„Hab Geduld mit allen Dingen, vor allem aber mit dir selbst.“
Franz von Sales
Franz von Sales (1567-1622) war Fürstbischof von Genf, Ordensgründer, Mystiker und Kirchenlehrer. In zahlreichen Schriften betonte er die Verbindung von Religiosität und weltlicher Kultur, von Humanismus und Christentum.
Wie Ungeduld einen Angelnachmittag verderben kann
Markus (Name geändert) angelt gerne. Eines Nachmittags war er wieder an einem See, an dem er hin und wieder angelte. Doch diesmal wurde seine Geduld auf eine Probe gestellt. Es wollte einfach kein Fisch anbeißen. In seiner Nähe befanden sich weitere Angler, denen mehr Anglerglück beschieden war. Markus beobachtete, wie innerhalb kurzer Zeit mehrere Fische im Kescher (sackartiges Netz) landeten.
Langsam aber sicher begann Markus an sich zu zweifeln. Was nur machte er diesmal falsch? Warum wollte ausgerechnet bei ihm kein Fisch an den Haken? Dabei war er doch bei früheren Gelegenheiten an diesem See noch nie ohne Fisch wieder nach Hause gefahren.
Markus begann, die Geduld zu verlieren. Er stellte seine Technik um, wechselte Schwimmer, Haken und Köder. Dann, endlich, hatte auch Markus nach einiger Zeit Erfolg. Mit zwei großen Lachsforellen fuhr er nach Hause.
Später wurde Markus bewusst, wie ungeduldig er gewesen war. Eigentlich sollte es ein entspannter Angelnachmittag werden. Er aber steigerte sich in eine Verbissenheit hinein, setzte sich selbst unter Erfolgsdruck. Im Vergleich mit anderen Anglern schnitt er vorübergehend schlecht ab. Das wurmte ihn. Es wurde kein entspannter Angelnachmittag. Durch seine „Vergleicheritis“ ließ er sich selbst den Nachmittag verderben. Die schöne Natur um ihn herum nahm er überhaupt nicht richtig wahr.
Was wäre geschehen, wenn Markus geduldig geblieben wäre? Wahrscheinlich hätte er nicht anders gehandelt. Auch so hätte er irgendwann seine Technik umgestellt. Aber bei alledem wäre er gelassen geblieben. Man kann schließlich keinem Fisch befehlen, anzubeißen. Er hätte es ertragen, auch ohne Fisch wieder heimzufahren. Und er hätte den Nachmittag in der herrlichen Natur trotzdem genossen und so etwas für sein seelisches Wohlbefinden getan.
Was lässt sich durch Ungeduld beschleunigen?
Immer wieder gibt es Situationen im Leben, die Geduld erfordern. Man steht an der Kasse im Supermarkt und es will einfach nicht vorangehen. Das Bein ist gebrochen und der Heilungsprozess dauert einfach seine Zeit. Die Bewerbungsunterlagen wurden abgeschickt und man wartet auf eine Antwort. Man möchte den Partner fürs Leben kennenlernen, aber der „Richtige“ hat sich noch nicht gefunden.
Was lässt sich durch Ungeduld wirklich beschleunigen? Man könnte beispielsweise an der Supermarktkasse seinem Unmut Luft machen. Aber ginge es dadurch wirklich deutlich schneller voran? Oder würde man letztlich nur wütende Blicke auf sich ziehen?
Meistens landet man bei der Erkenntnis, dass sich vieles nicht beschleunigen lässt, egal ob man ungeduldig ist oder nicht. Manchmal kann man selbst überhaupt nichts tun. In einem Bild ausgedrückt: das Gras wächst nicht schneller, wenn man an Grashalmen zieht. Es wäre völlig sinnlos, an Grashalmen zu ziehen.
Viele Dinge brauchen einfach ihre Zeit. Nichts lässt sich beschleunigen. Warren Buffet, US-amerikanischer Unternehmer und Großinvestor, drückte es sehr plastisch so aus: „Man kann nicht ein Baby in einem Monat bekommen, indem man neun Frauen schwängert.“
Wie schadet man sich durch Ungeduld selbst?
