Taxonomie der TranszendenzerfahrungenLesezeit: 7 Min.

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Eine Taxonomie der Transzendenzerfahrungen schafft Klarheit hinsichtlich der Arten von Transzendenzerfahrungen und der Begrifflichkeit.

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Was geschieht mit mir wenn ich sterbe - Gestaltung: privat

Dieser Beitrag ist Teil der Serie „Was geschieht mit mir wenn ich sterbe?
Grobes Inhaltsverzeichnis

Der Begriff „Transzendenz“ stammt vom lateinischen Wort „transcendere“ ab. Eine sinngemäße Entsprechung in der deutschen Sprache sind die Verben „übersteigen“, „hinübersteigen“ oder „hinüberschreiten“.

Der Begriff „Transzendenz“ ist durchaus mit unterschiedlicher Semantik belegt. Im philosophischen Verständnis bezeichnet Transzendenz das denkerische Überschreiten der sinnlich erkennbaren Welt, des Diesseits, eines gegebenen Bezugsfelds. Das Transzendente existiert losgelöst und unabhängig und übertrifft ein gegebenes Bezugsfeld. Im religiösen Verständnis ist es vor allem Gott, der als allmächtiges und transzendentes Wesen angesehen wird. Gott übersteigt den Menschen und auch alles Weltliche und Vergängliche. In der Psychologie wird Transzendenz als Überschreiten der Erfahrung und der im Bewusstsein gegebenen Grenzen verstanden (siehe Lexikon der Psychologie). Diese Untersuchung folgt diesem Verständnis.

Eine Transzendenzerfahrung lässt sich als erlebtes Übersteigen der dem Bewusstsein gegebenen Grenzen verstehen. Sie kann, je nach Art, im Wach- oder Schlafzustand erlebt werden. Hilfsmittel, wie Drogen oder Alkohol, welche je nach Dosierung eine mehr oder weniger starke Bewusstseinsveränderung durch körperliche Manipulation verursachen, werden nicht angewendet. Durch derartige Hilfsmittel lassen sich Transzendenzerfahrungen durchaus künstlich hervorrufen.

Für ein besseres Verständnis, welche Arten von Transzendenzerfahrungen bekannt sind und wie sich diese in einen Kontext einordnen lassen, erscheint eine Taxonomie sehr hilfreich. Eine Taxonomie bezeichnet ein einheitliches Verfahren oder Modell (Klassifikationsschema), mit dem Objekte oder sprachlicher Begrifflichkeiten nach bestimmten Kriterien klassifiziert werden. Üblicherweise wird eine Taxonomie in einer Baumstruktur ausgedrückt. Es gibt ein eindeutiges Wurzelelement, von dem aus, vom Allgemeinen zum Besonderen fortschreitend, weiter untergliedert wird. Auf diese Weise entsteht eine Begriffsklassifikation, eine Klassifikation von Termini, die gleichzeitig auch ein kontrolliertes Vokabular verkörpert.

Begriffshierarchie

Die hier dargestellte Taxonomie berücksichtigt bekannte Arten von Transzendenzerfahrungen. Sie erhebt keinerlei Anspruch auf Vollständigkeit. Zudem werden nicht alle in der Taxonomie enthaltenen Transzendenzerfahrungen in dieser Untersuchung berücksichtigt.

Taxonomie Transzendenzerfahrungen - Quelle: Dieter Jenz
Quelle: Dieter Jenz

Hinweis: Diese Taxonomie wurde mit Hilfe eines Ontologie-Editors erstellt. Die Termini sind in der „CamelCase“-Schreibweise dargestellt. Bei dieser Schreibweise werden mehrere Wörter aneinandergereiht. Anstatt Leerzeichen zwischen die Wörter zu setzen, wird der Anfangsbuchstabe eines jeden neuen Wortes großgeschrieben. Die Großbuchstaben ragen wie die Höcker eines Kamels aus dem Wort heraus.

Individuelle Transzendenzerfahrung

Eine individuelle Transzendenzerfahrung wird nur von einer Person erlebt. Zwar können andere Personen (z. B. Angehörige, medizinisches Fachpersonal) die Transzendenzerfahrung indirekt miterleben, indem sie beispielsweise auffällige Gestik wahrnehmen, der eigentliche Gehalt der Transzendenzerfahrung bleibt ihnen jedoch verborgen.

Intentionale Transzendenzerfahrung

Der im intrauniversalen Existenzraum, dem Diesseits, lebende Mensch sucht die Transzendenzerfahrung aus eigener Initiative und zu einem selbst gewählten Zeitpunkt. Auch Dauer und Beendigung einer derartigen Transzendenzerfahrung unterliegen der Kontrolle des Erfahrungssuchenden.

