Als ich aus der Zelle durch die Tür in Richtung Freiheit ging …Lesezeit: 9 Min.

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„Als ich aus der Zelle durch die Tür in Richtung Freiheit ging, wusste ich, dass ich meine Verbitterung und meinen Hass zurücklassen musste, oder ich würde mein Leben lang gefangen bleiben.“

Nelson Mandela
Als ich aus der Zelle in Richtung Freiheit ging, N. Mandela - Gestaltung: privat
Gestaltung: privat

Nelson Mandela (1918-2013) war ein führender südafrikanischer Aktivist und Politiker im Jahrzehnte langen Widerstand gegen die Apartheid. Von 1994 bis 1999 war er der erste schwarze Präsident seines Landes. Er gilt als herausragender Vertreter im Freiheitskampf gegen Unterdrückung und soziale Ungerechtigkeit in Südafrika und war wichtigster Wegbereiter des versöhnlichen Übergangs von der Apartheid zu einem gleichheitsorientierten, demokratischen Staatswesen. 1993 wurde ihm deshalb der Friedensnobelpreis verliehen. Schon zu Lebzeiten wurde er weltweit für viele Menschen zum politischen wie auch moralischen Vorbild.

Ein langer Kampf gegen die Apartheit

Nelson Mandela wuchs in Südafrika in einem gesellschaftlichen System auf, in dem eine weiße Minderheit die schwarze Bevölkerungsmehrheit unterdrückte. Die Politik der Rassentrennung begann schon mit dem Zusammenschluss der vier Kolonien Kap, Oranje-Freistaat, Natal und Transvaal zur Südafrikanischen Union im Jahr 1910. Sie gewann mit der Regierungsübernahme der National Party im Jahr 1948 starken Auftrieb. An den vorhergehenden Parlamentswahlen durften nur Weiße teilnehmen.

Gesetzlich gerechtfertigte Benachteiligung Nicht-Weißer

1950 wurde in Südafrika ein Gesetz (Population of Registration Act) verabschiedet, das die Bevölkerung in drei Gruppen einteilte: Weiße, Schwarze und Farbige (Coloured). Später wurde mit „Asiaten“ eine weitere Kategorie hinzugefügt. Im Jahr 1950 machten Weiße etwa 20,92 % der Gesamtbevölkerung von insgesamt etwa 12,471 Mio. Südafrikanern aus. Die sogenannten Schwarzen stellten mit etwa 67,7 % klar die Bevölkerungsmehrheit. Etwa 8,6 % zählten zu den Farbigen und etwa 2,5 % zu den Asiaten.

Mit einem weiteren Gesetz (Group Areas Act) wurden Städte in Gebiete für Weiße und Nicht-Weiße aufgeteilt. Dies brachte Zwangsumsiedlungen mit sich, die schätzungsweiße mit etwa 3,5 Mio. Menschen über ein Viertel der damaligen Bevölkerung Südafrikas betrafen. Die strikte und nahezu totale Trennung der Menschen nach Hautfarbe zog sich durch alle Lebensbereiche. Sogar Mischehen wurden per Gesetz verboten und auch das begrenzte Wahlrecht für Nicht-Weiße wurde abgeschafft.

Auch im Bildungswesen manifestierte sich die Rassentrennung in Form von Chancenungleichheit. Schwarze hatten nur beschränkten Zugang zu akademischer Bildung. Nelson Mandela gelang es, an der Universität in Fort Hare ein Studium zu beginnen. Bis in die 1960-er Jahre war dies in Südafrika die einzige höhere Bildungsstätte für schwarze Afrikaner.

Nelson Mandela floh 1941 nach Johannesburg, um einer von seinem Adoptivvater arrangierten Heirat zu entgehen. Nach einer Tätigkeit als Wachmann in einem Goldbergwerk wurde er in Johannesburg Praktikant in einer Anwaltskanzlei. Er studierte Jura und gründete später, im Jahr 1952, mit seinem Freund Oliver Tambo, den er in Fort Hare kennengelernt hatte, die erste schwarze Anwaltssozietät.

1944 begann der damals 26-jährige Nelson Mandela, sich im African National Congress (ANC) zu engagieren. Zusammen mit vielen anderen wandte er sich gegen die Apartheidpolitik. Noch im selben Jahr gründete er mit einigen Mitstreitern die ANC Youth League. In verschiedenen Funktionen innerhalb des ANC folgten Jahre des gewaltlosen wie gewaltsamen Kampfes gegen das Regime.

