Was geschieht beim Sterben? – und ist dann alles aus?Lesezeit: 9 Min.

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Was geschieht beim Sterben? Diese Frage beschäftigt uns Menschen schon seit jeher. Sie ruft eine Reihe weiterer Fragen hervor: Wie geschieht das Sterben?, Was kommt danach? usw.

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Was geschieht mit mir wenn ich sterbe - Gestaltung: privat

Dieser Beitrag ist Teil der Serie „Was geschieht mit mir wenn ich sterbe?
Grobes Inhaltsverzeichnis

Sterben – ein Prozess

Auch das Sterben ist ein Prozess. Der vom Sterben Betroffene, als Sterbender bezeichnet, erlebt diesen Prozess bewusst oder unbewusst. Der Sterbeprozess wird durch ein bestimmtes Ereignis ausgelöst und endet mit dem Hirntod, dem unumkehrbaren Ausfall der gesamten Hirnfunktionen. Ein Sterbender ist laut Definition der Bundesärztekammer ein Mensch mit irreversiblem Versagen einer oder mehrerer vitaler Funktionen, bei dem der Eintritt des Todes in kurzer Zeit zu erwarten ist. Was unter „kurzer Zeit“ zu verstehen ist, lässt sich naturgemäß nicht exakt eingrenzen.

Menschen mit einer unheilbaren, zum Tode führenden Erkrankung (z. B. unheilbare Krebserkrankung und Amyotrophe Lateralsklerose (ALS)) können durchaus noch längere Zeit nach dem Beginn der Krankheit am Leben aktiv teilnehmen. Ein Mensch, der einem unheilbar Kranken in der Frühphase der Erkrankung begegnet und dem diese nicht bekannt ist, erkennt möglicherweise (noch) keinerlei Krankheitsanzeichen. Dennoch mag argumentiert werden, dass der Sterbeprozess bereits mit dem Ausbruch der Erkrankung beginnt. In der Konsequenz können sich Lebens- und Sterbeprozess über Monate oder sogar Jahre hinweg überlagern.

Bei dieser weit gefassten Definition werden in der Medizin verschiedene Phasen unterschieden: Präterminalphase, Terminalphase sowie Finalphase und Tod. In der Präterminalphase zeigen sich deutliche Symptome, die das aktive Leben einschränken. Zu diesen Symptomen zählen beispielsweise eine erhebliche Abmagerung, eine körperliche Schwäche und eine gesteigerte Müdigkeit. In der anschließenden Terminalphase sind fortschreitender körperlicher Verfall, wahrnehmbar durch eingeschränkte Mobilität oder Bettlägerigkeit, erkennbar. Oft kommt es auch zur Appetitlosigkeit. Die letzte Phase, Finalphase und Tod, ist durch das endgültige Versagen einzelner Organe wie Herz, Leber, Niere und Lunge oder des zentralen Nervensystems gekennzeichnet.

Im Kontext dieser Arbeit wird der Sterbeprozess definitorisch sehr eng gefasst. Er konzentriert sich auf den Zeitraum vom Funktionsausfall einer vitalen Funktion bis zum Hirntod. In der Bundesrepublik Deutschland gilt der Hirntod als maßgeblich für den Todeszeitpunkt. Sowohl medizinisch-wissenschaftlich als auch juristisch ist der Tod des Menschen eingetreten.

Der Funktionsausfall einer vitalen Funktion als auslösendes Ereignis für den Sterbeprozess kann durch eine Vielzahl von Ursachen hervorgerufen werden. Dazu zählen etwa ein akutes Ereignis, wie beispielsweise eine tödliche Schussverletzung oder eine tödliche Explosionswirkung, oder eine vorhersehbare krankheitsbedingte Ursache. Es wird davon ausgegangen, dass möglicherweise erfolgte Wiederbelebungsmaßnahmen nicht erfolgreich sind.

