Was lässt sich über einen Schöpfer und sein Wesen erschließen?Lesezeit: 12 Min.

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Was lässt sich über einen Schöpfer und dessen Wesen erschließen? Schilderungen von Transzendenzerfahrungen geben dazu wichtige Hinweise.

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Was geschieht mit mir wenn ich sterbe - Gestaltung: privat

Dieser Beitrag ist Teil der Serie „Was geschieht mit mir wenn ich sterbe?
Grobes Inhaltsverzeichnis

Die weit überwiegende Zahl anekdotischer Schilderungen erweckt den Eindruck, dass der extrauniversale Existenzraum, das Jenseits, ein „angenehmer“ Aufenthaltsort ist. Viele Menschen, die eine Nahtoderfahrung erlebten, wollten gerne im Jenseits bleiben, durften es jedoch nicht. Auch viele Schilderungen von Nachtodkontakten enthalten Bemerkungen, dass es Verstorbenen im Jenseits gut gehe. Beispielhaft seien zwei Schilderungen auszugsweise wiedergegeben.

Die Ärztin Mary C. Neal schildert in ihrem Buch „7 Botschaften des Himmels“, wie sie sich während ihrer Nahtoderfahrung auf einem Weg erlebte (S. 26 f.): „Der Weg glich einer physischen, durchaus soliden Oberfläche, verlief jedoch in der Mitte des Nichts. Seine undeutlichen Ränder wie auch der Raum darüber und darunter dehnten sich aus ins All. Ohne Anfang und Ende war dieser Weg unerklärlich schön. […] Als ich näher hinschaute, schien unser Weg aus sämtlichen Farben des Regenbogens zusammengesetzt zu sein – wie sogar einigen anderen, die ich nie zuvor gesehen hatte. Eine offenbar unendliche Vielfalt von Blumen spross zu beiden Seiten. […] Ich hatte das Gefühl, Teil der Schönheit zu sein, wie sie Teil meiner selbst war. All dies war umhüllt und durchdrungen von Gottes spürbarer, vollkommener, unerschütterlicher und umfassender Liebe. Es war eine größere Liebe, als ich sie je empfunden und begriffen hatte. Sogar jetzt lässt sich das Gefühl nicht in Worte übertragen. Ich wollte diesen Ort niemals verlassen.“

Im Buch „Trost aus dem Jenseits“ findet sich die Schilderung eines Nachtodkontakts von Daniel, dessen Frau Kathy an Krebs gestorben war (S. 296): „Am nächsten Tag war Kathys Beerdigung. Ich konnte überhaupt nicht fassen, was geschehen war. Als ich mich an jenem Abend schlafen legte, kehrte jene wunderbare Vision von Kathy wieder. Sie war immer heller, strahlender, so als bestünde ihr ganzer Körper nur noch aus Licht. Ich fragte sie, wie es im Himmel sei, und sie antwortete: »Ich bin so glücklich hier. Es gibt keine Schranken zwischen uns. Wir spüren mit deutlicher Klarheit unsere eigene Güte und die Güte, die wir für andere empfinden. Und diese Erfahrung vollkommener Güte in jedem einzelnen von uns lässt uns wachsen. Wir können viel besser erkennen, worin sich Güte zeigt, und wir erkennen noch größere Güte in anderen, denen wir begegnen. Ich kann es kaum erwarten, bis auch du diese Liebe und Freiheit kennenlernst!« Wir tauschten noch eine Weile unsere Gedanken aus, bevor ihr Bild wieder verblasste.

Liebe als zentrale Wirkmacht im Jenseits

Die aus den anekdotischen Schilderungen im Jenseits erkennbare zentrale Wirkmacht lässt sich im Allgemeinen mit „Liebe“ beschreiben. Die im Jenseits existierenden Wesen scheinen sich auf völlig andere Weise zu begegnen als im Diesseits, wo Hass, Gewalt, Mord, Betrug, Diebstahl, Missgunst und noch so viel mehr zur Lebenswirklichkeit gehören. Wie kann es beispielsweise geschehen, dass sich Menschen nach ihrem Tod als Geistwesen in einer völlig anderen Wirklichkeit wiederfinden, die von Liebe geprägt ist?

Eine mögliche These geht davon aus, dass ein individuelles Selbst mit der Migration in das Jenseits eine völlige, nicht aus sich selbst heraus gewollte, Wandlung durchläuft und gewissermaßen zwangsweise alle negativen Charaktereigenschaften ablegt. Eine gegensätzliche These basiert auf dem Gedanken, dass sich ein Mensch schon während seines Lebens im Diesseits bewusst für ein Leben „in der Liebe“ entscheidet. Er leidet an den negativen Seiten seines Charakters und auch unter den Verhältnissen im Diesseits. Mit der Migration in den extrauniversalen Existenzraum erlebt er gewissermaßen eine Befreiung und fühlt sich „zu Hause“.

