Die persönliche Lebensaufgabe entdecken – wie vorgehen?Lesezeit: 9 Min.

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Die persönliche Lebensaufgabe entdecken – eine spannende und lebensprägende Angelegenheit. Sie lässt sich nicht delegieren. Niemand kann besser zur Lebensaufgabe finden als man selbst, denn es ist die ganz individuelle Lebensaufgabe, die entdeckt wird.

Darf man erwarten, die individuelle Lebensaufgabe in fünf freien Minuten, gewissermaßen zwischen „Tür und Angel“, entdecken zu können? Wohl kaum. Es ist ein Prozess, der seine Zeit braucht. Schließlich will man ja mit allen Fasern seines Herzens hinter seiner Lebensaufgabe stehen.

Andererseits gibt es durchaus Menschen, die gewissermaßen von ihrer Lebensaufgabe gefunden wurden. Albert Schweitzer steht für die Menschen, die eine Art Erkenntnisblitz erlebten und für sich erkannten: „Da bin ich gefordert und ich will mein Leben für diese Aufgabe einsetzen.“

Wie auch immer die Lebensaufgabe entdeckt wird – am Ende muss man ein bewusstes „Ja“ dazu sagen können. Wäre es ein halbherziges „Ja“, ist die Gefahr nicht von der Hand zu weisen, dass man sich bei Widrigkeiten und Widerständen von seiner Lebensaufgabe wieder löst.

Was motiviert zur Frage nach der individuellen Lebensaufgabe?

Wo steht man gerade im Leben? Befindet man sich gerade in einer persönlichen Umbruchsituation?  Vielleicht hat man die Arbeitsstelle verloren und muss sich neu orientieren. Vielleicht sind es die Folgen eines Unfalls, die einen zu einer Neuorientierung im Leben zwingen. Oder man hat vielleicht eine Grenzerfahrung, wie beispielsweise eine Nahtoderfahrung, erlebt. Es gibt ganz unterschiedliche Umbruchsituationen, die einen mitten im Leben zu existenziellen Fragen führen können: der Frage nach dem individuellen Lebenssinn, der Frage nach der individuellen Berufung und eben auch der Frage nach der individuellen Lebensaufgabe.

Die Frage nach der individuellen Lebensaufgabe stellt sich jedoch auch völlig unabhängig von Umbruchsituationen. Sie wird beispielsweise indirekt ausgelöst, wenn man eine länger andauernde Unzufriedenheit mit seinem Leben wahrnimmt. Vielleicht empfindet man, irgendwie am falschen Platz zu sein. Man möchte etwas im Leben ändern. Es soll nicht mehr einfach so weitergehen wie bisher.

Was auch immer der Anlass dafür sein mag, dass die Frage nach der individuellen Lebensaufgabe, wie von einem Gummiband gezogen, immer wieder ins Bewusstsein drängt: die Frage sollte nicht unterdrückt werden. Es ist besser, sich der Frage zu stellen als sie zu verdrängen. Im Endeffekt wird es sich mit Sicherheit lohnen, die Frage für sich zu beantworten.

Welche Vorgehensweise ist zielführend?

Wäre es sinnvoll, gleich mit einem Brainstorming zu beginnen und Ideen zu sammeln, was die individuelle Lebensaufgabe sein könnte? Sicherlich wäre dies eine Möglichkeit. Als zielführender erweist es sich jedoch, strukturiert in aufeinander abgestimmten Schritten vorzugehen.

Drei grobe Schritte bieten sich an. Der erste Schritt befasst sich mit Fragen, die geklärt sein sollten, bevor man sich mit seiner individuellen Lebensaufgabe beschäftigt. Der zweite Schritt besteht in der Konkretisierung der individuellen Berufung, im Entdecken der individuellen Lebensaufgabe. Im dritten Schritt wird geprüft, ob bzw. in welchem Umfang die entdeckte Lebensaufgabe in der Realität auch zu verwirklichen ist.

Schritt 1: Lebenssinn und Berufung klären

Die individuelle Lebensaufgabe steht in einem engen Zusammenhang mit dem individuellen Lebenssinn und der individuellen Berufung. Lebenssinn und Berufung bilden in der Tat sogar das solide Fundament für die Lebensaufgabe.

Falls man seinen individuellen Lebenssinn und seine individuelle Berufung noch nicht kennt oder sich noch unsicher ist, sollten diese beiden wichtigen Fragen zunächst geklärt werden. Wenn diese Klärung erfolgt ist, ist die Richtung zur Lebensaufgabe auch schon gewiesen. Die Gefahr, dass man sich im Hinblick auf seine Lebensaufgabe Illusionen hingibt oder irrt, wird dadurch sehr geringgehalten.