Das auslösende Ereignis setzt eine biologische Kettenreaktion in Gang, die zum Hirntod führt. Der Einfachheit halber wird zum Zeck einer kurzen Beschreibung dieser Kettenreaktion davon ausgegangen, dass das Herz-Kreislauf-System als vitale Funktion versagt.

Biologische Kettenreaktion

Das Herz, der „Motor“ des Blutkreislaufs, hört auf zu schlagen. Als Folge davon bricht der Blutkreislauf zusammen. Das Herz kann kein frisches Blut mehr durch den Körper pumpen. Deshalb kann der Körper mit seinen Organen, dem Gewebe und allen seinen Zellen nicht mehr ausreichend mit Sauerstoff, Nährstoffen, Vitaminen, Mineralien, Botenstoffen und anderen wichtigen Substanzen versorgt werden.

Normalerweise pumpt das Herz mit seinem Muskel pro Tag bis zu 10 000 Liter Blut durch die Blutgefäße. Etwa 13 % der Blutmenge gelangen ins Gehirn, das auf eine regelmäßige Sauerstoffversorgung angewiesen ist. Der besonders aktive Stoffwechsel im Gehirn und seine geringe Kapazität, Energie zu speichern, machen es besonders anfällig für jegliche Unterbrechung der Sauerstoff- und Nährstoffzufuhr. Kommt es aufgrund eines Herzstillstands zu einem Sauerstoffmangel, sterben die Nervenzellen im Gehirn schnell ab. Sie können nicht durch neue Zellen ersetzt werden.

Die Großhirnrinde als Sitz des Bewusstseins ist von einem Versorgungsversagen als erstes betroffen. Dieses kann noch vor dem Eintreten der Bewusstlosigkeit zu Bewusstseinsveränderungen, Halluzinationen oder sensorischen Ausfällen führen. Auch die Eigenwahrnehmung kann betroffen sein.

Der Scheitellappen in der Großhirnrinde hat unter anderem eine Art Verortungsfunktion, Der Mensch nimmt den Körper dort wahr, wo er ist – im Raum. Er bewirkt auch das Bewusstsein, dass man sich im Körper befindet. Ist diese Verortungsfunktion gestört, kann es beispielsweise zur Wahrnehmung eines Schwebegefühls kommen.

Ein Sauerstoffmangel im Gehirn führt schon nach etwa 10-20 Sekunden zur Bewusstlosigkeit. Auf dem Elektroenzephalogramm (EEG) ist die Null-Linie erreicht. Nervenzellen beginnen nach drei bis fünf Minuten zu sterben. Unwiderrufliche Schädigungen können somit schon nach etwa fünf Minuten eintreten. Nach etwa zehn Minuten ohne Sauerstoff stirbt das Gehirn endgültig. Mit dem Absterben der Großhirnrinde erlischt das Bewusstsein. Sämtliche kognitiven Fähigkeiten sind unwiderruflich verloren. Bewusstsein ist an Hirnaktivität gebunden. Auch die Fähigkeit zum selbstständigen Atmen ist endgültig nicht mehr gegeben. Im EEG sind keine Hirnströme mehr messbar (sog. Null-Linien-EEG).

Andere Organe, wie beispielsweise Herz und Nieren, können deutlich länger ohne regelmäßige Sauerstoffversorgung auskommen. Das Herz kann etwa 20-30 Minuten überleben, eine Niere etwa zwei Stunden. Maßgeblich für die Beurteilung, ob ein Mensch tot ist, ist die Feststellung des unumkehrbaren Ausfalls der gesamten Hirnfunktionen. Vom Hirnstamm bis zur Großhirnrinde müssen alle Funktionen des Gehirns erloschen sein.

Obwohl der Hirntod eingetreten ist, können Körperfunktionen dank künstlicher Beatmung weiterhin in Gang gehalten werden. So können beispielsweise hirntote Frauen Kinder gebären. Insbesondere für die Transplantationsmedizin ist die Möglichkeit der künstlichen Beatmung zur Sauerstoffversorgung menschlicher Organe entscheidend wichtig.

