Was hat es mit dem Phänomen des Stimmenhörens auf sich? Handelt es sich zwingend um eine Halluzination? Ist es ein Anzeichen für eine psychische Störung? Oder gibt es Situationen, in denen sich das Stimmenhören als für den Hörenden wertvoll oder sogar lebensrettend erweist?
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Dieser Beitrag ist Teil der Serie „Was geschieht mit mir wenn ich sterbe?“
Grobes Inhaltsverzeichnis
Das Stimmenhören bezieht sich auf die unerwartete akustische Wahrnehmung einer menschlichen Stimme, wobei die zugehörige Person nirgends zu entdecken ist. Die Stimme wird im Wachzustand und nicht etwa im Traum wahrgenommen. Sie ist gewissermaßen aus dem Nichts zu hören. Die gehörte Stimme kann dem bzw. den Hörenden bekannt vorkommen oder auch völlig unbekannt sein. Darüber hinaus ist sie zumindest hinreichend verständlich und nicht undeutlich hörbar.
Beim Stimmenhören handelt es sich, da menschliche Wesen außer Rufweite sind, um eine von einem Geistwesen initiierte Botschaft. In der Taxonomie der Kommunikationserfahrungen ist das Stimmenhören eine verbale Geistwesen-initiierte Botschaft und somit auch eine unidirektionale Kommunikationserfahrung.
Es wird oft davon berichtet, dass plötzlich und unerwartet gehörte Stimmen den Hörenden auf eine bestimmte Gefahr hinwiesen. Doch auch von Stimmen des Zuspruchs wird gelegentlich berichtet, die dem Hörenden in einer verzweifelten oder gar aussichtslos erscheinenden Lage offensichtlich Zuversicht vermitteln, auf eine künftige Aufgabe hindeuten oder auch die Aufmerksamkeit auf etwas Bestimmtes lenken sollen.
Durchaus häufig sind Berichte über gehörte Stimmen, wobei ein oder mehrere Hörende die Stimme als die eines ihnen bekannten Menschen erkannten. Der Zeitpunkt, zu dem die Stimme gehört wurde, korrespondierte auffallend oft mit dem ungefähren Todeszeitpunkt jenes Menschen. Es lässt sich nicht eindeutig erschließen, ob sich der Verstorbene noch vor seinem Tod, während des Sterbens oder nach seinem Tod artikulierte.
Wie bei verschiedenen anderen Phänomenen kann es sich auch beim Stimmenhören um eine Halluzination handeln. Verbale Halluzinationen können in verschiedenen Situationen, u. a. bei Stress, Überlastung, Schlafentzug oder Drogenkonsum auftreten. Das Stimmenhören kann aber auch auf eine psychische Störung, insbesondere eine Psychose, hinweisen. Bei einer Psychose zählt es mit einem Anteil von etwa 70 % sogar zu den typischen Symptomen. Deshalb ist bei Berichten über derartige Wahrnehmungen eine „gesunde“ Skepsis angebracht.
Berichte in der Literatur
Über die vergangenen Jahrhunderte hinweg wurden zahlreiche anekdotische Schilderungen über akustisch wahrgenommene Stimmen „aus dem Nichts“ gesammelt. Die folgenden Beispiele repräsentieren nur eine äußerst kleine Auswahl.
Vor Gefahr warnende Stimme
Die folgende, im Buch „Der Spuk im Grabgewölbe“ wiedergegebene Schilderung (S. 302 f.) erschien im „Märkischen Volksblatt“ vom 16. März 1916. Dort schildert ein Soldat ein eindrückliches Erlebnis:
„Eines Tages erhalten wird den Befehl, im nahen Gehölz eine Anzahl Bäume zu fällen, die für den Bau von Unterständen verwendet werden sollen. Unser Trupp, acht Mann und ein Unteroffizier, rückt also ab. Es war ein trüber, regnerischer Tag. Darum war auch die Arbeit im nassen Buschwerk nicht angenehm. Aber wir waren doch froh, endlich einmal wieder frei aufatmen und die im Schützengraben steifgewordenen Glieder ausstrecken zu können. Wir befanden uns hinter der Front, standen aber noch im Bereich des feindlichen Artilleriefeuers. Ab und zu pfiff ein Geschoß heulend durch die Luft. Nicht weit von unserer Arbeitsstätte platzte sogar eine Granate; aber an ernstliche Gefahr dachte wohl niemand von uns.
