Das Selbstwertgefühl stärken und schützen – aktiv und wirkungsvoll. Ein Vorgehen, das Freude macht und schon nach kurzer Zeit Erfolge mit sich bringt.
Inhalte:
Gibt es ein Betriebshandbuch?
In jedem konventionellen Kraftwerk gibt es ein Betriebshandbuch. Darin sind alle wichtigen Maßnahmen beschrieben, die für dessen Betrieb erforderlich sind. Unter anderem ist beschrieben, wie das Kraftwerk hoch- und heruntergefahren wird, wie es gesteuert wird, und wie auf Störungen zu reagieren ist.
Für den Menschen gibt es natürlich kein Betriebshandbuch. Dennoch wissen wir, was für den „Betrieb“ des physischen Körpers wichtig ist. Wir wissen beispielsweise, dass der Körper eine regelmäßige und ausreichende Flüssigkeitszufuhr benötigt. Und wir wissen auch, dass es zu schwerwiegenden Störungen, wie beispielsweise Delirzuständen, kommen kann, wenn der Körper zu lange ohne Flüssigkeitszufuhr bleibt. Dieses Wissen ist im Gehirn gespeichert.
Wie steht es um die Psyche, das System des menschlichen Wahrnehmens und Denkens? Auch hier fehlt es nicht an Wissen, was für die psychische Gesundheit wichtig ist. Wir wissen beispielsweise, dass Dankbarkeit wichtig ist. Dankbare Menschen haben im Allgemeinen ein höheres Selbstwertgefühl und eine optimistische Grundhaltung. Nicht zuletzt können dankbare Menschen besser mit Stress umgehen.
Das innere Kraftwerk ist ein imaginäres Kraftwerk. Der Begriff „inneres Kraftwerk“ kommt weder in der psychologischen noch der psychiatrischen Fachliteratur vor. Das innere Kraftwerk wird an dieser Stelle als eine imaginäre im Gehirn verortete Instanz verstanden, in der Gedankenenergie umgewandelt wird. Dort können im Allgemeinen Gedanken, die der psychischen Gesundheit schaden, in Gedanken umgewandelt werden, die der psychischen Gesundheit zuträglich sind. Im Besonderen können Gedanken, die dem Selbstwertgefühl schaden, in Gedanken umgewandelt werden, die das Selbstwertgefühl stärken und schützen.
Im Folgenden wird für dieses imaginäre innere Kraftwerk ein „Betriebshandbuch“ skizziert. Dieses beschreibt, wie das innere Kraftwerk gesteuert wird, um das Selbstwertgefühl zu stärken und zu schützen. Es beschreibt außerdem, wie auf Störeinflüsse, wie beispielsweise Selbstwertkränkungen, reagiert werden kann.




Wie arbeitet das innere Kraftwerk?
Steuerung und Kontrolle eines konventionellen Kraftwerks erfolgen mit Hilfe eines Leitstands. An diesen Leitstand werden Signale und Messwerte der verschiedensten Systeme (z. B. Generator) per Kabel oder Funk übertragen und für die Leitstand-Bediener aufbereitet und dargestellt, beispielsweise auf Monitoren, Analog- und Digitalanzeigen. Die Bediener sollen alles im Blick haben und auch alle Befehlselemente (z. B. Schalter) sollen leicht zugänglich sein. Bediener als Fachkräfte interpretieren die auf unterschiedliche Weise dargestellten Daten und nutzen sie zur Steuerung und Kontrolle des Kraftwerks.
Der imaginäre Leitstand des inneren Kraftwerks funktioniert völlig anders. Er befindet im Gehirn. Die Eingangssignale werden über das Bewusstsein gemeldet. Steuerung und Kontrolle erfolgen über das Denken.
Energiezufluss sicherstellen
Die vom inneren Kraftwerk benötigten Energiequellen (bedingungslose Würde, soziale Wertigkeit und Bedeutung, eigene Fähigkeiten und Kompetenzen) sind bereits vorhanden. Dies bedeutet allerdings noch nicht, dass diese auch bewusst sind. Was nützen Energiequellen, wenn man sich ihrer nicht bewusst ist?
Es bietet sich an, das Bewusstmachen zum Teil der täglichen Morgenroutine zu machen. Mit dem Aufwachen wird das innere Kraftwerk gewissermaßen aus dem Standby-Betrieb in den Produktivbetrieb versetzt.
