapie) keineswegs zu. Nach aktuellem Stand der Forschung gilt es als praktisch ausgeschlossen, dass ein Hypnotisant in hypnotischer Trance vom Hypnotiseur aktiv seines freien Willens beraubt werden kann. Genauso wenig kann ihm etwas befohlen werden, was seinen grundlegenden inneren Prinzipien und Wertvorstellungen widerspricht. Die menschliche Psyche verfügt über natürliche Schutzmechanismen, die unmittelbar aktiv werden, wenn der Hypnotisant wahrnimmt, dass etwas gegen seine inneren Prinzipien und Wertvorstellungen oder etwas gegen seinen Willen Gerichtetes geschieht.
Während einer Hypnosesitzung führt der Hypnotiseur (bei der klinischen Hypnose ein Therapeut) den Hyponotisanten durch Themen und Bilder seiner inneren Welt. Der Hypnotisant entscheidet während der Hypnosesitzung, wohin und wie weit er sich in seiner inneren Welt bewegt. Falls der Hypnotisant die Hypnosesitzung unterbrechen möchte, ist er dazu jederzeit in der Lage, selbst im Zustand tiefer hypnotische Trance. Schließlich ist die Hypnose lediglich eine Form der Entspannung und kein Tiefschlaf.
Nach einer Hypnosesitzung ist die Erinnerung an das während der Sitzung Geschehene und Gesagte keineswegs ausgelöscht. Der Hypnotisant kann sich uneingeschränkt daran erinnern, wie er vom Hypnotiseur durch seine innere Welt geführt wurde, welche Themen behandelt wurden, welche Bilder vor dem inneren Auge gesehen wurden, und wie er selbst darauf reagierte.
Zugang zu Erinnerungen während einer Hypnosesitzung
Aus den verschiedensten Gründen ist es oft wichtig, Zugang zu „verschütteten“ Erinnerungen des Hypnotisanten zu erlangen, um einem bestimmten therapeutischen Ziel näher zu kommen. Ebenso mag es beispielsweise für einen Zeugen einer Straftat hilfreich sein, sich besser an bestimmte Details zu erinnern, um damit zur Aufklärung beitragen zu können.
Ein besonderes Feld stellt die hypnotische Regression dar. Dabei handelt es sich um eine Anwendung der Hypnose, die den Hypnotisanten in ein früheres Lebensalter (z. B. in die früheste Kindheit oder gar in die Zeit im Mutterleib) oder in ein früheres Leben zurückführen soll. Das frühere Lebensalter oder das frühere Leben und die dabei wahrgenommenen Gefühle sollen erneut durchlebt bzw. erlebt werden. Rückführungen in ein früheres Leben sind insbesondere für Anhänger des Reinkarnationskonzepts von Interesse.
Vor diesem Hintergrund stellt sich zunächst die Frage, ob Erinnerungen an zeitlich weit zurückliegende Ereignisse unter Hypnose überhaupt möglich sind. Falls die Antwort „ja“ lautet, schließt sich unmittelbar die Frage an, wie präzise und zutreffend die Erinnerungen sind.
Erkenntnisse aus der forensischen Hypnose können zur Klärung dieser Fragen beitragen. Die forensische Hypnose beschreibt den Einsatz von Hypnose im Rahmen polizeilicher Ermittlungen mit dem Ziel, die Erinnerung von Zeugen zu unterstützen. Sie kann eingesetzt werden, wenn die üblichen Ermittlungs- und Vernehmungsmethoden nicht hinreichend erfolgreich waren und eine begründete Aussicht besteht, dass sich ein oder mehrere Zeugen unter freiwilliger Hypnose an weitere fall- und aufklärungsrelevante Details erinnern können.
In jüngerer Zeit wurde die forensische Hypnose in der Bundesrepublik Deutschland von polizeilichen Stellen in einigen Fällen als unterstützende Maßnahme eingesetzt. Bisherige Erkenntnisse und Erfahrungen geben Hinweise darauf, in welchem Umfang Erinnerungen unter Hypnose möglich sind.
Selbstverständlich ist es unzulässig, einen für Hypnose zugänglichen Menschen dazu zu zwingen, sich hypnotisieren zu lassen, um dadurch beispielsweise zu gerichtsverwertbaren Aussagen zu gelangen. Wenn sich allerding eine Person (z. B. ein Zeuge) freiwillig in eine hypnotische Trance versetzen lässt, können dadurch gewonnene Informationen und Hinweise durchaus in Untersuchungen einfließen.
Belastende Erinnerungen
Es wäre zunächst anzunehmen, dass für den Hypnotiseur das Gedächtnis des Hypnotisanten gewissermaßen wie ein „offenes Buch“ zugänglich ist, solange sich dieser im Zustand hypnotischer Trance befindet. Infolge dessen könnten theoretisch Erinnerungen bis zurück in die früheste Kindheit abgerufen werden. Diese Annahme entspricht jedoch keineswegs der Wirklichkeit.
Es mag sein, dass sich ein Hypnotisant nicht an bestimmte Erlebnisse, Erfahrungen oder Handlungen erinnert, weil sie nicht mit dem Selbstbild vereinbar oder schlichtweg zu belastend sind. Es zeigt sich faktisch kein Unterschied im Vergleich zum Zustand ohne hypnotische Trance.