Am Rande des Gehölzes stand ein verfallenes, windschiefes Häuschen mit zerbrochenen Fenstern und herabhängenden Läden, worin vielleicht früher ein Waldhüter gewohnt hatte. Als nun die Frühstückszeit gekommen war, suchten wir dieses verlassene Haus auf, um für einige Minuten ein Dach über uns zu haben; denn der Regen war inzwischen stärker geworden. Im Innern des Häuschens fanden wir einen Tisch und einige roh zugehauene Bänke vor, die wir freudig in Beschlag nahmen. Wir sitzen also und essen unser Brot; hin und wieder fällt ein Wort. Draußen rauscht der Regen. Ich sitze mit dem Rücken nach einem der zerbrochenen Fenster hin und denke an Frau und Kind in der Heimat. Da höre ich plötzlich, wie hinter mir eine leise Stimme, die mir seltsam bekannt vorkommt, meinen Vornamen ruft. Überrascht drehe ich mich um und schaue hinaus; aber da ist niemand zu sehen. »Nanu«, denke ich und schüttele den Kopf. Aber ich muss doch erschrocken ausgesehen haben, denn der Unteroffizier, der mir gegenübersitzt, schaut mich scharf an. Von den übrigen scheint niemand etwas Auffälliges bemerkt zu haben. Einige Minuten vergehen. Gerade denke ich darüber nach, wem die Stimme, die mir so seltsam bekannt vorkommt, wohl angehören könne. Und da höre ich wieder hinter mir, aber lauter und deutlicher als soeben: »Johannes!« – »Ja?« antworte ich und springe auf; aber ich fühle, wie mir’s plötzlich eiskalt übers Gesicht zieht und mein Herz wie ein Hammer klopft. Diese Stimme – Herrgott bin ich denn von Sinnen? – diese Stimme draußen ist die Stimme meiner verstorbenen Mutter …
Hat denn keiner der Kameraden den Ruf vernommen? Sie sehen mich nur erstaunt an. Einer lacht und macht eine scherzhafte Bemerkung. Nur der Unteroffizier steht hastig auf und fasst meinen Arm. »Was ist los, Hagemann?«, fragt er, »sind Sie krank?« – »Herr Unteroffizier«, stammele ich, »ich bitte hinausgehen zu dürfen … Ich weiß nicht, was mir ist: mich hat draußen jemand gerufen, aber die Stimme klang genauso wie die meiner verstorbenen Mutter.« – »Mann, reden Sie doch keinen Unsinn!«, sagte er beruhigend, aber ich sehe, dass er blass geworden ist und unsicher. Als ich meine Bitte, hinausgehen zu dürfen, wiederhole, nickt er und fügt hinzu: »Aber – um Himmels willen – wer sollte denn in dieser verlassenen Gegend Ihren Namen rufen? Es scheint, Sie leiden an Sinnestäuschungen. Aber kommen Sie, ich will mit Ihnen hinausgehen, damit Sie sich überzeugen.« Beim Hinausschreiten sehe ich noch, dass meine Kameraden sorglos hinter uns dreinblicken und ihr Brot verzehren.
Was dann geschah, werde ich nie vergessen. Wir stehen also vor der Hütte. Kein Mensch ist zu sehen. Das Fenster, an dem ich gesessen hatte, ging nach einer grasigen Lichtung hinaus, die wir nun betraten, um vielleicht eine Fußspur zu finden. Dabei entfernten wir uns von dem Häuschen, aber ohne etwas zu entdecken. »Nun, Hagemann, wollen Sie jetzt noch …«. Ein Heulen in der Luft, ein Prasseln in den Baumgipfeln: vor unseren Blicken, die dem Häuschen zugewendet sind, scheint ein schwarzer Strich blitzschnell niederzufallen. Und dann bricht es los, wie wenn die Welt in Nacht und Trümmer versinken sollte. Es kracht und splittert rings um uns. Die Luft wird von emporgeschleuderten Erdmassen verfinstert. Ein harter Gegenstand fliegt mir gegen den Kopf und wirft mich nieder. Als ich wieder zu mir komme, liegt der Unteroffizier nicht weit von mir mit eingedrückter Brust. Das Haus ist verschwunden, der Erdboden da, wo es stand, metertief aufgerissen. Was ich von meinen Kameraden wiederfand, kann ich nicht erzählen …“
An der Schilderung ist Folgendes bemerkenswert:
- Der Soldat hörte lediglich seinen Vornamen, keine explizite und spezifische Warnung vor Bevorstehendem,
- Mehrere Minuten vergingen, bis er die Stimme erneut und diesmal lauter hörte,
- Alle anderen Anwesenden konnten die Stimme offensichtlich nicht hören,
- Die verstorbene Mutter kannte wohl das bevorstehende Ereignis schon.