Wenn ein System von einem Zustand zu einem anderen wechselt, laufen in der Regel diverse Prüfungen ab. Wird beispielsweise ein Auto gestartet wird, wird u. a. geprüft, ob Batteriespannung und Öldruck ausreichen. Ist dies nicht der Fall, wird darauf über einen Anzeigetext oder eine Anzeigeleuchte hingewiesen. Besitzer oder Eigentümer müssen dann entscheiden, wie auf das Problem reagiert wird.
Im übertragenen Sinn werden während der täglichen Morgenroutine die folgenden Energiequellen geprüft:
- Das Bewusstsein bedingungsloser Würde,
- Das Bewusstsein sozialer Wertigkeit und Bedeutung,
- Das Bewusstsein der individuellen Fähigkeiten und Kompetenzen.
Jetzt muss allerdings darauf geachtet werden, dass die ungehinderte Energiezufuhr sichergestellt ist. Um ein besseres Bild zu gewinnen, was gemeint ist, ist es hilfreich, sich in den Gedanken einen imaginären Leitstand vorzustellen. Auf diesem Leitstand befinden sich visuelle Anzeigen.
Angenommen, für jede dieser Energiequellen gäbe es eine visuelle Anzeige in Form einer Darstellung mit den Farben „rot“ und „grün“. „Rot“ würde bedeuten, dass das man sich der jeweiligen Energiequelle nicht bewusst ist, „grün“, dass man sich ihrer bewusst ist.
Bei „grün“ ist das „Ich habe“ bzw. „Ich verfüge über“ bewusst, beispielsweise als „Ich habe Würde“. Ein Gefühl von Dankbarkeit stellt sich ein.
Bei „rot“ gibt es Handlungsbedarf, um die Störung zu beseitigen und den Energiezufluss sicherzustellen.
Energie umwandeln
In einem konventionellen Kraftwerk übernimmt ein Generator die Umwandlung von einer Energieform in eine andere, typischerweise von Bewegungsenergie (mechanische Energie) in elektrische Energie. Bei einem Gasturbinen-Kraftwerk, als Beispiel, wird die Energie des Brenngases direkt in einer Verbrennungskraftmaschine in mechanische Antriebsenergie umgewandelt. Anschließend wird die Bewegungsenergie mittels eines angekoppelten Generators in elektrische Energie umgewandelt.
Auch das menschliche Gehirn lässt sich im weitesten Sinne mit einem Generator vergleichen. Die Hauptenergiequelle des Gehirns ist Glukose.Nervenzellen (Neuronen) haben einen hohen Energiebedarf und benötigen eine kontinuierliche Zufuhr von Glukose aus dem Blut. Diese Energiezufuhr versetzt das Gehirn in die Lage, lebenswichtige Abläufe im Körper zu steuern und zu kontrollieren.
Im übertragenen Sinne und auf das imaginäre innere Kraftwerk bezogen, verwertet das Gehirn die aus den bereits erwähnten Energiequellen (Würde, soziale Wertigkeit und Bedeutung, Fähigkeiten und Kompetenzen) zugeführte Energie und wandelt sie, bildlich ausgedrückt, in Wahrnehmungen um und macht diese bewusst. Konkreter ausgedrückt: Würde, soziale Wertigkeit und Bedeutung, Fähigkeiten und Kompetenzen, werden bewusst als Ressourcen wahrgenommen.
Im Unterschied zu einem konventionellen Kraftwerk wird jedoch nicht die aus den Energiequellen zugeführte Energie umgewandelt, sondern Gedanken. Alle unsere Gedanken entstehen im Gehirn, die meisten davon im Großhirn. Vereinfacht ausgedrückt, entsteht ein Gedanke aus der Interaktion mit dem physischen Körper und der Umwelt.
Angenommen, ein Arbeitnehmer wird von seinem Vorgesetzten während einer Abteilungsbesprechung als unfähig beschimpft. Dadurch wird beim betroffenen Mitarbeiter der Gedanke „Ich fühle mich gedemütigt“ oder ähnlich ausgelöst. Eine derartige Demütigung wird in einem inneren Bewertungsprozess als Kränkung empfunden und trifft auch das Selbstwertgefühl. Außerdem ist auch das Bedürfnis nach Anerkennung und Wertschätzung betroffen.
