Was sind meine Entwicklungsziele? Wenn mir ein bestimmtes Ziel wichtig ist, arbeite ich konsequent darauf hin. Habe ich etwa ein bestimmtes Berufsziel, dann interessieren mich die dafür wichtigen Kriterien. Wenn ich beispielsweise Pilot werden möchte, sind bestimmte Kriterien wichtig, so etwa: Schulbildung, körperliche Fitness, charakterliche Eignung (Verantwortungsbewusstsein, Disziplin, Zuverlässigkeit und Teamfähigkeit), Sprachkenntnisse usw.
Wenn ich diese Kriterien nicht erfülle, werde ich noch nicht einmal zur Ausbildung zugelassen. Ich kann aber zumindest bei manchen Kriterien daran arbeiten, sie zu erfüllen. Falls mir die Sprachkenntnisse fehlen sollten, kann ich sie mir gezielt aneignen und beispielsweise durch einen Auslandssaufenthalt auf das erforderliche Niveau bringen.
Auch wenn ich schon mitten in meinem Berufsleben stehe, bin ich zur Weiterentwicklung gezwungen. Ständig muss ich mich weiterbilden, damit ich mit den sich fortwährend verändernden Anforderungen und Entwicklungen Schritt halten kann. Schließlich muss ich zu den Kriterien „passen“, die für meine Arbeitsstelle charakteristisch sind.
Kriterien für meine persönliche Entwicklung
Wenn ich das Bild auf mein Leben übertrage: Welche Kriterien sind für meine Entwicklung als Mensch, als Persönlichkeit, wichtig? Auf dem Fundament der Sinnhaftigkeit, d.h. dem was meinem Leben ein Gerüst gibt (Berufung, Lebensaufgabe, Lebensmotto, Lebensziele, Werte, übergeordnete Überzeugungen usw.), scheinen folgende Hauptkriterien sinnvoll:
- Beziehungen,
- Autonomie (Unabhängigkeit von anderen, von Dingen usw.),
- Ressourceneinsatz (Zeit, Kraft, Geld usw.),
- Umweltintegration (Wohnen, Arbeit, Soziales usw.)
- Wachstum (Aus- und Weiterbildung, Persönlichkeitsentwicklung usw.).
Übergeordnete Überzeugungen – die spirituelle Dimension
An dieser Stelle treffe ich auch wieder auf meine übergeordneten Überzeugungen. Gibt es nach meiner Überzeugung eine höhere Instanz, vor der ich mich nach meinem leiblichen Tod zu verantworten habe? Falls ja, welches sind dann die Kriterien, nach denen mein Leben beurteilt wird? Und wie wirken sie sich auf meine Entwicklungsziele aus?
Unsterblichkeit von Geist und Seele?
Sind Geist und Seele unsterblich? Bisher ist es nicht gelungen, einen wissenschaftlich fundierten Nachweis eines geistig-seelischen Vermögens ohne zugrunde liegende Hirnfunktion zu führen. Aus wissenschaftlicher Sicht spricht nach jetzigem Kenntnisstand alles dafür, dass mit dem Hirntod das geistige Leben eines Menschen zu Ende ist. Die nach dem Tod des Körpers weiter existierende körperlose Seele ist aus wissenschaftlicher Sicht eine unfundierte Annahme.
Christentum und Islam vertreten hingegen das Konzept des Weiterlebens nach dem leiblichen Tod. Die religiösen Textsammlungen dieser Religionen, Bibel bzw. Koran, lehren ein ewiges Leben. Geist und Seele sind unsterblich, während der irdische Körper vergeht. Bei der Auferstehung bzw. Auferweckung der Toten werden Geist und Seele mit einem unverweslichen Körper vereint. Die Konsequenz besteht nun darin, dass ich meinen Geist und meine Seele in das ewige Leben mitnehme. Den Lehren der Bibel und des Koran ist nicht zu entnehmen, dass Geist und Seele jede Bindung an das dann vorhergegangene irdische Leben verlieren. Mit anderen Worten: mein Wesen, die Charaktereigenschaften, das Erinnerungsvermögen usw., alles was mich als Persönlichkeit ausmacht, bleibt erhalten. Nur mein Körper wird erneuert.