Von mehreren Personen gehörte Stimme
Im Buch „Der Spuk im Grabgewölbe“ wird mit Bezug auf einen Artikel im „Hohenstaufen“ (Göppinger Tagblatt) vom 9. Dezember 1916 Folgendes wiedergegeben:
„Es war am 31. Oktober 1914, da saß in einem etwas abseits gelegenen Hause eines Dorfes im Bezirk Göppingen (Württemberg) ein Ehepaar spät abends noch in der Stube. Nebenan in der Kammer schliefen die Kinder schon lange. Im Haus und außerhalb des Hauses herrschte die tiefe Stille der Nacht. Die Frau saß in der Nähe des Fensters, mit einer Handarbeit beschäftigt, der Mann einige Schritte von ihr am Tische. Da wurde die Stille durch einen Ruf unterbrochen, der vor dem Hause draußen erscholl. Eine Stimme rief den abgekürzten Namen der Frau. Diese war überrascht, stand aber nicht auf, weil sie glaubte, sie könne sich getäuscht haben. Doch wenige Augenblicke darauf erscholl der Ruf zum zweiten Mal, diesmal viel lauter und deutlicher. Der Mann hörte ihn auch und sagte: »Du, man hat dich gerufen!« Als sich daraufhin die Frau erhob, um das Fenster zu öffnen, erscholl der Ruf zum dritten Mal mit sehr großer Schärfe und Klarheit. Aber vor dem Fenster war niemand, auch in dem einzigen Nachbarhause längst alles zur Ruhe gegangen. Mann und Frau visitierten die ganze Umgebung aufs Genaueste – nirgends war ein Mensch zu entdecken. Die Frau wurde von großer Unruhe ergriffen. Es war ihr gewesen, als habe sie in dem Ruf die Stimme ihres Bruders erkannt, der im Felde stand. – Am Morgen kam die Schwägerin, die Frau dieses Bruders, und erzählte mit innerer Erregung, sie sei heute Nacht, als sie schon zu Bett gegangen, mit ihrem Namen gerufen worden. Auch habe in ihrem Hausgang diese Nacht eine eigentümliche Unruhe geherrscht, die auch ihr Vater von seinem Zimmer aus gehört habe. – Die Erregung der Beteiligten war umso größer, als auch die Schwägerin in der geheimnisvollen Stimme die ihres Mannes erkannt zu haben glaubte. Wenige Tage später traf die schriftliche Nachricht ein, dass der, dessen Stimme die beiden Frauen gehört, in der Nacht vom 31. Oktober zum 1. November gefallen sei.“
An der Schilderung fällt Folgendes besonders auf:
- Mehrere Personen hörten die Stimme des Verstorbenen an unterschiedlichen Orten,
- Die hörbare Stimme war als die des Ehemanns bzw. Bruders erkennbar,
- Der Verstorbene rief lediglich die Namen seiner Ehefrau und seiner Schwester und teilte ansonsten nichts Weiteres mit.