Jenseitskontakt

Ein Jenseitskontakt verfolgt das Ziel, eine Kommunikation mit einem bereits Verstorbenen oder einem im extrauniversalen Existenzraum, dem Jenseits, „beheimateten“ Geistwesen herzustellen. Der Kontakt kann entweder selbst oder über ein Medium, eine Person mit medialen Fähigkeiten, hergestellt werden. Wird der Kontakt über ein Medium hergestellt, übernimmt dieses die Rolle eines Vermittlers. Das Medium erlebt die Transzendenzerfahrung unmittelbar, der Auftraggeber lediglich mittelbar. Er ist darauf angewiesen, was das Medium von dieser Erfahrung preisgibt.

Gebet

Ein Gebet bezeichnet eine verbale oder nonverbale Zuwendung an ein transzendentes Wesen (Gott). Ein Gott ist deshalb transzendent, weil er über der Welt und nicht in der Welt ist. Mit anderen Worten: Gott ist nicht Teil des sichtbaren Universums.

Das Gebet kann in rituellem Rahmen mit vorgegebenen Worten oder frei selbstformuliert erfolgen. Es setzt die Vorstellung eines persönlichen Gottes voraus, der für das Gebet empfänglich ist und gegebenenfalls darauf reagiert. Diese Empfänglichkeit Gottes ist in den monotheistischen Offenbarungsreligionen (Judentum, Christentum, Islam) gegeben. In manchen anderen Religionen, wie beispielsweise dem Buddhismus, fehlt die Vorstellung eines persönlichen Gottes.

Vor diesem Hintergrund erfüllt das Gebet die Kriterien für eine Transzendenzerfahrung. In dieser Untersuchung wird jedoch auf diesen Typus einer Transzendenzerfahrung nicht weiter eingegangen.

Meditation

Meditation bezeichnet eine Gruppe von Geistesübungen, die mit Hilfe medidativer Techniken erfolgen. Ein wesentliches Element meditativer Techniken ist das bewusste Steuern der Aufmerksamkeit. Im Vordergrund steht das Bestreben, Gedanken loslassen zu können, bewusste Handlungen auszuschalten, und zu ruhevoller Wachheit und zu mehr Gelassenheit zu gelangen.

Eine „gelungene“ Meditation führt zur tiefen, inneren Erfahrung einer Selbsttranszendenz, mithin zu einer Transzendenzerfahrung. In dieser Untersuchung wird jedoch auch auf diesen Typus einer Transzendenzerfahrung nicht weiter eingegangen.

Nichtintentionale Transzendenzerfahrung

Der im intrauniversalen Existenzraum, dem Diesseits, lebende Mensch erlebt die Transzendenzerfahrung überraschend und ohne eigenes Zutun. Die Transzendenzerfahrung wird nicht willentlich gesucht; sie kann nur erfahren werden. Der Aspekt der Überraschung ist mit dem Aspekt der Unplanbarkeit hinsichtlich des Zeitpunkts und der Dauer verknüpft.

Situationsungebundene Transzendenzerfahrung

Eine situationsungebundene Transzendenzerfahrung ist aus der Perspektive des Erlebenden nicht oder zumindest nicht unmittelbar mit einem konkreten auslösenden Ereignis verknüpft. Sie geschieht unvorhergesehen.

Nachtodkontakt

Ein Nachtodkontakt bezeichnet eine spontane und unvorhergesehene Kontakterfahrung mit einem bereits Verstorbenen. Dieser kontaktiert die im Diesseits lebende Person direkt und unmittelbar und stellt, bildlich ausgedrückt, die Verbindung her. Eine dritte Person, wie beispielsweise ein Medium, ist – im Unterschied zu den bereits kurz skizzierten indirekten Jenseitskontakten – nicht beteiligt.

Die Dauer der Kontakterfahrung wird vom Verstorbenen oder einem dem Erlebenden unbekannten Wesen bestimmt und ist der Kontrolle des Erlebenden entzogen. Es kann durchaus vorkommen, dass im Zeitverlauf mehrere Nachtodkontakte zustande kommen, jedoch ist keiner dieser Kontakte vom Erlebenden prognostizierbar.

Geistwesenkontakt

Ein Geistwesenkontakt bezeichnet eine spontane und unvorhergesehene Kontakterfahrung mit einem Geistwesen, das im extrauniversalen Existenzraum „beheimatet“ ist. Bei diesem kann es sich um Gott, einen Engel oder ein anderes Geistwesen handeln. Für einen Geistwesenkontakt gelten sinngemäß dieselben Kriterien wie für den Nachtodkontakt.

