Freundschaft mit sich selbst pflegen – lebenslangLesezeit: 9 Min.

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Die Freundschaft mit sich selbst pflegen – warum eigentlich nicht? Freundschaft ist etwas sehr Kostbares und bereichert das Leben ungemein.

Inhalte:

Was ist die längste Beziehung des Lebens?

Die längste Beziehung im Leben ist die Beziehung mit sich selbst. Sie überspannt die gesamte Lebenszeit, von der Geburt bis zum Tod. Natürlich lässt sich argumentieren, dass man sich an Erlebnisse und Ereignisse nur bis zum Kleinkindalter erinnern kann. Auch das Entdecken des „Ich“ lässt sich bei Kindern im Allgemeinen erst im dritten Lebensjahr wahrnehmen. Dies ändert jedoch nichts an der Tatsache, dass man mit sich selbst die meiste Zeit des Lebens verbringt.

Wie gestaltet man diese Lebenszeit? Es könnten ja vielleicht 90 Jahre oder sogar noch mehr werden. Und selbst wenn es nicht so viele Jahre werden – irgendwann stellt sich die Frage, wie man diese Jahre mit sich selbst verbringt. Will man sie unterdrücken oder eine Antwort finden?

Im Wesentlichen gibt es zwei Möglichkeiten: man arrangiert sich notgedrungen mit sich selbst oder man wird sich selbst zum Freund. Eine „Neutralposition“ gibt es nicht. Sie würde Gleichgültigkeit gegenüber sich selbst ausdrücken. Weil man sich selbst gegenüber nicht gleichgültig sein kann, jedenfalls nicht auf Dauer, scheidet diese Möglichkeit aus.

Die erstgenannte Möglichkeit führt dazu, dass man mit sich selbst zusammen ist, weil es halt nicht anders geht, es sich nicht vermeiden lässt. Freundinnen und Freunde kann man sich aussuchen, doch sich selbst konnte man sich nicht aussuchen. Nun muss man sich eben für den Rest des Lebens irgendwie mit sich selbst arrangieren. Sich ständig mit sich arrangieren zu müssen ist allerdings eine ziemlich freudlose Angelegenheit.

Eine wesentlich vielversprechendere Alternative besteht darin, zu versuchen, das Beste aus den Jahren des „Zusammenlebens“ herauszuholen. Das Leben soll schließlich Freude bereiten und man möchte im Leben Glück und Zufriedenheit erleben.

Mit wem schließt man Freundschaft?

Unter einer Freundschaft wird ein auf gegenseitiger Zuneigung beruhendes Verhältnis von Menschen zueinander verstanden, das sich durch Sympathie und Vertrauen auszeichnet. Wenn man mit sich selbst Freundschaft schließt, bezieht sich das auf Zuneigung beruhende Verhältnis auf die innere Person.

Die innere Person, näherungsweise auch als menschliches Innenleben verstanden, ist durch Pluralität gekennzeichnet. In den so ganz unterschiedlichen Situationen des Lebens melden sich ebenso unterschiedliche innere Stimmen. Hat man sich beispielsweise in einer Situation fahrlässig verhalten und einen wertvollen zerbrechlichen Gegenstand auf den Boden fallen lassen, meldet sich sehr wahrscheinlich eine innere Stimme als innerer Kritiker, etwa so: „Warum hast du nicht aufgepasst? Sieh mal, was du angerichtet hast!“

Die vielen inneren Stimmen äußern sich, vereinfacht ausgedrückt, in einer Art „innerer Gesprächsrunde“. Der innere Freund ist gewissermaßen Mitglied dieser inneren Gesprächsrunde bzw. des inneren Teams, genauso wie auch der im vorhergehenden Beispiel genannte innere Kritiker.

Die Freundschaft mit sich selbst ist in der Konsequenz das Hören auf den inneren Freund. Der innere Freund meldet sich im inneren Team als wohlwollende, ermutigende, mitfühlende innere Stimme.

Leider hat der innere Freund im inneren Team keine freie Bahn. Er hat Gegenspieler, beispielsweise den „Miesmacher“ oder wie immer man diese innere Stimme bezeichnen will. Der Miesmacher behauptet nur Negatives, setzt herab, etwa so: „Du bist unvollkommen, chronisch unzureichend, unzulänglich. Und mit so einem Menschen, der du nun mal bist, willst du befreundet sein? Im Ernst?“

Wenn man Freundschaft mit sich selbst schließt, hat dies zur Folge, dass man die Realität anerkennt. Ja, man ist chronisch unvollkommen, trotzdem schließt man mit diesem unvollkommenen Menschen willentlich Freundschaft: „Ich bin mit mir selbst als unvollkommener Mensch befreundet“. Man akzeptiert sich selbst als unvollkommener Mensch.