Das Massaker von Sharpeville, das sich 1960 ereignete, und bei dem 69 Demonstranten erschossen wurden, markierte einen Wendepunkt in der Geschichte Südafrikas. Der ANC wurde für illegal erklärt, verboten, wandte sich vom Weg des gewaltlosen Widerstands ab. Und verlegte seine Aktivitäten in den Untergrund. Auch Nelson Mandela befürwortete zu dieser Zeit den gewaltsamen Widerstand.

Schikane und Demütigungen im Gefängnis

1962 wurde der damals 44-jährige Nelson Mandela festgenommen und zunächst zu 5 Jahren Haft verurteilt. Im darauffolgenden Jahr kam er erneut vor Gericht. Diesmal lautete das Urteil auf lebenslängliche Haft. Zu diesem Zeitpunkt hatte er bereits eine Familie mit fünf Kindern.

Die meiste Zeit seiner Haft verbrachte er auf Robben Island, einer etwa zwölf Kilometer vor Kapstadt gelegenen Insel. Diese Insel wurde während Mandelas Haftzeit und auch schon zuvor ausschließlich als Gefängnisinsel genutzt. Dafür eignete sie sich optimal, da Fluchtversuche wegen der kalten, gefährlichen Strömung praktisch aussichtslos waren.

Im Gefängnis war Nelson Mandela in einer etwa vier Quadratmeter großen Einzelzelle untergebracht. Die Einrichtung war äußerst spärlich und Tag und Nacht brannte eine Glühbirne. Er war, wie auch andere Gefangene, Schikanen und Demütigungen des Gefängnispersonals ausgesetzt. Es kam vor, dass Häftlinge bis zum Hals in die Erde eingegraben wurden, worauf Leute des Wachpersonals über ihnen urinierten. Und es kam unter anderem auch vor, dass das Wachpersonal dornige Pflanzen ausstreute. Da die Häftlinge den täglichen Hofgang barfuß absolvieren mussten, verletzten sie sich an ihren Füßen.

Ende der 1980-er Jahre wurde der politische Druck auf die südafrikanische Regierung immer größer, die Apartheit abzuschaffen. Diesem Druck konnte die Regierung schließlich nicht mehr standhalten, nicht zuletzt aufgrund von Sanktionen, die von verschiedenen Staaten gegen Südafrika verhängt wurden. Das Apartheid-System wurde schrittweise gelockert und das Verbot des ANC und anderer Widerstandsbewegungen aufgehoben. Nelson Mandela und auch weitere Gefangene kamen frei.

Der Kampf war nicht vergebens

Wegen seiner politischen Aktivitäten musste Nelson Mandela von 1963 bis 1990 insgesamt 27 Jahre als politischer Gefangener in Haft verbringen. Doch schon wenige Tage nach seiner am 11. Februar 1990 erfolgten Freilassung leitete Nelson Mandela in einer Rede öffentlich seine Politik der Versöhnung ein, indem er alle Menschen, die sich von der Apartheid gelöst hatten, zur Mitarbeit an einem „nichtrassischen, geeinten und demokratischen Südafrika mit allgemeinen, freien Wahlen und Stimmrecht für alle“ einlud.

Der lange Kampf gegen die Apartheit war schließlich von Erfolg gekrönt. 1994 fanden erstmals freie und geheime Wahlen statt, an denen alle Südafrikaner teilnehmen durften. Der ANC gewann mit absoluter Mehrheit. Nelson Mandela wurde zum ersten schwarzen Präsidenten Südafrikas gewählt. In jahrelanger Arbeit wurde auch eine neue Verfassung ausgearbeitet, die 1997 in Kraft trat und alle Bürgern Südafrikas für gleichberechtigt erklärt.

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Endlich frei – oder doch nicht?

Heute wie damals verlassen Menschen ein Gefängnis. Manche werden aus einem realen Gefängnis in die Freiheit entlassen. Andere verlassen ein „gefühltes“ Gefängnis. Da ist vielleicht die gescheiterte Beziehung. Alle Versuche, einen gemeinsamen Weg zu finden, sind gescheitert. Oder vielleicht ist da die Mobbing-Erfahrung in dem Unternehmen, das man verlassen hat. Man fühlte sich wie in einem Gefängnis.

Das reale oder gefühlte Gefängnis hat man verlassen. Aber ist man wirklich frei geworden? Konnte man Verbitterung und Hass zurücklassen? Die uneingeschränkte physische Bewegungsfreiheit ist wiedergewonnen, aber wie steht es um die psychische Freiheit?

Verbitterung – eine verständliche Reaktion?