Die vermeintliche Stimme der Großmutter
Eine außergewöhnliche Begebenheit wird im Buch „Botschaft von drüben?“ geschildert (S. 33):
„Als zwölfjähriges Mädchen weilte ich bei meiner Großmutter in Baden in der Wohnung meines Onkels, eines Arztes. Einmal war ich allein. Großmutter war früh nach Ulm gefahren und sollte erst abends zurückkommen. Mittags ging ich in das Studierzimmer des Onkels. Dort wollte ich einen Bleistift holen. An der Zimmertür angelangt, hörte ich plötzlich meine Großmutter deutlich rufen: »Franzele!« Ich glaubte, mich getäuscht zu haben, und wollte weitergehen. Da rief es noch einmal deutlicher: »Franzele!« Und als ich den Fuß über die Schwelle setzen wollte, rief es zum dritten Mal und so scharf, wie es Großmutter nur im Zorn sagte: »Franziska!!«. Wie gebannt blieb ich stehen. In diesem Augenblick stürzte der mittlere Teil der Zimmerdecke ein und überschüttete mit seinen Trümmern den Schreibtisch des Onkels. Großmutter kehrte heim; sie war sehr betroffen von meiner Erzählung und hatte tagsüber keine Ahnung von der Gefahr, in der ich schwebte, gehabt (1962).“
Die Schilderung verdeutlicht gleich mehrere ungewöhnliche Phänomene:
- Die Großmutter wusste nichts von der Gefahr, dennoch war die hörbare Stimme als die der Großmutter erkennbar,
- Die Großmutter wusste nichts von ihrem Warnruf und spürte während ihrer Abwesenheit, da sie keine Ahnung von der Gefahr hatte, vermutlich auch keine innere Unruhe,
- Das Mädchen hörte lediglich ihren Vornamen und keinen weiteren Hinweis,
- Der Kosename „Franzele“ war sicher nur wenigen Personen bekannt. Der Ruf konnte also nur von einer Person oder einem Wesen kommen, die bzw. das diesen Kosenamen kannte.
Ruf an die Ehefrau
In seinem Buch „Geheimnisse des Seelenlebens“ berichtet der deutsch-brasilianische Pfarrer Gustav Stutzer von einer Begebenheit, bei der „Fernhören“ erlebt wurde (wiedergegeben in „Der Spuk im Grabgewölbe“ (S. 198 f.)):
„Auf dem Bahnhofe in Remilly bei Metz traf zwei Tage nach der Schlacht von Gorze im August 1870 ein Zug von Saarbrücken ein, den ich dienstlich zu erwarten hatte. Eine Dame entstieg dem Zuge, trat zu mir und fragte, auf mein Rotes Kreuz weisend: »Wissen Sie, ob ein Major von Soundso noch lebt?« »Ja«, erwiderte ich, »er lebt.«. Da fasste sie erbebend meinen Arm: »Wo finde ich ihn? Seine Verwundung erfuhr ich erst unterwegs von Berlin her; aber er hat in der vorletzten Nacht nach mir gerufen!« Ich verstand diese sonderbaren Worte nicht und sagte: »Er liegt seit gestern hier, ist aber noch nicht transportfähig; ich werde mir sofort vom Regimentsarzt die Erlaubnis erbitten, Sie zu ihm zu führen, wenn Sie mir versprechen, sich aufs Äußerste zusammenzunehmen, denn er ist schwer verwundet.« – Bald kniete die tapfere Frau am Lager ihres Mannes. Nach einigen Stunden kam ich wieder in das Zimmer, setzte mich zu den beiden und hörte Folgendes: Der Adjutant des Majors war gefallen, mehrere Offiziere waren gefallen oder verwundet; so schlich er selbst mit einer Ordonnanz in der Nacht zu den Vorposten, ging in der Dunkelheit zu weit und bekam von den feindlichen Vorposten mehrere Kugeln, die ihm das linke Bein und die Kniescheibe zerschmetterten. Mit dem Rufe: »Anna, meine liebe Anna!« fiel er zu Boden. – Und seine Frau hatte genau zu derselben Minute dieselben Worte mit der deutlichen Stimme ihres Mannes gehört, sie ihren Angehörigen mitgeteilt und war sofort abgereist. – Kritisch, wie ich allen solchen dunklen Dingen gegenüberstehe, erfuhr ich, dass die Ordonnanz mit einer Fußverwundung vor wenigen Stunden in das Lazarett gebracht worden wäre; und ich erhielt von dem einfachen Manne die wörtliche Bestätigung jenes Vorganges und Ausrufes.“
An der Schilderung erscheint Folgendes bemerkenswert:
- Die Ehefrau hörte zeitgleich die Worte ihres Ehemanns,
- Die hörbare Stimme war eindeutig als die des Ehemanns erkennbar,
- Der Rufende war bei seinem Ruf eindeutig am Leben,
- Zwischen beiden lag eine Distanz von mehreren hundert Kilometern.