Insbesondere bei im realen Leben erfahrenen extrem belastenden Ereignissen (insbesondere Traumata, beispielsweise nach schwerem sexuellem Missbrauch) kann es zu einer dissoziativen Amnesie (Gedächtnisverlust) kommen. Eine derartige Dissoziation (Abspaltung), eine hochgradig komplexe psychische Störung, führt dazu, dass sich die betroffene Person nicht mehr an bestimmte persönliche Informationen erinnern kann. Dadurch bedingte Gedächtnislücken können von wenigen Minuten sogar bis hin zu Jahrzehnten andauern. Im Grund handelt es sich um einen Schutzmechanismus, eine Art „Notbremse“. Die belastenden Erinnerungen sollen gewissermaßen ausgeblendet werden.
Derartige aus Gründen des psychischen Selbstschutzes aufgebaute Erinnerungsblockaden können von einem kompetenten Hypnotiseur durchaus aufgelöst und beseitigt werden. Belastende Erinnerungen können durch vorsichtig und sorgsam geführte gezielte Dissoziation, die Erinnerungen gewissermaßen fragmentiert, wieder zugänglich werden. Was dann geschildert wird, ist jedoch eine subjektive und nicht unbedingt die objektive Wahrheit.
Erinnerungsfehler
Das autobiographische Gedächtnis wird in der Psychologie als der Teil des Gedächtnisses verstanden, der autobiographische Episoden mit großer Bedeutung für das Individuum dauerhaft speichert. Bildlich ausgedrückt speichert es den „Film des Lebens“ einer Person.
Im autobiographischen Gedächtnis wird die Vergangenheit keineswegs detailgetreu abgespeichert. Gefühle spielen die wesentliche Rolle, nicht die objektiven Ereignisse und Erlebnisse. Der emotionale Gehalt einer erlebten Situation entscheidet ganz wesentlich darüber, ob sie langzeitig gespeichert wird.
Darüber hinaus verändern sich die Aktivierungsmuster von Erinnerungen im Gehirn mit der Zeit. Wenn man sich beispielsweise an ein länger zurückliegendes Gespräch mit einem Freund erinnert, den man zufällig im Hallenbad getroffen hat, wird im Lauf der Zeit die Erinnerung an die Geräuschkulisse in den Hintergrund treten. Dafür schiebt sich das Gefühl der Freude über das unerwartete Treffen in den Vordergrund.
Das autobiographische Gedächtnis kann sich als trügerisch erweisen, insbesondere dann, wenn hauptsächlich Fakten und weniger Gefühle entscheidend sind. Hier kann es auch unter Hypnose zu Erinnerungsfehlern kommen. Ein beispielhafter Fall falscher Erinnerung unter Hypnose macht die Problematik deutlich: „Ein 12-jähriges Mädchen wurde vermisst und drei Zeugen hatten unabhängig voneinander kurz nach dem Auffinden ihres Rades in einem Feldweg ein verdächtiges Fahrzeug schnell davonfahren sehen. Zwei der Zeugen wurden unter Hypnose zu Fahrzeug, Kennzeichen und Fahrer befragt. Zeuge A erinnerte eine hellblaue Limousine mit ortsfremdem Kennzeichen. Der erste Buchstabe soll ein “K“ gewesen sein,der zweite möglicherweise ein „W“. Die Ziffern „2“ und „5“ sollen in dem Kennzeichen vorhanden gewesen sein. Das Fahrzeug sei von einem etwa 30-jährigen Mann mit mittelblondem Haar gesteuert worden. Zeuge B beschrieb das Tatfahrzeug als Ford, eventuell ein Kombi, und nannte dabei den Zulassungsbereich „KR“ und die Zwischenbuchstaben „AL“. Den Fahrer beschrieb er als dunkelhaarig mit Bart. Aufgrund dieser Aussagen wurden 1200 Unterspuren angelegt, die von vier Beamten in 10 Monaten abgeklärt wurden, ohne dass das Mädchen oder der Fahrer gefunden wurden. Zwei Jahre später gestand ein Mann in der Untersuchungshaft wegen Mordes an weiteren Mädchen, auch dieses getötet zu haben. Bei der Tat fuhr der Täter einen roten Opel, vom Kennzeichen stimmte einzig die „2“ überein. Er war damals 28 Jahre alt, hatte mittelblondes Haar und keinen Bart.“1
Die Autoren hielten dazu fest, dass gerade Zeugen, die sich unbedingt erinnern wollen, Gefahr laufen, trotz Unsicherheit Angaben auch zum Kennzeichen zu machen. „Im Nachhinein erscheint es, als ob es sich hier um falsche Erinnerungen handelte – sicher ist dies jedoch nicht, denn es könnte sich theoretisch auch um die Beobachtung anderer Fahrzeuge zum entsprechenden Zeitpunkt gehandelt haben.“
Folgerungen
Durch Hypnose wiedererlangte Erinnerungen können durchaus verzerrt und dadurch unzuverlässig sein. Aus diesem Grund haben unter Hypnose hervorgerufene Erinnerungen vor Gericht auch keine Beweiskraft. Derartige Erinnerungen können somit lediglich auf eine Spur hinweisen, die durch weitere Indizien bestätigt werden muss.
Erst recht muss bezweifelt werden, dass unter Hypnose Erinnerungen hervorgerufen werden können, die rein physiologisch unmöglich sind. Dazu zählen etwa Erinnerungen an die Zeit im Mutterleib oder an Ereignisse in einem oder mehreren früheren Leben. Wenn derartige Erinnerungen dennoch objektiv überprüfbar sind und sich verifizieren lassen, muss eine andere nachvollziehbare Erklärung gefunden werden, wie diese Erinnerungen zustande kommen können.
- Beetz und von Delhaes: „Forensische Hypnose – Der Einsatz von Hypnose als erinnerungsunterstützendes Verfahren im Rahmen polizeilicher Ermittlungen“, Hypnose – ZHH 2011, 6 (1+2), S. 173 f. ↩︎