Wie glaubwürdig sind Berichte zu Transzendenzerfahrungen?Lesezeit: 11 Min.

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Wie glaubwürdig sind Berichte zu Transzendenzerfahrungen (Nahtoderfahrungen, Sterbebettvisionen usw.)? Eine spannende Frage!

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Was geschieht mit mir wenn ich sterbe - Gestaltung: privat

Dieser Beitrag ist Teil der Serie „Was geschieht mit mir wenn ich sterbe?
Grobes Inhaltsverzeichnis

Im Lauf der Geschichte wurden eine Vielzahl von Transzendenzerfahrungen (Nahtoderfahrungen, Sterbebettvisionen, Nachtodkontakte usw.) aus nahezu allen Regionen der Erde berichtet. Wie bereits deutlich wurde, ist das Spektrum berichteter Transzendenzerfahrungen überaus breit. In einer gesamtheitlichen Betrachtung stellt sich nunmehr die Frage, welche Glaubwürdigkeit derartigen Schilderungen zugemessen werden kann.

Einige Schilderungen von Transzendenzerfahrungen ließen sich im Nachhinein verifizieren. Wenn weder Berichtender noch Zuhörer objektiv Kenntnis von einem geschilderten Umstand haben können, sich dieser aber als nachprüfbar zutreffend erweist, gilt eine Schilderung als verifiziert (s. a. „Peak in Darien“-Phänomen). Dies ist beispielsweise der Fall, wenn ein Sterbender in einer Sterbebettvision einem Verstorbenen begegnet, dessen kürzlicher Tod objektiv noch niemand, also weder dem Sterbenden selbst noch anwesenden Personen, bekannt sein kann.

Die weitaus meisten Schilderungen von Transzendenzerfahrungen lassen sich nicht verifizieren. Es handelt sich um subjektive Schilderungen individueller Erfahrungen, wobei es dem Berichtenden überlassen bleibt, ob eine Transzendenzerfahrung vollständig und exakt so wie sie erlebt wurde geschildert wird. Dem Berichtenden bleibt es ebenfalls überlassen, wie eine Schilderung mit verbalen, nonverbalen und paraverbalen Ausdrucksmöglichkeiten wiedergegeben wird. Somit bleibt stets auch ein gewisses Risiko einer Fehlinterpretation durch einen Zuhörer oder Leser, wenn beispielsweise die Kommunikationspartner Begriffe unterschiedlich interpretieren.

Einflussfaktoren auf die Art und Weise von Schilderungen

Vor dem Hintergrund, dass die meisten Transzendenzerfahrungen nicht durch belegbare Fakten objektiv verifiziert werden können, stellt sich die entscheidende Frage: Wie glaubwürdig sind nicht verifizierbare Transzendenzerfahrungen? Um einer Antwort näher zu kommen, ist eine Betrachtung möglicher Einflussfaktoren hilfreich.

Beschreibbarkeit

Jede Transzendenzerfahrung ist in Raum und Zeit einzigartig und nicht exakt identisch wiederholbar. Fast ausnahmslos handelt es sich um eine in jeder Hinsicht überwältigende Erfahrung, die – mit Ausnahme intentionaler Transzendenzerfahrungen (siehe Taxonomie der Transzendenzerfahrungen) – überraschend geschieht und den Erlebenden völlig unvorbereitet trifft. Die Nahtoderfahrung ist dafür ein typisches Beispiel.

Die meisten Transzendenzerfahrungen lassen sich mit den Mitteln der Sprache nicht wirklich ausdrücken. Wie sollte etwas treffend beschrieben werden, das im intrauniversalen Existenzraum, dem Diesseits, nicht existiert? Menschen, die eine Nahtoderfahrung erlebten, berichten beispielsweise von überwältigenden visuellen und akustischen Wahrnehmungen, telepathischer Kommunikation mit Wesen, denen sie begegneten, und Loslösung vom Raum-Zeit-Kontinuum des Diesseits – allesamt Wahrnehmungen, die im Diesseits nicht erlebbar sind.

Im Grunde muss eine Transzendenzerfahrung in Worte gefasst werden, die etwas Erlebtes so übersetzen, dass es für Menschen ohne einen derartigen Erfahrungshintergrund einigermaßen verständlich wird. Dies wird abhängig von den Ausdrucksmöglichkeiten eines Betroffenen mehr oder weniger gut gelingen. Zudem besteht, wie bereits angedeutet, die Gefahr von semantischen Missverständnissen zwischen Berichtendem und Hörer bzw. Leser.