Der Hirntod ist in der Konsequenz nicht (mehr) identisch mit dem biologischen Tod. Dieser kann längere Zeit, sogar bis zu mehreren Jahren, nach dem Hirntod eintreten. Voraussetzung dafür, dass der biologische Tod verzögert werden kann, ist der Einsatz spezieller medizinischer Gerätschaften. Ein hirntoter Mensch wird gewissermaßen zu einer Biomaschine.

Hirnströme während des Sterbens

Eine im Februar 2022 im Fachmagazin „Frontiers“ veröffentlichte Studie konnte zeigen, dass während des Sterbens im Gehirn ein Prozess abläuft. Bei der Auswertung von Gehirn-Scans zeigten sich auffällige Hirnströme. Es traten rhythmische Hirnwellenmuster auf, die jenen ähnelten, die während des Träumens, des Abrufens von Erinnerungen und der Meditation festzustellen sind.

Möglicherweise spielt das Gehirn eine Art „Film des Lebens“ mit Erinnerungen an wichtige Lebensereignisse ab. Diese im Hippocampus, dem Arbeitsspeicher des Gehirns und gleichzeitig Schaltstelle zwischen Kurz- und Langzeitgedächtnis, gespeicherten Erinnerungen, werden abgerufen und mit einer gewissen Selektions- und Kreativleistung zu einem „Film“ zusammengefügt. Dies muss jedoch Vermutung bleiben, da diese Eindrücke nur vom Betroffenen subjektiv erlebt werden, im Fall des tatsächlich eintretenden Todes nicht (mehr) kommuniziert werden können, und von außen lediglich als Hirnströme beobachtbar und messbar sind.

In den ersten dreißig Sekunden nach einem Herzstillstand werden enorme Mengen des Hormons Noradrenalin ausgeschüttet. Im Stirnlappen wird dadurch die Aufmerksamkeit deutlich gesteigert. Außerdem wird das Hormon Serotonin, gleichzeitig auch Neurotransmitter (Botenstoff), ausgeschüttet, das möglicherweise Trugbilder und das Gefühl mystischer Wahrnehmung verursacht. Schließlich wird im Mittelhirn das Hormon Dopamin, ebenfalls zugleich ein Neurotransmitter, freigesetzt. Dopamin, landläufig auch als „Belohnungshormon“ bezeichnet, hebt die Stimmung und löst ein Gefühl der Wärme aus.

Nahtoderlebnisse

Die erhöhte Aktivität im Gehirn könnte erklären, weshalb viele Menschen mit Nahtoderlebnissen diese Erlebnisse und Erfahrungen als sehr real beschrieben. Allerdings kann sie keine hinreichende Erklärung dafür liefern, dass manche Menschen mit einer Nahtoderfahrung beschreiben konnten, was um sie herum geschah.

Im Oktober 2003 berichtete „Der Spiegel“ (Spiegel Online, Visionen vom Rand des Jenseits, 17.10.2003) über das Nahtoderlebnis eines 44-jährigen bewusstlos, ohne Herzschlag und Hirnaktivität ins Krankenhaus eingelieferten Mannes.

Die Ärzte begannen sofort mit Herzmassage und Stromstößen. Eine Krankenschwester nahm dem Mann sein künstliches Gebiss aus dem Mund, um einen Luftschlauch einzuführen. Erst nach eineinhalb Stunden war der Patient stabilisiert und wurde, noch immer ohne Bewusstsein, auf die Intensivstation gebracht.

Eine Woche später sah die Pflegerin den Mann wieder – und wurde vergnügt begrüßt: „Da ist ja die Schwester, die weiß, wo mein Gebiss ist.“ Anschließend bekam die verdatterte Frau wahrheitsgetreu zu hören, in welche Schublade sie die Zähne gesteckt hatte, was die Ärzte während der Wiederbelebung getan hatten und wie der Raum in der Notaufnahme aussieht – weil der Patient, wie er sagte, alles von oben beobachtet hatte.