Kränkungen werden sehr subjektiv und individuell empfunden. Während der eine mit einem schwach ausgeprägten Selbstwertgefühl belastende Gefühle, wie etwa Wut, Scham, Traurigkeit oder Angst erlebt, reagiert der andere mit einem stark ausgeprägten Selbstwertgefühl völlig anders. Vielleicht schüttelt er nur den Kopf und lässt die Kränkung an sich gewissermaßen abperlen.
Im imaginären inneren Kraftwerk wirken die drei genannten Energiequellen auf das Denken. Sie bringen eine andere Perspektive ins Spiel. In der Konsequenz fällt es wesentlich leichter, durch das Denken das Selbstwertgefühl zu stärken und zu schützen.
Das Denken – lebensprägend und lebensentscheidend
Schon der römische Kaiser und Philosoph Marc Aurel (121-180 n. Chr.) drückte es recht anschaulich aus: „Unser Leben ist das, wozu unser Denken es macht.“ Das Zitat wird gelegentlich auch etwas abgewandelt wiedergegeben: „Unser Leben ist was unsere Gedanken daraus machen“, „Unser Leben ist das, wozu es unsere Gedanken machen“, oder auch „Unser Leben ist das Produkt unserer Gedanken“. Die Hirnforschung bestätigt diese Aussagen. Das Gehirn ist keine fest verdrahtete „Maschine“. Auch Intelligenz ist nicht für das Leben festgelegt. Sie kann gesteigert werden, andererseits aber auch nachlassen, wenn man nicht für sich sorgt.
„Unser Leben ist das, wozu unser Denken es macht.“
Marc Aurel
Viele Gedanken, die uns täglich beschäftigen, haben einen eher negativen Charakter. Mehrere Untersuchungen hatten zum Ziel herauszufinden, welcher Anteil unserer Gedanken negativ oder zum Teil negativ sind. Diese Untersuchungen kamen zu unterschiedlichen Ergebnissen. Die Vermutung, dass rund 70% unserer Gedanken negativ oder zum Teil negativ sind, wobei sogar 85% dieser Gedanken vom Vortag wiederholt werden, dürfte nicht fernab der Realität liegen.
Wir sind keineswegs das Opfer unserer Gedanken, sondern wir können sie aktiv steuern und kontrollieren. Deshalb sind wir auch für unser Denken uneingeschränkt verantwortlich. Dies bedeutet auch: Wenn wir vorwiegend negativ denken, können wir niemanden beschuldigen. Wir selbst haben es in der Hand, unser Denken zu verändern.
Im Hinblick auf unser Selbstwertgefühl können wir sinngemäß ähnliche Schlüsse ziehen: Wenn wir uns minderwertig fühlen, geben wir dazu unsere Einwilligung. Eleanor Roosevelt, US-amerikanische Menschenrechtsaktivistin und Diplomatin, drückte es so aus: „Niemand kann dich ohne deine Einwilligung dazu bringen, dich minderwertig zu fühlen.“
Durch unser Denken können wir unsere Gewohnheiten beeinflussen, die sich in Denk- und Verhaltensmustern manifestieren. Mit unseren Denkmustern drücken wir das gewohnheitsmäßige Denken über uns selbst, unsere Umwelt und auch unsere Zukunft aus. Ein vorwiegend negatives Denkmuster über sich selbst kann zu Wahrnehmungsverzerrungen führen, d. h. das Selbstbild bzw. die Selbstwahrnehmung entspricht nicht der Realität. Auch unsere Verhaltensmuster spiegeln wider, wie wir uns bei bestimmten Reizen verhalten. Kann man beispielsweise widerstehen, wenn man gerne Chips isst und eine Tüte mit Chips vor einem liegt, obwohl bekannt ist, dass Chips nicht gerade zu den gesunden Nahrungsmitteln zählen?
Auch dem Selbstwertgefühl unterliegt ein Denkmuster. Der erste Schritt, das Selbstwertgefühl zu stärken, besteht folglich darin, ein Bewusstsein für seine Denkmuster im Alltag zu entwickeln. Im zweiten Schritt stellt sich dann die Frage, ob man sein Denken über sich selbst verändern möchte.
Das Selbstwertgefühl zu stärken bedeutet, neue Denkgewohnheiten zu entwickeln. Dies benötigt Zeit, Geduld, Ausdauer und nicht zuletzt Disziplin. Im günstigsten Fall dauert es drei Wochen, um einen Gedanken nachhaltig durch einen anderen zu ersetzen. Es ist definitiv möglich, mit dem imaginären inneren Kraftwerk durch sein Denken Wirkung zu erzeugen.