Subjektive Deutung

Eine ohnehin einzigartige Transzendenzerfahrung verbindet sich mit dem einzigartigen individuellen Selbst des Erlebenden. Im individuellen Selbst finden u. a. persönliche Prägungen, Einstellungen und Überzeugungen ihren Ausdruck. Diese ebenfalls einzigartige Konstellation kann nicht ohne Einfluss auf Deutung und Beschreibung einer Transzendenzerfahrung bleiben.

Angenommen, ein bisher vom Materialismus überzeugter Mensch erlebt eine Nahtoderfahrung, während der er im extrauniversalen Existenzraum Gott oder einem göttlichen Wesen begegnet. In der Konsequenz entsteht ein eklatanter Konflikt mit der bisherigen Überzeugung. Schließlich spiegelt der Materialismus eine philosophische Vorstellung wider, die alle Vorgänge und Phänomene der Welt auf Materie und deren Gesetzmäßigkeiten und Verhältnisse zurückführt. Selbst Gedanken, Gefühle oder das Bewusstsein können auf Materie zurückgeführt werden. Etwas das nicht Materie ist, wie beispielsweise Gott, findet im Materialismus keinen Raum.

Nun stellt sich die Frage, wie der Betroffene die Nahtoderfahrung deutet und schildert. Wird er versuchen, sein bisheriges Weltbild zu bewahren und seine Transzendenzerfahrung so schildern, dass sie mit ihm in Übereinstimmung zu bringen ist? Oder wird er mit seiner bisherigen Überzeugung brechen? Oder versucht er eine Art Mittelweg zu finden, der darin bestehen könnte, seine Transzendenzerfahrung als eine Art Halluzination zu erklären.

Auch im entgegengesetzten Fall stellt sich das Problem. Angenommen, ein nomineller Christ erlebt während einer Nahtoderfahrung einen Lebensrückblick, der für ihn nicht positiv ausfällt. Ein göttliches Wesen, von dessen Existenz er bisher ausging, ist für ihn nicht wahrnehmbar. Wie wird er seine Nahtoderfahrung deuten und schildern? Möglicherweise wird er all dies, was sich mit seiner bisherigen Überzeugung nicht vereinbaren lässt, in seiner Schilderung nicht erwähnen.

Soziokultureller Kontext

Eine Transzendenzerfahrung lässt sich darüber hinaus, wie bereits an anderer Stelle deutlich wurde, nicht von ihrem soziokulturellen Kontext trennen. Eine Nahtoderfahrung in Südostasien mag anders erlebt und mit kulturspezifisch anderen sprachlichen Beschreibungsformen geschildert werden als eine in Westeuropa. Insofern ist eine semantische Vergleichbarkeit nicht gegeben.

In keiner Konstellation lässt sich überprüfen, ob eine Schilderung einer Transzendenzerfahrung das Erlebte vollständig und erlebnisgetreu wiedergibt. Immer wenn das individuelle Selbst berührt wird, kommt auch die Frage, wie das Geschilderte von anderen wahrgenommen und bewertet wird, ins Spiel. In Westeuropa, als Beispiel, werden Schilderungen von Transzendenzerfahrungen vergleichsweise mit einem wesentlich höheren Maß an Skepsis aufgenommen als in Südostasien.

Auch im diesseitigen Leben löst beispielsweise die im Alltagsleben häufige, jedoch das individuelle Selbst berührende Frage „Wie geht es dir?“, Überlegungen aus, wie die Antwort vom Hörenden wahrgenommen und bewertet wird. Wird wahrheitsgetreu geantwortet, beispielsweise mit „Mir geht’s schlecht, weil ich die ganze Nacht kein Auge zudrücken konnte. Ich weiß nicht, wie ich … verkraften soll.“? Oder wird einfach mit „Alles bestens“ geantwortet, um einen Anschein zu wahren und weiterführende Fragen zu vermeiden? Oder wird eine Antwort gewählt, die weiten Interpretationsspielraum lässt, wie beispielsweise „Ich kann nicht besser klagen“ oder „Du weißt ja, es ist immer Luft nach oben“?

Ausschlaggebend ist natürlich auch, wem etwas berichtet wird. Menschen, mit denen eine positive emotionale und gleichzeitig vertrauensvolle Beziehung besteht, werden eine andere Schilderung hören als Menschen, zu denen ein Gelegenheitskontakt besteht. Wenn also Menschen schon bei alltäglichen Fragen, wie der Frage nach dem persönlichen Befinden, Sachverhalte schönen oder einfach nur anders darstellen (oder auch lügen), wieso sollten sie sich anders verhalten, wenn sie über eine Transzendenzerfahrung berichten?

Damit wird keinesfalls generell unterstellt, dass Schilderungen von Transzendenzerfahrungen unglaubwürdig sind. Die Möglichkeit, dass sie im Einzelfall das Erlebte nicht vollständig und erlebnisgetreu wiedergeben, ist jedoch nicht von der Hand zu weisen.