Ist nicht Verbitterung eine völlig verständliche Reaktion? Angenommen, man würde sich für einen Moment in die Lage der Gefangenen von Robben Island hineinversetzen. Wie würde man sich fühlen, wenn man beispielsweise bis zum Hals in die Erde eingegraben würde und andere Menschen würden über einem urinieren? Würden dann nicht Zorn, Wut, Aggression und der Wunsch, sich bei nächstbester Gelegenheit zu rächen, in einem aufsteigen?

Verbitterung ist meist die Folge einer tiefgreifenden persönlichen Kränkung. Man ist zutiefst verletzt. Man fühlt sich ungerecht behandelt, herabgewürdigt oder als Opfer eines Vertrauensbruchs. Gleichzeitig fühlt man sich hilflos und ist unsicher, ob man etwas dagegen unternehmen könnte und gegebenenfalls was. Zorn, Aggression und Rachegelüste zählen zu den möglichen Reaktionen auf solche tiefgreifenden seelischen Verletzungen.

In der Tat kann die Verbitterung einen Menschen völlig vereinnahmen, dergestalt, dass die Gedanken ständig um das die Seele verletzende Ereignis oder um den verursachenden Menschen kreisen. Das Schlimme kann nicht losgelassen werden. In der Nikomachischen Ethik beschreibt der griechische Philosoph Aristoteles das Gefühl der Verbitterung sehr treffend: „Verbittert ist der schwer zu Versöhnende, der lange den Zorn festhält; er verschließt die Erregung in seinem Inneren und hört damit erst auf, wenn er Vergeltung geübt hat.  Denn geübte Vergeltung beschwichtigt die Erregung, indem sie das Gefühl des Schmerzes durch ein Gefühl der Befriedigung ersetzt. Geschieht das nicht, so wirkt der Druck weiter.  Denn da die Erregung nicht offen heraustritt, so kann einem solchen auch keiner gut zureden; innerlich aber die Erregung zu verarbeiten, dazu braucht es der Zeit.  Diese Art von Menschen ist sich selbst und den vertrautesten Freunden die schwerste Last.“.

Ein verbitterter Mensch ist in gewisser Weise ein Gefangener seiner selbst. Auch wenn man ein Gefängnis verlässt, aber Verbitterung und Hass mitnimmt, bleibt man dennoch ein Gefangener, so die bemerkenswerte Erkenntnis Nelson Mandelas. Die uneingeschränkte physische Bewegungsfreiheit ist wiedergewonnen, die psychische jedoch nicht. Bindungen bestehen weiterhin und können wohl nur durch bewusstes Loslassen gelöst werden.

Gutes und Sinnvolles tun – ganz praktisch

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Wie kann man sich von Verbitterung lösen?

Wenn man nicht in der Lage ist, eine tiefgreifende persönliche Kränkung zu verarbeiten, kann es zu einer chronischen Verbitterungsstörung kommen. Die therapeutische Behandlung einer Verbitterungsstörung gestaltet sich oft schwierig, oft sogar schwieriger als bei einer Depression. Und es mag seine Zeit dauern, bis – bildlich gesprochen – die Tür zum inneren Gefängnis geöffnet ist. Die Selbstbezogenheit und auch die Verschlossenheit infolge der subjektiven und selektiven Wahrnehmung entfalten Gegenkräfte, die nicht unterschätzt werden dürfen.

Ein Weg, sich von einer Verbitterung zu lösen, führt über das Distanzieren von den seelischen Verletzungen. Dabei versucht man auch, so schwer es vielleicht auch fallen mag, die Perspektive der verletzenden Person einzunehmen. Dadurch kann man besser verstehen, weshalb man unfair behandelt, betrogen oder herabgewürdigt wurde. Und es kann gelingen, die Fixierung auf sich selbst aufzugeben, die sich auch in einseitigen Gedanken zeigt und wenig Spielraum für andere Sichtweisen lässt.

Ein weiterer Weg besteht darin, sein Selbstwertgefühl zu stärken. Je besser dies gelingt, desto weniger wird Hilflosigkeit empfunden. Wenn man sich selbst wertschätzen kann, wird man Verbitterung leichter loslassen können. Und vielleicht gelingt es mit der Zeit sogar, dem Verursacher der Kränkung zu vergeben.

Nelson Mandela gelang es, Verbitterung und Hass im Gefängnis zurückzulassen. Und durch das, was er mit sich selbst ausmachte, gewann sogar eine ganze Nation.

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Ich bin Dieter Jenz, Begleiter, Berater und Coach mit Leidenschaft. Über viele Jahre hinweg habe ich einen reichen Schatz an Kompetenz und Erfahrung erworben. Meine Themen sind die "4L": Lebensaufgabe, Lebensplanung, Lebensnavigation und Lebensqualität.