Sind individueller Lebenssinn und individuelle Berufung bereits bekannt und werden nach wie vor als stimmig empfunden, kann direkt mit Schritt 2 fortgesetzt werden. Schließlich sind die wichtigen vorgelagerten Fragen geklärt.

Individueller Lebenssinn

Der individuelle Lebenssinn kann nicht von irgendeiner Instanz vorgegeben werden. Er muss selbst gefunden werden. So formulierte es der Neurologe und Psychiater Viktor Frankl: „Sinn kann nicht gegeben, sondern muss gefunden werden.

Zitate zum Thema „Sinn des Lebens“, „Lebenssinn“:

Sieht der Mensch der Wahrheit furchtlos ins Auge, E. Fromm - Gestaltung: privat
Das Leben ist viel zu kostbar, V. Havel - Gestaltung: privat
Sinn kann nicht gegeben, V. Frankl - Gestaltung: privat
Den Sinn erhält das Leben, H. Hesse - Gestaltung: privat
Der Wille zum Sinn bestimmt unser Leben, V. Frankl - Gestaltung: privat
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Die später entdeckte Lebensaufgabe wird nicht im Gegensatz zum individuellen Lebenssinn stehen können. Vielmehr müssen individueller Lebenssinn und individuelle Lebensaufgabe miteinander harmonieren.

Individuelle Berufung

Die individuelle Berufung orientiert sich an den individuellen Gaben und Fähigkeiten sowie den persönlichen Interessen und Visionen. Sie drückt auch aus, wofür man sich begeistern kann und wofür man, bildlich ausgedrückt, brennt.

Die individuelle Berufung führt zur individuellen Lebensaufgabe, aber sie ist noch nicht die Lebensaufgabe. Schließlich kann man sich durchaus zu etwas berufen fühlen, setzt diese Berufung jedoch im Leben nicht um.

Individuelle Berufung und individuelle Lebensaufgabe werden mit Sicherheit zueinander passen. Um eventuelle Fehleinschätzungen hinsichtlich seiner individuellen Lebensaufgabe frühzeitig erkennen zu können, ist es wichtig, die individuelle Berufung zu kennen.

Schritt 2: Lebensaufgabe entdecken

Wenn die individuelle Berufung geklärt ist, sind auch die eigenen Gaben und Fähigkeiten sowie die Interessen und Visionen bekannt. Dies alles kann man mit seiner individuellen Lebensaufgabe umsetzen und zur Wirkung bringen.

Die individuelle Berufung wirkt gewissermaßen wie ein Leitstrahl. Sie will in Form der individuellen Lebensaufgabe verwirklicht werden. Vielleicht braucht man überhaupt nicht lange nach Möglichkeiten suchen, sondern wird im Gegenteil von deren Fülle (fast) überwältigt. Dann muss nur noch das ausgewählt werden, was den eigenen Vorstellungen am Ehesten entspricht.

Es bietet sich an, sich ein intensives inneres Bild zu machen, wie sich die ins Auge gefasste Lebensaufgabe anfühlen würde. Vor dem Hintergrund innerer Begeisterung mag es durchaus etwas schwerfallen, ein möglichst realistisches Bild zu entwerfen. Im praktischen Leben wird die Lebensaufgabe schließlich neben Freude und Erfüllung auch ein gewisses Maß an Enttäuschungen und vielleicht auch Frustrationserlebnissen mit sich bringen.

Hat man die individuelle Lebensaufgabe schließlich entdeckt, sollte überprüft werden, ob sie mit dem individuellen Lebenssinn und der individuellen Berufung vereinbar ist. Sehr wahrscheinlich wird dies der Fall sein, aber eine Prüfung kann nicht schaden. Würde sich jedoch ein Konflikt zeigen, wäre dies Anlass, die entdeckte Lebensaufgabe zu überdenken.

Schritt 3: Realisierbarkeit klären

Die individuelle Lebensaufgabe ist mit „Kosten“ verbunden. Deshalb kann es nur folgerichtig sein, die „Kosten“ zu überschlagen.

Im Leben hat man schon eine gewisse Strecke zurückgelegt. Man verfolgt Ziele, die einem als wichtig erscheinen. Im Lauf des Lebens hat sich ein Wertesystem entwickelt, nach dem man sein Leben ausrichtet. Und man ist in ein mehr oder weniger dichtes Netz an sozialen Beziehungen eingebunden. Möglicherweise gibt es soziale Bindungen, die zu bedenken sind. Deshalb erscheint es als zielführend, sich Klarheit zu verschaffen, ob bzw. in welchem Umfang die individuelle Lebensaufgabe in der Lebensrealität umsetzbar ist.