Erkenntnisgewinn auf Basis von Referenzkriterien

Um eine allgemeine Aussage zum Gehalt von Transzendenzerfahrungen treffen zu können, bietet es sich an, ein oder mehrere Kriterien zu definieren, die im Jenseits erwartbare Ereignisse und/oder Zustände widerspiegeln. Aus dem intrauniversalen Existenzraum, dem Diesseits, lässt sich jedoch nicht erschließen, wie der extrauniversale Existenzraum, das Jenseits, beschaffen sein könnte und welche Wesen dort existieren könnten. Lediglich das religiöse Schriftgut der Weltreligionen liefert diesbezüglich mehr oder weniger konkrete Hinweise.

Vor diesem Hintergrund bietet es sich an, auf diesen Aussagen aufbauend Kriterien zu definieren, die in sämtlichen Kulturkreisen bekannt sind und diskutiert werden. Für diese Untersuchung werden in Fortführung dieses Gedankens zwei Referenzkriterien bestimmt, die in die geistig-spirituelle Domäne fallen: das Wesen Gottes und Reinkarnation.

Das Wesen Gottes erschließt sich aus dem jeweiligen Schrifttum der Weltreligionen. Wie bereits erwähnt, sind die Gottesbilder der Weltreligionen jedoch keineswegs semantisch deckungsgleich. Die Frage der Reinkarnation ist etwas anders gelagert, da sie insbesondere in den Erfahrungsreligionen (Hinduismus, Buddhismus) und der Esoterik im weiteren Sinne verankert ist, nicht jedoch in den Offenbarungsreligionen (Judentum, Christentum, Islam).

Von der Warte des intrauniversalen Existenzraums, des Diesseits, aus betrachtet lassen sich beide Fragen nicht eindeutig klären. Das religiöse Schrifttum der Weltreligionen liefert, gesamtheitlich betrachtet, widersprüchliche Antworten. Zur eindeutigen und endgültigen Klärung bedarf es deshalb einer konkreten Offenbarung aus dem extrauniversalen Existenzraum, dem Jenseits. Transzendenzerfahrungen, insbesondere Nahtoderfahrungen, könnten zu dieser Klärung beitragen.

Wie das sehr breite Spektrum der Erfahrungselement allerdings zeigt, schränken insbesondere zwei Faktoren den Erkenntnisgewinn von Transzendenzerfahrungen ein: semantische Differenzen und Widersprüche sowie ein begrenzter Einblick.

Semantische Differenzen und Widersprüche

Hinsichtlich der Referenzkriterien zeigen sich in geschilderten Transzendenzerfahrungen semantische Differenzen und Widersprüche. Dadurch bedingt kommen erhebliche Zweifel an der Glaubwürdigkeit der Schilderungen auf.

Nach den Gesetzen der Logik reicht eine einzige semantische Differenz (z. B. welches Subjekt bestimmt, ob eine Reinkarnation erforderlich ist) oder Widerspruch (z. B. eine Reinkarnation ist möglich bzw. nicht möglich), um allen damit in Beziehung stehenden Berichten von Transzendenzerfahrungen die Aussagekraft abzusprechen. Kein einziger Bericht könnte als glaubwürdig gelten; die Glaubwürdigkeit wäre „unbekannt“.

Diese „harte“ Folgerung berücksichtigt jedoch nicht unterschiedliche Gegebenheiten und Situationen. Im realen Leben mag sich beispielsweise ein Verkehrsunfall ereignen. Mehrere Zeugen melden sich. Doch ihre Aussagen sind nicht deckungsgleich, sondern weichen voneinander ab. Ein Grund dafür mag sein, dass sich die Zeugen an unterschiedlichen Stellen befanden und somit das Geschehen aus unterschiedlichen Blickwinkeln beobachteten. Was ein Zeuge von seinem Ort aus sehen konnte, war einem anderen möglicherweise verborgen, da von einem Objekt verdeckt. Voneinander abweichende Aussagen sind für Ermittler der Normalfall, nicht die Ausnahme. Im Gegenteil: Würden sich die Aussagen aller Zeugen bis ins Detail decken, wäre dies ein Anlass für den Verdacht, dass sich Zeugen abgesprochen haben.

Sinnentsprechend dürfen semantische Differenzen und Widersprüche nicht unmittelbar zum Anlass genommen werden, alle Schilderungen von Transzendenzerfahrungen pauschal für unglaubwürdig zu erklären. Vielmehr gilt es mögliche und nachvollziehbare Gründe dafür zu finden, wie es zu semantischen Differenzen und Widersprüchen kommen kann. Im Optimalfall lassen sich alle semantischen Differenzen und Widersprüche rational erklären. Wenn dies gelingt, ergibt sich ein besseres Gesamtverständnis, das wiederum wertvolle Hinweise auf die Art und Weise der menschlichen Lebensgestaltung im Diesseits vermitteln kann.