Grundarten der Liebe

Da es sich bei „Liebe“ um einen mehrdeutigen Begriff handelt, ist eine Präzisierung erforderlich. Schon in der griechischen Philosophie wurden drei Begriffe, „eros“, „philia“ und „agape“, unterschieden. Diese Begriffe eignen sich als Ausgangspunkt, zumal sie in Philosophie und auch in der Religion verankert sind.

„Eros“ bezeichnet starkes Begehren oder Verlangen, das den Menschen wie eine übermenschliche Macht zu ergreifen scheint. Ein „erotisch“ Liebender erstrebt mit großer Heftigkeit, sein Liebesobjekt oder eine Verbindung mit diesem für sich zu erlangen. Das Objekt des Eros muss nicht unbedingt ein Mensch sein. Es ist durchaus möglich, sich mit „erotischer“ Leidenschaft beispielsweise politischen Ambitionen hinzugeben.

„Philia“ steht für eine Art der Liebe, bei der die freundschaftliche Beziehung zwischen Menschen im Vordergrund steht (gegenseitige Freundesliebe). Der griechische Philosoph Aristoteles bezeichnet die Freundschaft als vollkommen, in der die „philia“ der ganzen Person des Anderen gilt. Wenn der Andere Schönes und Gutes erlebt, freut man sich mit. Erfährt der Andere Schlechtes oder Übles, leidet man mit.

„Agape“ bezeichnet eine göttliche oder von Gott inspirierte uneigennützige und bedingungslose Liebe. Sie wendet sich einem Menschen mitfühlend und erwartungslos zu, um sein Wohl zu fördern. Da sie selbstlos ist, will sie nicht bei oder mit einem anderen Glück finden.

Als im Jenseits gelebte Formen der Liebe kommen den Schilderungen zufolge am Ehesten „philia“ (in der nach Aristoteles vollkommenen Form) und „agape“ infrage. Individuen scheinen keinerlei Absicht zu hegen, anderen in irgendeiner Weise Schaden zuzufügen, sie auszunutzen oder für eigene Zwecke zu instrumentalisieren.

Initiator der Liebe

Wer bestimmte bzw. bestimmt die Liebe zur zentralen Wirkmacht im Jenseits? Es kann sich nur um eine oder mehrere Personen handeln, da nur Personen absichtsvoll handeln können. Dass auch Tiere zu absichtsvollem Handeln in der Lage sind, wird nicht bestritten, hat jedoch für diese Untersuchung keine Bedeutung.

Wenn postuliert wird, dass sowohl der extrauniversale als auch der intrauniversale Existenzraum (das nicht beobachtbare und auch das beobachtbare Universum) nicht von selbst entstanden sind, sondern von einem Schöpfer erschaffen wurden, bleibt als Initiator der Liebe nur der Schöpfer. In weiterer Konsequenz muss Liebe zwingend zum Wesen des Schöpfers gehören.

Das Wesen des Schöpfers im religiösen Schrifttum

Wäre der Schöpfer weder zu „philia“ noch zu „agape“ fähig, wäre er sowohl den Bewohnern des Diesseits als auch jenen des Jenseits ethisch/moralisch unterlegen. Dass Menschen im Diesseits zumindest zu „philia“ in der Lage sind, lässt sich in der Lebenswirklichkeit ohne Weiteres belegen. Es gibt keinerlei Hinweise darauf, dass dies für Geistwesen im Jenseits nicht ebenso zutrifft. Der Schöpfer ist seinen Geschöpfen erst dann ethisch/moralisch überlegen, wenn er zu echter „agape“ fähig ist.

Über das Wesen des Schöpfers kann die Naturwissenschaft keine Auskunft geben. Sie kann nur Aussagen über das beobachtbare Universum, das Diesseits, treffen. Aussagen über das Wesen des Schöpfers sind ausschließlich im religiösen Schrifttum zu finden, wo der Schöpfer mit Gott gleichgesetzt wird. Im Hinblick auf die Offenbarungsreligionen (Judentum, Christentum, Islam) zeigen sich deutliche Unterschiede, was über das Wesen Gottes ausgesagt wird.