Die Bibel legt dar, dass jeder Mensch Rechenschaft über sein Leben abzulegen hat. Dem Urteilsspruch entsprechend lebt der Mensch dann für alle Ewigkeit entweder in der Gemeinschaft Gottes (Himmel) oder der Gemeinschaft Satans (Hölle) weiter. Auch der Islam kennt Himmel und Hölle als völlig verschiedene Orte. Allah fällt das endgültige Urteil. Zwar entscheidet der Mensch zu einem großen Teil selbst durch seine Taten über sein Schicksal, jedoch kann Allah Gnade gewähren und dem Menschen trotzdem den Zugang zum Paradies gewähren. Für Christen wie für Muslime stellt sich also die Frage nach den Kriterien, nach denen dieser Urteilsspruch gefällt wird. Oder anders gefragt: Was muss ich tun, wie muss ich mich verhalten, wohin muss ich mich entwickeln, um mit meinem Leben vor Gott zu bestehen?
Der biblischen Lehre zufolge ist es einzig und alleine die Bitte um und Annahme der Vergebung der Sünden und das Vertrauen auf Jesus Christus (Glaube), die den Zugang zur Gemeinschaft Gottes ermöglichen. Ich kann mir die „Eintrittskarte“ also nicht durch gute Taten erwerben. Darüber hinaus benennt die Bibel Entwicklungsziele, die jeder Christ anstreben sollte. Gemäß der Bibel hat auch die Art und Weise, wie das Leben auf dieser Erde gelebt wurde, eine starke Auswirkung. Es gibt also eine Art „Zeugnisfächer“.
Was sind die Zeugnisfächer für mein Leben?
Diese Zeugnisfächer gibt es natürlich nicht nur für Christen, sondern auch für Muslime und indirekt auch für Buddhisten. Wenn über eine Folgeexistenzform zu entscheiden ist, muss das zurückliegende Leben gerecht bewertet werden. Die Zeugnisfächer unterscheiden sich sehr deutlich, aber es gibt sie. Die nüchterne Konsequenz lautet: Nur als Atheist kann ich ausschließlich nach meinen eigenen Werten und Vorstellungen leben. Ich bin mein eigener Richter. Allerdings muss ich dann auch das Irrtumsrisiko tragen. Gäbe es Gott und ein ewiges Leben eben doch, dann könnte es möglicherweise ein böses Erwachen geben. Ähnlich verhielte es sich für einen Atheisten, wenn es eine Reinkarnation gäbe.
Welche Zeugnisfächer, die gewissermaßen Entwicklungsziele bündeln, gibt es nun? Wie bereits erwähnt, unterschieden sich diese zwischen den Religionen. Für Christen können die Zehn Gebote grob als Zeugnisfächer angesehen werden. Die Liebe zu Gott und die Liebe zum Nächsten (dem ersten Gebot gleich gestellt) haben dabei Vorrang vor allen Einzelgeboten (siehe z.B. Markusevangelium, Kapitel 12, Verse 28-34).
Haben diese Zeugnisfächer überhaupt einen Bezug zu meiner Entwicklung? Oder geht es zentral lediglich um Verhaltensnormen, um eine Sammlung von Geboten und Verboten, die ich mechanisch zu beachten habe? Auf den ersten Blick scheint es so zu sein. Aber wenn ich tiefer einsteige und mich mit dem Sinn der Zehn Gebote beschäftige, werden sie für mich zu Entwicklungszielen. Ich erkenne, wo ich gerade stehe, und wie ich sein sollte.
Wie ist das persönliche Wertesystem gestaltet?
Wie jeder Mensch, so habe auch ich ein Wertesystem. Ein solches Wertesystem umfasst Werte, wie beispielsweise Ehrlichkeit, Fairness, Nächstenliebe, Freiheit, Zuverlässigkeit, Gerechtigkeit, Selbstbestimmung, Treue usw. Werte werden schon in der frühesten Kindheit geprägt, hauptsächlich durch die Eltern und weitere Personen im engeren familiären Umfeld.