Begrenzter Einblick

Wie bereits erkennbar wurde, sind Transzendenzerfahrungen durch eine große Vielfalt von Erfahrungsmustern geprägt. Manche Erlebende von Nahtoderfahrungen können Gott, Jesus Christus oder ein anderes göttliches Wesen während ihrer Erfahrung eindeutig identifizieren, andere wiederum erleben eine derartige Begegnung nicht. Manche nehmen Gott als personales Wesen wahr, andere wiederum als Energie (z. B. als Licht).

Die im bereits kurz skizzierten Beispiel angesprochenen unterschiedlichen Zeugenaussagen nach einem Verkehrsunfall lassen sich durch unterschiedliche Blickwinkel der Zeugen erklären. Im Hinblick auf die Gegebenheiten im Jenseits würde dies in der Analogie bedeuten, dass Erlebende nicht die gesamte Realität des extrauniversalen Existenzraums, des Jenseits, erfassen oder dazu überhaupt in der Lage sind.

Ein bekanntes Gleichnis, das buddhistische Elefantengleichnis, illustriert die begrenze Wahrnehmung sehr anschaulich. Dieses Gleichnis schildert, wie eine Gruppe blinder Menschen einen Elefanten abtastet. Jeder einzelne nimmt etwas anderes wahr (Fuß, Rüssel, Ohr usw.) und hält dieses Teilstück irrigerweise für das Ganze. In der Konsequenz widersprechen sich die verschiedenen begrenzten Wahrnehmungen zumindest teilweise. Die sich ergebende Auseinandersetzung zwischen den Wahrnehmenden hinsichtlich Teilwahrheiten ist in der Konsequenz sinnlos, da keiner ein Gesamtbild gewinnen kann und die ganze Realität den Wahrnehmenden letztlich verborgen bleibt.

Auch im Diesseits ist es keinem Menschen möglich, die ganze Realität des beobachtbaren Universums zu erfassen. Niemand verfügt über universales Wissen in allen Bereichen von Wissenschaft, Technik usw. Stets bleibt der Einblick auf einen mehr oder weniger großen Ausschnitt der Realität begrenzt. Vor diesem Hintergrund erscheint es aus dem Blickwinkel des Diesseits erst recht völlig unmöglich, die ganze Realität des Jenseits erfassen zu können.

Folgerungen

In der Gesamtschau besteht kein Anlass, von Vornherein und generell an der Glaubwürdigkeit nicht verifizierbarer Transzendenzerfahrungen zu zweifeln. Gleichwohl mag es in Einzelfällen vorkommen, dass aus unterschiedlichsten Motiven heraus (z. B. Geltungsdrang) eine Schilderung einer Transzendenzerfahrung frei erfunden oder verfälscht wiedergegeben wird.

Unter dem Vorzeichen, dass wohl jeder Erlebende eine Transzendenzerfahrung als subjektiv einzigartig und überwältigend wahrnimmt, sind damit gleichzeitig auch Grenzen gesetzt. Ein Einblick in das Jenseits lässt sich vom Subjekt nicht trennen. Selbst wenn behauptet wird, in einem Augenblick gewissermaßen universales Wissen erlangt zu haben, ist nicht sichergestellt, dass „universal“ mit „absolut universal“ gleichgesetzt werden kann.

In der Konsequenz erscheint angeraten, einzelne Schilderungen individueller Transzendenzerfahrungen mit gewisser Zurückhaltung zu betrachten und sie nicht überzubewerten. Jede einzelne Schilderung repräsentiert schließlich lediglich einen begrenzten Einblick in das Jenseits vor dem Hintergrund eines individuellen Selbst mit persönlicher Geschichte, Einstellungen und Überzeugungen.

Wenn über eine Vielzahl von Schilderungen hinweg semantisch identische Elemente (z. B. Lebensrückblick und dessen Beurteilung) erkennbar werden, ergibt sich ein verlässlicheres, wenn auch noch immer relativ unscharfes Bild hinsichtlich der Verhältnisse im Jenseits. Um sich einem Gesamtbild anzunähern erscheint es als sinnvoll, Gemeinsamkeiten in den anekdotischen Schilderungen von Transzendenzerfahrungen stärker zu gewichten als die vielleicht sogar spektakuläre Einzelerfahrung.

Ich bin Dieter Jenz, Begleiter, Berater und Coach mit Leidenschaft. Über viele Jahre hinweg habe ich einen reichen Schatz an Kompetenz und Erfahrung erworben. Meine Themen sind die "4L": Lebensaufgabe, Lebensplanung, Lebensnavigation und Lebensqualität.