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Wie wirkt sich die Freundschaft mit sich selbst aus?

Im realen Leben geht man mit einem Freund wohlwollend um, auch in Zeiten, wenn es nicht so gut läuft. Wohl jeder hat schon erlebt, dass ein Freund eine Verabredung verpasste, schlecht gelaunt war, sich im Ton vergriff oder … Mit einem Freund geht man im Allgemeinen sogar nachsichtiger um als mit sich selbst.

Einem Freund verzeiht man gerne, denn man weiß, dass auch der Freund einem gerne verzeiht. Freunde tragen einander in schwierigen Zeiten. Freunde investieren Zeit in ihre Beziehung. Ihnen ist die Beziehung selbst wichtig, nicht irgendwelche materiellen Vorteile, die durch eine Beziehung erreichbar sind.

Wenn man mit Freunden wohlwollend umgeht, darf man auch mit sich selbst wohlwollend umgehen. Dann darf man sich selbst so behandeln, wie man von einem guten Freund behandelt werden möchte. Aber wie möchte man konkret von einem guten Freund behandelt werden?

Ein guter Freund, aus der Ich-Perspektive betrachtet,

  • Akzeptiert mich, so wie ich bin, mit allen Unzulänglichkeiten,
  • Hält die Freundschaft mit mir für so wertvoll, dass er dazu bereit ist, mir etwas von seiner wertvollen Lebenszeit zu schenken,
  • Ist für mich da, wenn ich ihn brauche,
  • Lässt mich nicht im Stich, wenn ich Probleme habe,
  • Hilft mir, wo immer ihm dies möglich ist, und macht mir Mut,
  • Ermutigt mich, Neues zu wagen, mich auszuprobieren,
  • Nimmt mich ernst und respektiert mich und mein Handeln, auch wenn es nicht seinen eigenen Maßstäben entspricht,
  • Richtet mich auf, oder versucht es zumindest, wenn ich am Boden bin,
  • Ist offen und ehrlich zu mir,
  • Lässt mich nicht einfach fallen, wenn ich Fehler mache,
  • Hat Geduld mit mir, wenn ich mich aus seiner Sicht gerade nicht so verhalte bzw. nicht so bin, wie er sich das wünscht,
  • Ist bereit, mir zu verzeihen, wenn ich ihn durch meine Worte oder mein Handeln verletzt habe,
  • Interessiert sich für mich als Person, hat keine materiellen oder sonstigen Nutzenaspekte für sich im Blick.

Kurzum: Wenn man die Freundschaft mit sich selbst pflegt, dann verhält man sich selbst gegenüber so, wie man es sich von seinem besten Freund wünscht. Hat man gerade keinen besten Freund, tritt ein imaginierter bester Freund an dessen Stelle.

Kann die Freundschaft auch in schwierigen Zeiten durchhalten?

Leider ist es nicht immer so einfach, sich selbst ein Freund zu sein. Es kann im Leben durchaus zu Situationen kommen, in denen man die Freundschaft mit sich selbst – sofern sie schon bestanden hat -, aufkündigen will oder kurz davorsteht.

Jan (Name geändert) fügte seiner damaligen Freundin schweres seelisches Leid zu. Als ihm bewusstwurde, was er ihr angetan hatte, entschuldigte er sich bei ihr. Er selbst kam jedoch nicht darüber hinweg, dass er gehandelt hatte wie er gehandelt hatte. Schließlich hatte er nicht nur bei seiner Ex-Freundin eine Grenze überschritten, sondern auch bei sich selbst. Auch sich selbst hatte er, bildlich ausgedrückt, eine tiefe Wunde zugefügt. Die eigene seelische Verletzung, verbunden mit Scham, machte ihm sehr zu schaffen. Noch Jahre später war er in Selbstanklage gefangen. Sie belastete sein Leben.

Die seelische Verletzung bei seiner Ex-Freundin konnte Jan nicht mehr ungeschehen machen, die sich selbst zugefügte auch nicht. Die Vergangenheit lässt sich schließlich nicht mehr ändern. Der einzige Weg führt zu Vergebung. Auch Vergebung macht ein Ereignis nicht ungeschehen, doch sie entlastet. Schuld wird zwar nicht vergessen, jedoch nicht mehr vorgehalten.