Mitteilung an einen Freund
Es stellt sich die Frage, welche Rolle die Art der Beziehung zwischen Menschen spielt, wenn sich das Phänomen des Stimmenhörens ereignet. In den zuvor geschilderten Fällen bestanden enge familiäre Beziehungen. Im Buch „Der Spuk im Grabgewölbe“ ist ein Bericht von einer freundschaftlichen Beziehung zu finden (S. 189):
„Als der deutsche Assyriologe Dr. Friedrich Delitzsch, geboren 1850, der später hauptsächlich durch seine Schriften ‚Babel und Bibel‘ und ‚Die große Täuschung‘ weit über die Kreise der Wissenschaft hinaus bekannt wurde, am 19. August 1876 gegen sechs Uhr abends in London auf der Straße Crogsland Road am Hause seines abwesenden Freundes und Mitforschers George Smith, geboren 1840, vorüberging, hörte er sich plötzlich mit durchdringender Stimme bei Namen gerufen. Die Stimme drang so unmittelbar und so grell an sein Ohr, dass er zunächst von einem der zahlreichen, tagsüber am British Museum herumlungernden, deutschsprechenden Bettler sich erkannt glaubte und unwillkürlich der anderen Straßenseite zueilte. – Auch zu Hause fand er keine Ruhe. Einige Tage später erhielt er die Nachricht, dass George Smith um ebendieselbe Stunde zu Aleppo in Syrien plötzlich gestorben war.“
Folgendes ist an der Schilderung bemerkenswert:
- Der Freund, George Smith, schien zu Hause zu sein, war es jedoch in Wirklichkeit nicht,
- Aus der Schilderung ist nicht eindeutig zu erschließen, ob der Gerufene die Stimme als die seines Freundes erkannte,
- Der Name wurde lediglich einmalig gerufen. Weitere Mitteilungen erfolgten offenkundig nicht.
Längere Mitteilung über Telefon
Im Buch „Botschaft von drüben?“ befindet sich eine Schilderung (S. 146), die geradezu widersinnig anmutet. Dort ist zu lesen:
„In einem Forsthaus lebte eine Förstersgattin, die ein immer kränkelndes Kind ihrer Freundin zu sich genommen hatte, da auch die Mutter des Kindes oft krank war. Das Kind wurde immer schwächer, so dass der hinzugezogene Arzt mit seinem baldigen Sterben rechnete. Die Frau, die das Kind bis zum Tode zu pflegen entschlossen war, stand nun einige Tage in schwerem innerem Ringen. Sollte sie die Lebensgefahr des Kindes der Mutter mitteilen, wo sie doch wusste, dass gleichzeitig auch diese wieder ernster erkrankt darniederlag? Sollte sie ihr diese Aufregung ersparen, da ja ein Wiedersehen zwischen Mutter und Kind unmöglich geworden war? Sollte sie auf ein Wunder der Genesung warten, das vielleicht noch der Mutter oder dem Kind zuteilwerden könnte? Sollte sie erst nach dem Tod des Kindes die Mutter anrufen?
So ging sie eines Tages zweifelnd und bedrängt vor ihrem Fernsprecher hin und her, neben sich das sterbende Kind. Aber sie fürchtete sich, anzurufen. In diesen Augenblicken aber wird bei ihr angerufen! Die ferne Mutter des Kindes lässt sich vernehmen und fragt höchst erregt an, ob ihr Kind wirklich im Sterben liege – es hätte soeben bei ihr geläutet und sie hätte diese Nachricht im Fernsprecher gehört! – Die Untersuchungen ergaben, dass weit und breit niemand (auch nicht der Arzt) angerufen hatte.“
Basierend auf der Schilderung lässt sich Folgendes festhalten:
- Eine für die Mutter verständliche Stimme teilte ihr in für sie verständlicher Sprache etwas mit, was sie aufgrund der räumlichen Distanz nicht wissen konnte,
- „Jemand“ wusste von der Situation des Kindes, der erkrankten Mutter und den inneren Auseinandersetzungen der pflegenden Freundin,
- Der Ruf eines Namens reichte nicht aus, um der Mutter Klarheit über die Situation ihres Kindes zu verschaffen (möglicherweise stand der Tod des Kindes unmittelbar bevor),
- Dieser „Jemand“, sehr wahrscheinlich ein Geistwesen, konnte offenkundig ein Telefon dazu nutzen, um der Mutter das mitzuteilen, was sie hören sollte.