Möglicherweise verzögerte die geringe Menge Blut, die während der Wiederbelebungsmaßnahmen das Gehirn noch erreichte, den Tod mancher Zellen im Gehirn.

Das kurz beschriebene Nahtoderlebnis ist beileibe kein Einzelfall. Manche der Menschen mit einer Nahtoderfahrung konnten durchaus später noch beschreiben, was sie während der Wiederbelebungsmaßnahmen wahrnahmen. Sie konnten wiedergeben, was um sie herum geschah, was medizinisches Fachpersonal unternahm und was miteinander besprochen wurde. Über diese Dinge hätten sie nicht Bescheid wissen können. Durch neurologische Prozesse ließen sich diese Phänomene jedenfalls nicht erklären. Das Prinzip, dass Bewusstsein an Hirnaktivität gebunden ist, ist faktisch invalidiert. Bei einem Null-Linien-EEG dürfte das Bewusstsein nichts mehr registrieren.

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Das Bewusstsein im Sterbeprozess

In der Konsequenz stellt sich die Frage, ob das Bewusstsein eine eigenständige Substanzialität aufweist und unabhängig vom Gehirn funktionieren kann. Dass diese Substanzialität des Bewusstseins mit den heutigen Messinstrumenten nicht messbar ist, kann nicht als Nachweis für deren Nichtexistenz gelten. Es lässt sich schlicht argumentieren, dass eben dafür noch keine geeigneten Messinstrumente existieren.

In der Historie gibt es genügend Beispiele von Phänomenen, die erst mit der Erfindung geeigneter Messverfahren und Messinstrumente objektiv gemessen werden konnten. Ein Beispiel dafür ist die Gammastrahlung. Wohl niemand würde ernsthaft behaupten wollen, dass es die Gammastrahlung vor ihrer Entdeckung im Jahr 1900 noch nicht gab. Sie war lediglich nicht experimentell nachweisbar und messbar.

Die Antwort auf die Frage nach der Substanzialität des Bewusstseins hat enorme Konsequenzen. Wenn dem Bewusstsein eine eigenständige Substanzialität abgesprochen wird, kann es eine Weiterexistenz nach dem Hirntod nicht geben. Damit wäre auch allen Religionen, zu deren Kerninhalt die Substanzialität des Bewusstseins gehört, der Boden entzogen. Eine Reinkarnation, wie von Hinduismus und Buddhismus angenommen, wäre ausgeschlossen. Ebenso wenig wäre eine Weiterexistenz in einem Jenseits, wie von den monotheistischen Religionen (dem Judentum, dem Christentum und dem Islam) postuliert, denkbar.

Ferner würden auch sämtliche Nahtoderlebnisse, bei denen nachträglich verifizierbare Fakten berichtet wurden, für pure Hirngespinste erklärt. Die von den Betroffenen während eines Null-Linien-EEGs wahrgenommenen Handlungen und Gespräche konnten jedoch vom Bewusstsein nur dann registriert werden, wenn das Bewusstsein nicht an Hirnaktivität gebunden ist. Es erschiene als anmaßend, mittlerweile von Tausenden von Menschen berichtete derartige Nahtoderlebnisse zu ignorieren, wenn sie andererseits nicht objektiv ausgeschlossen werden können.

Wird jedoch dem Bewusstsein eine eigenständige Substanzialität, in welcher Form auch immer, zugesprochen, stellt sich eine weitere durchaus provozierende Frage: Ist das Gehirn Produzent oder ist es Erfüllungsgehilfe? Mit anderen Worten: Hat das Gehirn ein Bewusstsein oder hat das Bewusstsein ein Gehirn?

Ich bin Dieter Jenz, Begleiter, Berater und Coach mit Leidenschaft. Über viele Jahre hinweg habe ich einen reichen Schatz an Kompetenz und Erfahrung erworben. Meine Themen sind die "4L": Lebensaufgabe, Lebensplanung, Lebensnavigation und Lebensqualität.