Individuelle Lebensziele und Werte

Es erweist sich als hilfreich, den Stellenwert der bisherigen Lebensziele im Licht der entdeckten individuellen Lebensaufgabe zu bewerten. Ist es beispielsweise ein Lebensziel, ein Haus zu bauen oder ein Eigenheim zu erwerben? Vielleicht ist man schon eine Kreditverpflichtung eingegangen und hat sich zur Rückzahlung einer Hypothek über viele Jahre hinweg verpflichtet.

Es mag sein, dass die schließlich entdeckte Lebensaufgabe mit einem geringeren regelmäßigen Einkommen verbunden ist. Möglicherweise kann man sogar überhaupt kein regelmäßiges Einkommen erzielen. In diesem Fall wäre es, um im Beispiel zu bleiben, in der Konsequenz wahrscheinlich erforderlich, sich von der Immobilie zu trennen.

Bisher verwirklichte Lebensziele können durchaus mit der schließlich entdeckten Lebensaufgabe in Konflikt stehen. Dann stellt sich die Frage, wie die bisherigen Lebensziele zu gewichten sind. Hat die entdeckte individuelle Lebensaufgabe Priorität, wird bisherigen Lebenszielen eine geringere Wertigkeit zugewiesen. Haben demgegenüber die bisherigen Lebensziele Priorität, führt dies möglicherweise dazu, dass die Lebensaufgabe nicht verwirklicht werden kann.

Auch die individuellen Werte, wie beispielsweise Erfolg, finanzielle Sicherheit, Wohlstand, Unabhängigkeit oder Perfektion, sind mit den bisherigen individuellen Lebenszielen eng verknüpft. Die Gewichtung der individuellen Werte muss ebenso überdacht werden wie die Gewichtung der individuellen Lebensziele.

Existierende soziale Bindungen

Möglicherweise lebt man in einer festen Beziehung und hat vielleicht auch für eine Familie zu sorgen. Oder man hat eine bestimmte längerfristige Aufgabe übernommen, beispielsweise die Pflege oder Betreuung eines Elternteils. Vor dem Hintergrund existierender sozialer Bindungen stellt sich die Frage, wie sich die schließlich entdeckte Lebensaufgabe mit den mit der jeweiligen Beziehung verknüpften Verpflichtungen vereinbaren lässt.

Bestehen Verpflichtungen aus sozialen Bindungen, können im Allgemeinen keine autonomen Entscheidungen getroffen werden, die das eigene Leben völlig umkrempeln – es sei denn, man nimmt eine Trennung in Kauf. Vor diesem Hintergrund wird es sich anbieten, nach Möglichkeiten zu suchen, die Lebensaufgabe innerhalb der gegebenen Rahmenbedingungen umzusetzen – vielleicht mit Abstrichen und nicht in der Intensität wie ursprünglich beabsichtigt oder gewünscht.

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Wesentliches ist geklärt – was kommt dann?

Der Klärungsprozess beansprucht Zeit. Es ist unabdingbar, sich genügend Zeit zum intensiven Nachdenken und Prüfen zu geben und sie sich auch zu nehmen. Schließlich ist die individuelle Lebensaufgabe kein unbedeutendes Randthema. Im Gegenteil: Lebenszeit ist ein wertvolles „Kapital“. Deshalb wäre es unklug, sich diese Zeit nicht zuzugestehen.

Ein anderes Bild mag die Dimension veranschaulichen: Wenn man eine Milliarde Euro besäße und diese Milliarde zu investieren hätte, würde man sich sehr intensive Gedanken machen. Man würde sich sehr eingehend informieren, abwägen, Risikoanalysen anstellen usw. Kurzum: man würde seine Entscheidung so gründlich wie möglich vorbereiten und sie dann sehr überlegt treffen.

Es gibt einen Punkt, an dem sich im Hinblick auf die Lebensaufgabe eine Richtungsentscheidung herauskristallisiert. Man hat intensiv nachgedacht, bewertet und abgewogen. Es ist etwas gereift. Und jetzt ist man innerlich zutiefst überzeugt, dass diese Entscheidung stimmig ist. Vielleicht wird sogar über Jahrzehnte an wertvoller Lebenszeit entschieden.

Wird sich die individuelle Lebensaufgabe realisieren lassen? Das ist eine spannende Frage. Vielleicht wird sie sich sogar ohne Abstriche umsetzen lassen. Vielleicht sind mehr oder weniger große Abstriche notwendig, wenn Verpflichtungen bestehen, denen man weiterhin gerecht werden muss. Im Endeffekt lohnt es sich aber in jedem Fall, seine individuelle Lebensaufgabe zu entdecken und sie in welchem Umfang auch immer mit Leben zu erfüllen.

Ich bin Dieter Jenz, Begleiter, Berater und Coach mit Leidenschaft. Über viele Jahre hinweg habe ich einen reichen Schatz an Kompetenz und Erfahrung erworben. Meine Themen sind die "4L": Lebensaufgabe, Lebensplanung, Lebensnavigation und Lebensqualität.