Vorausschau künftiger Ereignisse
Im „Süddeutschen Monatsheft“ vom Juni 1913, erzählend wiedergegeben in dem Buch „Der Spuk im Grabgewölbe“ (S. 258 f.), wird vom Historien- und Porträtmaler Lorenz Clasen (1812-1899) berichtet. Dort heißt es:
„Clasen befand sich einst in Begleitung eines Freundes auf einem Spaziergang durch die Straßen Leipzigs, als er einen ihm bekannten Architekten, der Erbauer der Petrikirche, traf. Der Architekt schloss sich den beiden an, um sich nach einer Weile wieder zu verabschieden. Nach seinem Weggang äußerte Clasen: »Seltsam, heut in sieben Jahren wird er sterben.« Es traf auf den Tag zu.
Während eines Zeitraums von ungefähr dreißig Jahren pflegte ein Dresdner Regierungsbaumeister jeden Sonntag den ihm befreundeten Clasen zu besuchen, mit dem er seine Pläne durchsprach. Eines Sonntags begleitete wie gewöhnlich das Ehepaar Clasen den Scheidenden bis zur Tür. Als dieser hinter der Biegung der Treppe verschwunden war, wandte sich Clasen an seine Frau mit den Worten: »Heut haben wir ihn zum letzten Mal gesehen.« Am darauffolgenden Mittwoch erhielten sie die Todesnachricht.
Als Clasen selbst 1899 an einem Herzschlag gestorben war, zeigte mir seine Frau einen von seiner Hand geschriebenen Zettel, den sie in seinem Portemonnaie gefunden hatte: auf dem stand: »Ich werde mit sechsundachtzig Jahren am Herzschlag sterben.«
[…] Von mir [Peter Jerusalem] befragt, auf welche Weise er diese Dinge wahrnehme, entgegnete er, dass es ihm stets sei, als flüstere eine fremde Person ihm die Dinge ins Ohr. Meistens seien ihm diese Mitteilungen sehr unangenehm, doch könne er leider nichts dagegen tun.“Auffällig an der Schilderung ist Folgendes:
- Die Zukunftsschau lag nicht in der Fähigkeit von Clasen selbst,
- Clasen fungierte offensichtlich als „Sprachrohr“ einer unbekannten Person, der die Zukunft bereits bekannt war,
- Clasen schien keine Kontrolle über die fremde Person zu haben und fungierte gewissermaßen als deren Medium.
Zuversicht vermittelnde Stimme
In seinem Buch „Ich habe Gott gesehen: Diospi Suyana – Hospital der Hoffnung“ schildert Klaus-Dieter John, wie es dazu kam, dass sich Tove H. für das Hospital „Diospi Suyana in den peruanischen Anden zu engagieren begann (S. 252). Mehr als zwei Jahre lang arbeitete sie dort als Anästhesistin.
„Tove wuchs in Westdeutschland unter schwierigen Verhältnissen auf. Ihr Vater verließ die Familie und zahlte keine Alimente, obwohl er als Arzt gut verdiente. Toves Mutter musste hart arbeiten, um Tove und ihren Bruder durchzubringen. Die Lage zu Hause war oft angespannt. Es fehlte an Geld und manchmal sogar an Lebensmitteln im Kühlschrank. Tove litt aber auch unter dem Trauma, dass ihr eigener Vater sie im Stich gelassen hatte.
Als Tove zehn Jahre alt war, kam es daheim zu einer großen Auseinandersetzung. Dieser Streit war wohl der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen brachte. Tove verließ fluchtartig die Wohnung, um ihrem Leben auf der Straße vor dem nächsten Auto ein Ende zu setzen. In diesem Augenblick hörte die kleine Tove hinter sich eine laute und klare Stimme: »Ich habe dich lieb und brauche dich noch!« Tove riss ihren Kopf herum, konnte aber niemanden entdecken. Doch die Botschaft hatte sie verstanden. Wenn es jemanden auf dieser Welt gab, der sie liebte, dann lohnte es sich weiterzuleben.“
Folgendes lässt sich kurz festhalten:
- Die Stimme erreichte Tove in einer besonders kritischen Lebenssituation, in der sie als Kind offenkundig nur den Selbstmord als Lösung sah,
- Die Stimme war die eines Unbekannten und es war unklar, wer sich hinter der Stimme verbarg,
- Tove wurde nicht mit ihrem Namen angesprochen,
- Die Stimme sprach ihr individuelles Defizit an: sie fühlte sich nicht geliebt und nicht gesehen.