Vielleicht gibt es ein bestimmtes Thema im Leben, bei dem sich nichts beschleunigen lässt. Die aktuelle Situation, der jetzige Zustand, wird als unbefriedigend empfunden. Es soll bzw. muss sich etwas ändern, aber man ist selbst gewissermaßen machtlos. Man müsste Geduld haben, aber man hat sie nicht, man ist ungeduldig. Wie kann sich dies auf einen selbst und andere auswirken?
Ungeduld bewirkt eine innere Unruhe. Häufig fühlt man sich angespannt, ist gereizt und reagiert genervt, wenn man auf die Unruhe angesprochen wird. Man fixiert sich auf die Situation und büßt vielleicht an Konzentrationsfähigkeit in anderen Belangen ein. Man macht sich vielleicht Vorwürfe, dass man in der einen oder anderen Situation nicht anders gehandelt hat. Möglicherweise zweifelt man auch an sich selbst. Und man versucht vielleicht sogar, die Ungeduld zu betäuben, indem man zu Alkohol, Drogen oder beruhigenden Medikamenten greift. Schließlich verliert man vielleicht die Hoffnung, dass sich etwas verändert, und damit einhergehend auch an Lebenslust.
Auch die Beziehungen zu Mitmenschen können durch die Ungeduld leiden. Man neigt dazu, andere zu kritisieren oder greift sie direkt an, weil sie sich nicht so verhalten, wie man das gerne möchte oder für notwendig hält. Dann ist der Weg nicht weit, sie unter Druck zu setzen oder ihnen gar die Schuld an der Situation zuzuweisen.
Ungeduld bewirkt nichts Gutes! Man schadet sich selbst und oft auch seinen Mitmenschen. Beziehungen können durch Ungeduld gefährdet werden und vielleicht sogar zerbrechen.
Wie kann man Geduld lernen?
Die eigene Fähigkeit zur Geduld wird zu einem gewissen Grad schon in die Wiege gelegt. In der Kindheit prägen die Eltern die Denk- und Verhaltensmuster des Kindes wesentlich mit. Solche Denk- und Verhaltensmuster, wie beispielsweise den Hang zum Perfektionismus oder ein „Schwarz-Weiß-Denken“ (entweder alles gut oder alles schlecht), werden vom Kind mangels Alternativen als „richtig“ akzeptiert.
Wenn man sich im Lauf der persönlichen Entwicklung seiner Ungeduldsmuster bewusst wird, führt kein Weg an einer inneren Auseinandersetzung vorbei. Wie ist es um die eigene Ungeduld beschaffen? Ist man vielleicht sogar pathologisch ungeduldig, indem man an irrationalen Erwartungen oder Anforderungen festhält? Inwieweit ist man bereit, sein Denken zu verändern?
Das Denken verändern, wirkt sich auf vielfältige Art und Weise aus:
- Man ist bereit, Grenzen zu akzeptieren. Man akzeptiert beispielsweise, dass Umstände so sind, wie sie sind, und dass die Umstände Grenzen definieren, die außerhalb der eigenen Macht liegen;
- Man ist bereit, Erwartungen und Anforderungen aufzugeben bzw. loszulassen. Man gesteht sich zu, dass man selbst nur das tun kann, was in der eigenen Macht steht, um Dinge nach den eigenen Vorstellungen zu gestalten;
- Man ist bereit, sich selbst zuzugestehen, dass man selbst Zeit braucht oder dass etwas Zeit benötigt;
- Man ist bereit, zu akzeptieren, dass andere Menschen Dinge besser und/oder schneller können als man selbst.
Wenn Geduld bei eigenen Vorhaben gefragt ist, kann es zur Unterstützung hilfreich sein, das Vorhaben zu quantifizieren (wie viel Zeit wird benötigt?, welche Ressourcen werden gebraucht?, usw.) und die Schätzung mit einer oder mehreren weiteren Personen zu diskutieren. Dadurch werden unrealistische Vorstellungen und Erwartungen von vornherein vermieden.
