Glücksblind sein – das Glück nicht erkennen, nicht sehen können? Vielen Menschen scheint es so zu gehen. Und wenn ich an mich denke: bin ich auch glücksblind und sehe nicht das Glück, das ich habe?
Bestimme ich ausschließlich selbst, wie ich mich in diesem Augenblick fühle, wie glücklich oder unglücklich ich gerade bin? Sicherlich nur zu einem Teil.
Zum einen bin ich mit genetischen Veranlagungen auf die Welt gekommen, die mich prägen und die ich nicht einfach abschütteln kann. Zum anderen spielen natürlich auch meine Lebensumstände eine Rolle. Meine Eltern und das nähere wie weitere Familienumfeld konnte ich mir nicht aussuchen. Ich wuchs in einem bestimmten Milieu auf, fast alles davon fremdbestimmt: der Kindergarten, die Schule, die Nachbarschaft und vieles mehr.
Und dann sind da meine aktuellen Lebensumstände. Auch da ist vieles fremdbestimmt. Vielleicht wurde die Firma, in der ich arbeite, gerade von einem anderen Unternehmen übernommen, und jetzt ist mein Arbeitsplatz in Gefahr. Vielleicht ist mein Karriereplan so nicht mehr realisierbar. Oder vielleicht lässt sich der Kinderwunsch mit meinem Partner bzw. meiner Partnerin nicht verwirklichen. Oder vielleicht hat mich ein schwerer Schicksalsschlag getroffen.
Vieles in meinem Leben liegt außerhalb meines Einflussbereichs. Aber manches habe ich immerhin selbst in der Hand, kann ich selbst gestalten.
Ich entscheide, wie ich lebe. Damit ist nicht in erster Linie der materielle Aspekt gemeint. Schließlich kann ich nicht einfach mein monatliches Einkommen „von jetzt auf gleich“ vervielfachen oder andere für mich arbeiten lassen und das Leben in vollen Zügen genießen. Es geht vielmehr um das, was mich in meinem Innersten befriedigt und glücklich macht.
Was macht mich wirklich glücklich? Wenn ich das weiß, dann kann ich mich selbst verändern. Ich kann mir Dinge angewöhnen oder abgewöhnen. Ich kann mich jeden Tag verändern, kann mich entscheiden, mein Umfeld mit anderen Augen wahrzunehmen, kann eingefahrene Bahnen verlassen und das, was sich in meinem Einflussbereich befindet, verändern. Jeden Tag kann ich wieder neu entscheiden, wie ich lebe. Ich kann bewusst das tun was mich erfüllt, was mich glücklich macht, und sei es auch nur in ganz kleinen Dingen.
Es gibt unendlich viele Möglichkeiten. Jemand findet zum Beispiel Freude daran, Brötchen selbst zu backen. Er nimmt bewusst wahr, wie er den Teig formt, wie etwas Gestalt annimmt. Wenn die Brötchen fertig sind und er die Backofentür öffnet, freut er sich am Geruch der frischen Brötchen.
Jemand anderes erlebt Freude am Radfahren. Er genießt den Fahrtwind, erlebt auch bewusst die Anstrengung, wenn es bergan geht. Er freut sich an den Blumen am Wegrand. Er ist dankbar, dass er sich überhaupt bewegen kann.
Ich kann etwas dafür tun, damit ich nicht glücksblind bin. So kann ich mir zum Beispiel jeden Abend bewusst machen, was ich an diesem Tag an Schönem erlebt habe, was mich glücklich gemacht hat. Wenn ich möchte, kann ich das in ein Buch schreiben, um es für spätere Zeiten festzuhalten.
Schließlich befinde ich mich auf einer Reise. Jeder Tag ist etwas einmaliges. Wenn ich das Leben mit einer Wanderung von Hütte zu Hütte vergleiche, dann komme ich an jeder Hütte genau einmal vorbei. Am nächsten Tag gehe ich weiter und kehre nicht mehr zurück. Und dann schaue ich wieder achtsam, was ich an Glück erlebe.