Für Judentum und Christentum lässt sich das Wesen Gottes auf eine kurze Aussage komprimieren: „Gott ist Liebe“. Im Alten wie im Neuen Testament der Bibel finden sich zwar keine systematischen Abhandlungen über das Wesen Gottes, aber dennoch mehrere Hinweise (z. B. Psalm 103, 1-13, 1. Kor. 13. 1-13 und direkt in 1. Joh. 4,8 und 16: „Gott ist die Liebe“). Die damit gemeinte Agape-Liebe Gottes wird durch seinen Sohn Jesus Christus manifest, der den Berichten im Neuen Testament der Bibel zufolge die Sünde der gesamten Menschheit auf sich nahm. Nach biblischer Auffassung ist Sünde nicht die Summe einzelner menschlicher Fehlhandlungen, die moralisch gegeneinander abgewogen werden könnten. Vielmehr bezeichnet Sünde die prinzipielle Trennung von Gott, verursacht durch den Menschen selbst und Folge missbrauchter Freiheit.

Auch der Koran enthält keine systematische Abhandlung über das Wesen oder die Eigenschaften Allahs (Gott). Allah ist, wie auch Gott in Judentum und Christentum, vollkommen losgelöst von seiner Schöpfung. Darüber hinaus ist er in keiner Weise mit seinen Geschöpfen vergleichbar: „nichts ist ihm gleich“ (Sure 42,11). Da das wahre Wesen Allahs ein Geheimnis ist, kann und darf der Mensch sich keine Vorstellung von ihm machen.

Der Koran charakterisiert Allah als jenseits menschlicher Gefühle, da Gefühle eine Eigenschaft von Geschöpfen sind, nicht die des Schöpfers. Insofern sind in Allah keine Gefühle von Mitleid oder Liebe, denn dadurch würde Allah nach dem Verständnis des Islam auf eine menschliche Ebene herabgewürdigt.

„Ar-Rahman“, gemeinhin mit „All-Erbarmen“ übersetzt, meint Allah, den Schöpfer, der die Bedürfnisse im Diesseits stillt und fürsorglich und wohlwollend gegenüber der Schöpfung und allen Geschöpfen ist. Dies geschieht jedoch nicht aus Gefühlen heraus. „Ar-Rahim“, meist mit „Barmherzigkeit“ übersetzt, meint Allah, den Offenbarer, der den Menschen den Koran und damit den Menschen die Chance gab, Muslime zu werden. Als Muslime haben sie nach ihrem Tod die Chance auf eine Weiterexistenz im Paradies. Diese Barmherzigkeit Allahs gilt jedoch nur Muslimen und bleibt darüber hinaus in seinem freien Ermessen. Mit anderen Worten: Muslim zu sein bietet für sich alleine betrachtet noch keine Garantie für den Zugang zum Paradies.

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Vermeintliche Unvereinbarkeiten in Judentum und Christentum

Während Allah keine menschlichen Gefühle zugeschrieben werden können, macht sich der Gott des Judentums und Christentums gewissermaßen angreifbar, da er auch zu Menschen vertrauten Gefühlen, wie Liebe, Mitleid, Eifersucht oder Zorn, in der Lage ist. In der Konsequenz unterscheiden sich die Vorstellungen von Gott zwischen Islam einerseits und Judentum und Christentum andererseits fundamental.

Da sich Gott in Judentum und Christentum als Liebe in Person offenbart, stellt sich unwillkürlich die Frage, wie sich Gottes Liebe mit der im Alten Testament der Bibel geschilderten Vertreibung aus dem Paradies, mit dem Zorn Gottes oder auch ganz grundsätzlich mit all dem Übel und dem Leid in der Welt vereinbaren lässt.

Der Vertreibung aus dem Paradies ging die Warnung Gottes voraus, nicht vom Baum der Erkenntnis des Guten und Bösen zu essen (Gen. 2, 16-17): „Dann gebot Gott, der Herr, dem Menschen: Von allen Bäumen des Gartens darfst du essen, doch vom Baum der Erkenntnis von Gut und Böse darfst du nicht essen; denn sobald du davon isst, wirst du sterben.“ Diese Warnung lässt sich auch als der Wille Gottes verstehen, den Menschen vor dem Verlust seines Gottvertrauens zu bewahren (siehe „… und hätten ihn gern gefunden“, S. 83). Liebe als Wesen Gottes ist nach dieser Deutung nicht infrage gestellt.

Im Alten wie im Neuen Testament der Bibel kommt an durchaus vielen Stellen der Zorn Gottes zum Ausdruck. Bei genauerer Betrachtung erschließt sich, dass sich der Zorn Gottes im Allgemeinen gegen Einstellungen und Handlungen der Menschen richtet, nicht jedoch gegen die Menschen selbst: „Den Menschen gilt Gottes Liebe, aber ihrer Sünde gilt Gottes Zorn“ (siehe „… und hätten ihn gern gefunden“, S. 90).