Im Lauf der menschlichen Entwicklung wandelt sich auch das Wertesystem. Übernommene Werte werden hinterfragt und Werte, mit denen ich mich nicht identifizieren kann, werden aufgegeben. Neue Werte mögen hinzukommen.
Was ist meine Lebensanschauung?
Mein Wertesystem findet sich in meiner Lebensanschauung wieder. Diese beschreibt meine Art der Einstellung zum Leben und wie ich mein Leben sinnerfüllt führen kann. Und meine Lebensanschauung sagt auch etwas darüber aus, wohin sich mein Leben entwickeln sollte.
Erich Fromm, Psychoanalytiker, Philosoph und Sozialpsychologe, beschrieb in seinem sehr bekannten Buch „Haben oder Sein“ (1976) zwei Hauptströmungen von Lebensanschauungen: Haben“ und „Sein“, die auch zwei grundlegend unterschiedliche Existenzweisen beschreiben. Es sind „zwei verschiedene Arten der Orientierung sich selbst und der Welt gegenüber, zwei verschiedene Arten der Charakterstruktur, deren jeweilige Dominanz die Totalität dessen bestimmt, was ein Mensch denkt, fühlt und handelt“ (Erich Fromm, „Haben oder Sein“, dtv).
Die Haben-Orientierung
In der Existenzweise des Habens geht es um Besitzergreifen und Besitzens. Jedermann und alles soll zum persönlichen Besitz gemacht werden. Eine Ausprägung des Habens ist der Drang zum Konsumieren. Erich Fromm fasst es so zusammen: „Ich bin, was ich habe und was ich konsumiere“.
Wenn das „Haben“ meine Existenzweise ist, werde ich dazu neigen, betrügerisch, neidisch und ängstlich zu werden. Es geht ja darum, Besitz zu vermehren und zu verteidigen, denn er soll mir ja nicht genommen werden. Davon abgesehen wird es mir schwerfallen, dauerhaftes Lebensglück zu erfahren, denn ich werde immer neue Wünsche haben.
Die Sein-Orientierung
„Sein“ bedeutet nicht „sein“ im engeren Sinn, sondern schließt auch „werden“ und „sich verändern“ mit ein. In der Existenzweise des „Sein“ bin ich frei und unabhängig, denn ich begehre nicht, etwas zu haben. Deshalb kann ich mich beispielsweise an etwas oder über etwas, das ich nicht besitze, aufrichtig freuen.
Ich bin voller Freude darüber, dass ich meine Fähigkeiten und Kompetenzen produktiv einsetzen und nutzen kann, um Neues zu schaffen. Mit der Welt kann ich eins sein und brauche nicht selbstzerstörerisch nach etwas zu streben.
Welche Entwicklungsziele habe ich?
Sicherlich ist es hilfreich, sich zunächst die Frage „Wo stehe ich gerade?“ zu stellen. Wenn ich beispielsweise beim Nachdenken nüchtern feststelle, dass meine Charakterstruktur die eines „Haben-Menschen“ ist, kann ich mir überlegen, ob dies so bleiben soll.
Die Frage, wie ich mich entwickeln möchte und welche Entwicklungsziele ich mir vornehme, ist eine sehr Weitreichende. Einige, vielleicht sogar viele Lebensjahre, die noch vor mir liegen, werden von meinen Antworten beeinflusst. Ich stelle nichts weniger als den Kurs für mein weiteres Leben ein. Natürlich kann ich den Kurs jederzeit ändern. Der Kurs wird nicht für alle Zukunft gesetzt. Gleichwohl möchte ich nicht in „Schlangenlinien“ durch das Leben gehen.
Was möchte ich? Wie möchte ich mich entwickeln? Welches sind meine Entwicklungsziele, ganz allgemein aber auch im Blick auf meine übergeordneten Überzeugungen, mein Wertesystem und meine Lebensanschauung? Die Beschäftigung mit diesen wichtigen Fragen erfordert Zeit. Und diese Zeit ist gut investiert.
Im nächsten Schritt kann ich über konkrete Schritte nachdenken, wie ich an meinen Entwicklungszielen arbeite und wie ich sie in meine Lebensplanung einbaue. So entsteht mein Persönlicher Entwicklungsplan.