Des Weiteren ist es sinnvoll, eine Art Projektplan für das Vorhaben zu erstellen. Das Vorhaben wird in überschaubare Aufgaben untergliedert. Jede erledigte Aufgabe bietet einen Anlass, sich selbst bewusst zu machen, dass man vorangekommen ist. Wenn man Geduld bewiesen hat, kann man sich selbst auf die Schulter klopfen.
Wie kann man mit Rückschlägen umgehen?
Eingefahrene Denk- und Verhaltensweisen der Ungeduld halten sich hartnäckig. Deshalb ist es ist nicht ungewöhnlich, wenn man gelegentlich wieder in Ungeduldsmuster verfällt und Rückschläge erlebt. Wie kann man darauf reagieren?
Man kann sich darüber ärgern und streng gegen sich selbst sein, nach dem Motto: „das passiert dir jetzt nicht noch einmal!“. Oder man kann mit sich selbst nachsichtig sein und den Rückschlag mit Humor nehmen. „Bin mal wieder reingefallen. Hab‘ mir mal wieder selbst schlechte Laune gemacht.“, so oder ähnlich könnte man es sich selbst sagen und dabei lächeln.
Wenn man einen Rückschlag erlebt, ist es hilfreich, sich an all die kleinen und großen Erfolge zu erinnern, die man beim Lernen von Geduld schon erlebt hat. Und es hilft sich, ein konkretes Bild einer Situation ins Gedächtnis zu rufen, in der man Geduld bewiesen hat, und wie gut es sich angefühlt hat.
Von Rückschlägen darf man sich keinesfalls entmutigen lassen. Vielmehr gilt es, dran zu bleiben und Geduld weiter einzuüben.
Weshalb ist Geduld eine Stärke?
Mit sich selbst Geduld haben, bedeutet auch Macht über sich selbst zu haben. Man ist der Ungeduld nicht ausgeliefert, man hat sie unter Kontrolle. Man hat die Macht, loszulassen, wenn man Dinge oder Situationen nicht beeinflussen kann.
Geduld ist somit keinesfalls eine Schwäche, sondern eindeutig eine Stärke. Geduldige Menschen sind ihren Mitmenschen gegenüber aufmerksamer, souveräner und ausgeglichener. Sie setzen andere nicht ungebührlich unter Druck, wodurch es zu weniger Konflikten kommt. Außerdem können sie länger bei einem Thema bleiben, intensiver zuhören und abwarten. So können auch Argumente auf den Tisch kommen, die sonst der Ungeduld zum Opfer fallen können. Dadurch ist ein überlegteres Handeln möglich und Fehlermöglichkeiten werden reduziert.
Geduldige Menschen zeichnen sich durch einen Weitblick aus. Ihre Gelassenheit macht es ihnen leichter, bei Problemen Vor- und Nachteile zu erkennen, zu analysieren und schließlich zu überlegten Lösungen zu gelangen. Und es fällt ihnen leichter, langfristige Ziele zu verfolgen. Die Gefahr, beispielsweise bei der Partnersuche in Torschlusspanik zu geraten, und sich auf einen Menschen als Partner bzw. Partnerin einzulassen, der nicht wirklich zu einem passt, ist viel geringer als bei ungeduldigen Menschen.
Eine weitere Eigenschaft geduldiger Menschen ist ihr wertschätzender Umgang mit sich selbst. Wenn sie an einer Situation oder einem Umstand nichts ändern können, vergeuden sie nicht ihre Energie. Energievergeudung würden sie zulassen, wenn sie sich der Wut gegenüber sich selbst hingeben würden, die doch nichts zum Besseren wenden kann.
In der Gesamtschau wird deutlich, wie sehr es sich lohnt, Geduld einzuüben. Der Lohn ist eine höhere Lebensqualität. Mit Rückschlägen, einem Rückfall in alte Verhaltensmuster, muss man rechnen. Sie kommen vor, man lässt sich dadurch aber nicht beirren. Man fährt einfach fort mit der lebenslangen Übung, mit allen Dingen Geduld zu haben, vor allem aber mit sich selbst.
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