Es gibt kein Anrecht auf Vergebung. Man kann sie nicht einfordern, mit keinem Geld der Welt erkaufen, sondern nur erbitten. Vergebung ist letztlich ein Geschenk, ein Akt der Gnade.

Der innere Freund plädiert für Vergebung sich selbst gegenüber. So musste sich Jan entscheiden, auf welche innere Stimme er hören wollte. Im inneren Dialog der Stimmen sagte der innere Ankläger vielleicht: „Du hast dich derart unmöglich verhalten! Deshalb hast du es auch verdient, dass du dir das dein weiteres Leben lang vorhältst und leidest!“ Der innere Freund hielt ihm vielleicht entgegen: „Ja, stimmt, du hast dich unmöglich verhalten. Du darfst dir aber selbst vergeben. Und auch wenn es in Zukunft immer mal wieder hochkommen wird, darfst du dich daran erinnern, dass du dir vergeben hast. Du brauchst es dir nicht mehr vorhalten und musst nicht mehr darunter leiden!“

Nicht nur seine Ex-Freundin konnte ihm vergeben, sondern auch er sich selbst. Selbstvergebung (siehe auch „Selbstvergebung? Unbedingt!“) konnte ihm auf seinem Weg der inneren Heilung helfen. Und sie konnte ihm auch dabei helfen, der Stimme des inneren Freundes wieder viel mehr Raum zu geben.

Wie würde man selbst mit seinem besten Freund umgehen?

Angenommen, man wäre im realen Leben Jans bester Freund. Außerdem angenommen, Jan hätte vertrauensvoll und ungeschminkt erzählt, was er seiner Ex-Freundin angetan hatte. Wie würde man als sein bester Freund mit ihm umgehen?

Eine Möglichkeit wäre, ihm zu sagen: „Was bist du doch für ein Kotzbrocken! Wie kann man sich nur so unmöglich verhalten wie du es getan hast? Ich hätte nie gedacht, dass du zu so etwas fähig bist! In deiner Lage kann ich dir nicht beistehen …“ Würde man auf dieser Linie mit ihm reden?

Der Gegenpol dazu wäre: „Ich nehme wahr, dass du selbst über dich erschrocken bist und dich für dein Verhalten schämst. Das bedeutet aber nicht, dass du ein schlechter Mensch bist! …“ Man würde nichts beschönigen oder gar entschuldigen – und man würde auch nicht verurteilen. Vielmehr ginge es darum, Jan dabei zu helfen, wieder zur Freundschaft mit sich selbst zu finden.

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Was sind die positiven Folgen der Freundschaft mit sich selbst?

In einer Freundschaft darf man die Person sein, die man ist. Der Freund akzeptiert einen mit seinen Grenzen. Einem Freund muss man nichts vorspielen und dem inneren Freund auch nicht.

Die Freundschaft mit sich selbst schützt das Selbstwertgefühl. Wenn man sich selbst kein Freund sein kann, neigt man zu ständiger Selbstabwertung. Die Selbstfürsorge, bei der es darum geht, die eigenen Bedürfnisse zu kennen und zu achten, liebevoll mit sich selbst umzugehen, wird vernachlässigt. Wer jedoch gut für sich sorgt, stärkt und schützt das Selbstwertgefühl.

Auch Mitmenschen spüren etwas davon, wenn man die Freundschaft mit sich selbst pflegt, nachsichtig und liebevoll mit sich selbst umgeht. Einstellung und Haltung gegenüber sich selbst färben auf die Mitmenschen ab. Mit anderen Worten: Ist man gut zu sich selbst, wird man auch eher gut zu anderen Menschen sein.

Weiterführende Fragen

  • Was hindert mich daran, Freundschaft mit mir selbst zu pflegen?
  • Wie kostbar ist für mich die Freundschaft mit mir selbst?
  • Welche Einstellungen müssen sich bei mir verändern, damit ich selbst mein bester Freund sein kann?

Ich bin Dieter Jenz, Begleiter, Berater und Coach mit Leidenschaft. Über viele Jahre hinweg habe ich einen reichen Schatz an Kompetenz und Erfahrung erworben. Meine Themen sind die "4L": Lebensaufgabe, Lebensplanung, Lebensnavigation und Lebensqualität.