Folgerungen
Die diversen Schilderungen deuten darauf hin, dass eine sprechende oder rufende Person in der Lage ist, sich mit ihrer dem Hörenden bekannten Stimme zu artikulieren. Die Stimme ist wiedererkennbar. Ist eine Stimme nicht wiedererkennbar, wie im Fall von Tove, ist dies ein Indiz dafür, dass es sich bei der Sprachquelle um Geistwesen (z. B. Engel) handeln könnte.
Die Reichweite einer menschlichen Stimme ist begrenzt. Selbst bei lautem Rufen ist eine Stimme, auch abhängig von den Witterungsbedingungen, kaum über etwa hundert Meter hinaus verständlich hörbar. Die sprechende oder rufende Person muss natürlich wissen, wo sich die „Zielperson“ aufhält, um sich in Richtung des bzw. der Hörenden artikulieren zu können. Wenn sich eine „Zielperson“ außer Hörweite befindet, einen Ruf aber dennoch hören kann, laufen die Erklärungsmodelle der klassischen Physik ins Leere.
Im Fall des schwerverletzten Majors war dieser bei seinem Ruf nach seiner Ehefrau eindeutig noch am Leben. Sie konnte trotz der großen Entfernung seine Stimme hören. Auch Franziska, das zwölfjährige Mädchen, konnte die Stimme ihrer Großmutter hören, obwohl sie sich eindeutig außer Hörweite befand.
Wenn sich eine „Zielperson“ außer Hörweite befindet, eröffnet dies zwei hypothetische Möglichkeiten. Die eine Möglichkeit besteht darin, dass ein Geistwesen als Übermittler den Sprechenden bzw. Rufenden für den Hörenden nicht unterscheidbar nachahmt. Die zweite Möglichkeit schreibt dem Sprechenden bzw. Rufenden die Fähigkeit zu, sich bewusst oder unbewusst außerhalb der physikalischen Gesetze zu artikulieren, und sie schreibt dem Hörenden die Fähigkeit zu, etwas außerhalb der physikalischen Gesetze zu hören. Rein hypothetisch wäre dies möglich, wenn das individuelles Selbst einer jeden der an der Kommunikation beteiligten Personen nicht-lokal (d. h. auf das jeweils eigene Gehirn beschränkt) ausgeprägt wäre. Dann wäre beispielsweise denkbar, dass Menschen miteinander in einer Art globaler Kommunikationsraum miteinander kommunizieren können.
In manchen Fällen wird berichtet, dass mehrere Personen auf engem Raum anwesend sind und folglich alle in der Lage wären, eine Stimme zu hören. Allerdings nimmt nur eine Person, die „Zielperson“, diese tatsächlich akustisch wahr. Dies lässt den Schluss zu, dass es sich letztlich wahrscheinlich um eine „innere“ Stimme gehandelt haben könnte, die für den Hörenden jedoch als Stimme „von außen“ wahrnehmbar war.
Die diversen Schilderungen lassen den Schluss zu, dass sich sowohl bereits verstorbene als auch noch lebende Menschen über eine für den bzw. die Hörenden akustisch wahrnehmbare und der jeweiligen „Quellperson“ zuordnungsfähige Stimme mitteilen können. Im zuvor geschilderten Fall des nach seiner Schwester und seiner Ehefrau rufenden, letztlich verstorbenen, Soldaten ist nicht erschließbar, ob er noch zu Lebzeiten oder als bereits Verstorbener rief.
Die Möglichkeit, Stimmen zu hören, die aufgrund physikalischer Gesetze unmöglich gehört werden können, erscheint als ein äußerst rätselhaftes Phänomen. Im Teil „Queranalyse“ wird dieses Phänomen weiter untersucht.