Situationsgebundene Transzendenzerfahrung

Eine situationsgebundene Transzendenzerfahrung ist aus der Perspektive des Erlebenden mit einem konkreten Zustand oder auslösenden Ereignis, beispielsweise einem Herzstillstand und dessen Folgen, verknüpft. Umfang, Tiefe und Dauer der Transzendenzerfahrung sind vom Erlebenden nur in geringem Umfang beeinflussbar.

Personen, die den Zustand oder das auslösende Ereignis kennen, wie beispielsweise Ärzte, Pflegepersonen, und Angehörige können einen unmittelbaren Bezug herstellen, wenn ihnen die Transzendenzerfahrung geschildert wird.

Sterbebettvision

Sterbebettvisionen bezeichnen Erfahrungen von Sterbenden, die relativ kurz (Minuten, Stunden oder auch wenige Tage) vor dem endgültigen Überschreiten der Schwelle des biologischen Todes geschehen. Eine Sterbebettvision umfasst typischerweise die Wahrnehmung bereits Verstorbener, zu denen zu deren Lebzeiten eine positive emotionale Beziehung bestand, oder von Geistwesen. Der Sterbende erlebt einen „Sichtkontakt“, der jedoch Anwesenden (z. B. Angehörigen) nicht möglich ist.

Eine Sterbebettvision wird nicht vom Sterbenden initiiert. Sie geschieht, auch was deren Dauer anbelangt, außerhalb seiner Kontrolle.

Nahtoderfahrung

Als Nahtoderfahrung (NTE) wird ein breites Spektrum tiefgreifender persönlicher Erfahrungen bezeichnet, die von Menschen während einer lebensbedrohlichen Situation erlebt werden. Eine Nahtoderfahrung kann verschiedene Elemente umfassen, so beispielsweise: außerkörperliche Wahrnehmungen, Tunnel-, Licht-, Jenseits- und Weltraumerfahrungen, Begegnungen mit Verstorbenen oder Geistwesen. Eine bidirektionale telepathische Kommunikation wird verschiedentlich berichtet.

Jede Nahtoderfahrung wird völlig individuell erlebt. Dieses individuelle Erfahren umfasst, welche Elemente einer Nahtoderfahrung während dieser konkret erlebt werden, welche Tiefe die Erfahrung annimmt und wie lange diese andauert.

Kollektive Transzendenzerfahrung

Eine kollektive Transzendenzerfahrung wird von mehreren Personen gleichzeitig erlebt. Alle erlebenden Personen teilen eine gemeinsame Erfahrung, die sich jedoch individuell spezifizieren kann. Als Beispiel mögen Marienerscheinungen gelten, die gleichzeitig von mehreren Personen wahrgenommen wurden bzw. werden.

Beziehungen zu Kommunikationserfahrungen und Wahrnehmungselementen

Eine Transzendenzerfahrung steht je nach Art mit einer Kommunikationserfahrung (z. B. verbale Mitteilung, telepathische Interaktion) in Beziehung. Während beispielsweise ein Nachtodkontakt oder eine Sterbebettvision ohne Kommunikationserfahrung nicht denkbar sind, beschränkt sich, als Beispiel, die Meditation auf die „Innenwelt“ des Meditierenden. Er kommuniziert gewissermaßen mit sich selbst.

Bei einer Nahtoderfahrung wird zwar häufig, jedoch nicht in jedem Fall, eine Kommunikationserfahrung erlebt. Gleiches gilt auch für den Geistwesenkontakt.

Des Weiteren beinhaltet eine Transzendenzerfahrung je nach Art auch ein oder mehrere Wahrnehmungselemente, wie beispielsweise eine Tunnelerfahrung, die Wahrnehmung eines außerweltlichen Umfelds oder eine Wahrnehmung des Geistleibs eines bereits Verstorbenen oder eines Geistwesens mit dem Tastsinn.

Die Beziehungen zu Kommunikationserfahrungen und Wahrnehmungselementen werden an anderer Stelle eingehender beleuchtet.

Ich bin Dieter Jenz, Begleiter, Berater und Coach mit Leidenschaft. Über viele Jahre hinweg habe ich einen reichen Schatz an Kompetenz und Erfahrung erworben. Meine Themen sind die "4L": Lebensaufgabe, Lebensplanung, Lebensnavigation und Lebensqualität.