Ein Vergleich mit elterlicher Liebe liegt nahe. Eltern sind verständlicherweise zornig über alles, womit ihre Kinder sich selbst oder anderen schweren Schaden zufügen. „Ich bin zornig darüber, dass du synthetische Drogen konsumierst, dadurch dein Gehirn irreversibel und nachhaltig schädigst, und dir selbst die Chancen nimmst, deine Potenziale auszuschöpfen“ ist letztlich auch ein Ausdruck von Liebe. „Du musst wissen was du tust. Es ist dein Leben.“ ist zwar eine zutreffende Aussage, drückt aber zugleich auch eine gewisse Gleichgültigkeit und Desinteresse aus. Insofern lässt sich Gottes Zorn als Kehrseite seiner Liebe verstehen. Je stärker die Liebe, desto stärker der Zorn.

Wesentlich brennender noch erscheint die Frage, wie ein liebender Gott all das Leid in der Welt zulassen kann. Insbesondere stellen sich drei Fragen:

  • Kann Gott das Leid der Welt nicht verhindern? Ist er dazu zu schwach?
  • Will Gott das Leid der Welt nicht verhindern? Hat er daran kein Interesse?
  • Weiß Gott nicht, welche Folgen sich aus seinem eigenen Handeln oder dem seiner Geschöpfe, der Menschen, ergeben?

Selbst diese „harten“ Fragen lassen sich in einer Weise beantworten, die Gottes Liebe nicht infrage stellen. Es würde den Rahmen dieser Untersuchung bei weitem sprengen, wenn versucht werden würde, diese Fragen an dieser Stelle zu diskutieren. Als weiterführende Lektüre empfiehlt sich beispielsweise das Buch „… und hätten ihn gerne gefunden“ des Theologen Wilfried Härle.

Manche Fragen lassen sich sogar umkehren, weil die Verantwortlichkeit in den Bereich des Menschen fällt. „Wie konntet ihr zulassen, dass …?“ könnte Gott in vielerlei Hinsicht und mit Berechtigung auch den Menschen fragen.

Folgerungen

Fast alle anekdotischen Schilderungen zu Transzendenzerfahrungen stammen aus dem westlichen Kulturkreis, der im Wesentlichen Nordamerika und Westeuropa sowie andere Teile der Welt umfasst, die von westlichen Werten und Vorstellungen, wie Demokratie und Individualismus, beeinflusst sind. In diesem Kulturkreis dominiert als Religion das Christentum. Vor diesem Hintergrund können die mit den Schilderungen transportierten Aussagen keineswegs repräsentativ für die Weltbevölkerung sein.

Mit aller Vorsicht kann dennoch auf Grundlage vorliegender Schilderungen die Erkenntnis gewonnen werden, dass im Jenseits ein „Klima der Liebe“ herrscht, das mit dem im Alten und Neuen Testament der Bibel skizzierten Wesen Gottes („Gott ist Liebe“) vereinbar ist. Insofern ist auch – wiederum mit aller Vorsicht – der Rückschluss möglich, dass Gott der Schöpfer des nicht beobachtbaren wie auch des beobachtbaren Universums ist.

Die Naturwissenschaft kann im Hinblick auf eine Art Beweisführung zur Bestätigung dieses Rückschlusses keinen Beitrag leisten, da sie, wie bereits erwähnt, auf das beobachtbare Universum, das Diesseits, begrenzt ist. Wenn jedoch zutrifft – und dafür sprechen gewichtige Argumente -, dass ein Schöpfer existiert, ergeben sich daraus für den Menschen Konsequenzen.

Zum einen entsteht eine Verantwortlichkeit gegenüber dem Schöpfer, zum anderen aber auch die Möglichkeit, mit dem Schöpfer in Beziehung zu treten. Das Christentum als „Beziehungsreligion“ ist ohne Beziehung zwischen Gott und Mensch nicht denkbar. In der Konsequenz ist die Existenz Gottes auch im Diesseits verifizierbar. Der Mensch kann in der Tat im Diesseits in Form des Gebets (auch eine Transzendenzerfahrung) mit Gott in Beziehung treten und erlebt durch eine Reaktion eine individuelle Bestätigung von Gottes Existenz. Diese individuelle Gott-Mensch-Beziehung setzt sich im Jenseits gewissermaßen nahtlos fort.

Die Frage, was mit den Menschen geschieht, die sich ihrer Verantwortlichkeit gegenüber Gott im Diesseits wider besseres Wissen verweigern und sich aus freiem Willen gegen eine Beziehung mit Gott entscheiden, wird an dieser Stelle nicht diskutiert. Dies würde den Rahmen dieser Untersuchung sprengen.

Ich bin Dieter Jenz, Begleiter, Berater und Coach mit Leidenschaft. Über viele Jahre hinweg habe ich einen reichen Schatz an Kompetenz und Erfahrung erworben. Meine Themen sind die "4L": Lebensaufgabe, Lebensplanung, Lebensnavigation und Lebensqualität.