Es wird immer alles gleich ein wenig anders, wenn man …Lesezeit: 8 Min.

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„Es wird immer alles gleich ein wenig anders, wenn man es ausspricht.“

Hermann Hesse
Es wird immer alles gleich ein wenig anders, wenn man es ausspricht, H. Hesse - Gestaltung: privat
Gestaltung: privat

Hermann Karl Hesse (1877-1962) war ein deutsch-schweizerischer Schriftsteller, Dichter und Maler. Sein umfangreiches dichterisches Werk brachte ihm 1946 den Nobelpreis ein. Er zählt in Deutschland zu den bekanntesten Schriftstellern. Seine Werke wurden in mehr als 50 Sprachen übersetzt.

Morgens um drei – das Gedankenkarussell dreht sich

Mitten in der Nacht wacht man auf, an sich nichts Ungewöhnliches. Das Gedankenkarussell dreht sich und die Gedanken halten einen wach. Das Unterbewusstsein arbeitet und es fällt schwer, wieder in den Schlaf zu finden. Schwierige Situationen werden nochmals durchdacht und man versucht, die Gedanken zu ordnen. Da gab es vielleicht den privaten Streit oder die Arbeitssituation ist gerade besonders schwierig.

Da man nachts im Bett nicht durch andere Dinge abgelenkt wird, können sich negative Gedanken praktisch ungehindert „aufplustern“ und zu wahren „Gedankenmonstern“ wachsen. Probleme können auf einmal als riesengroß und unlösbar erscheinen, denn aufgrund des nachts abgesenkten Serotonin-Spiegels (das als „Glückshormon“ bezeichnete Hormon Serotonin wird in das „Schlafhormon“ Melatonin umgewandelt) fällt es schwerer, eine optimistische oder problemlösende Sicht auf die Dinge zu finden.

Aufgrund dieser Gegebenheiten empfiehlt es sich, negative Gedanken zwar anzunehmen und nicht einfach zu verdrängen, sie aber nicht im Bett zu Ende zu denken. Das Bett sollte nur zum Schlafen und nicht zum Gedankenwälzen genutzt werden.

Was aber kann man tun, wenn man problembeladene Gedanken nicht im Bett zu Ende denken möchte? Eine Möglichkeit besteht darin, aufzustehen und sich in einen Sessel oder auf ein Sofa zu setzen und sich etwas Zeit zum Nachdenken zu nehmen. Man kann sich auch einen Notizblock und einen Bleistift zur Hand nehmen, um wichtige Gedanken festzuhalten. Wenn sich die Gedanken wieder im Kreis zu drehen beginnen, ist ein guter Zeitpunkt für ein Ende der nächtlichen Nachdenkzeit gekommen. „Ich komme jetzt hier nicht weiter“, wäre ein Signal, wieder in Bett zurückzukehren.

Sollte man während der Nachdenkzeit eine Lösung haben, umso besser. Dann empfindet man ein Gefühl der Erleichterung und kann wahrscheinlich schnell wieder einschlafen.

Was ausgesprochen wird, verliert seine (zerstörerische) Macht

Was sich nachts an Gedanken gemeldet hat und ohne Lösung geblieben ist, sollte man bei nächster guter Gelegenheit wieder aufgreifen, um über Lösungswege nachzudenken. Es hat einen schließlich während der Nacht intensiv beschäftigt und deshalb ist es wichtig.

Vielleicht macht man sich Gedanken, wie man ein bestimmtes Problem lösen kann. Oder man klagt sich vielleicht selbst dafür an, dass man in einer bestimmten Situation nicht so gehandelt oder sich so verhalten hat, wie es gut oder angemessen gewesen wäre. Das Spektrum dessen, was einen gedanklich beschäftigt, ist äußerst breit.

Wie kann man mit problembeladenen und destruktiven Gedanken umgehen? Soll man sie weiterhin auf der Gedankenebene „einsperren“ oder ist es besser, sie auszusprechen?

Die Erfahrungen zeigen, dass alles, was ausgesprochen wird, an Schärfe und Schrecken verliert. Und es verliert auch seine zerstörerische Macht, denn man entzieht der Selbstabwertung Raum. Frustration und Wut können sich nicht so leicht festsetzen.

Selbstgespräche

Selbstgespräche sind ein Dialog mit sich selbst. Manchmal nimmt man Menschen wahr, die mit sich selbst reden und dabei „laut denken“. Was etwas befremdlich wirken kann, ist durchaus nichts Ungewöhnliches, sondern völlig normal. Über 90 % der Erwachsenen reden Schätzungen zufolge gelegentlich mit sich selbst.

Gedanken laut aussprechen – weshalb?

Wenn man seine Gedanken laut ausspricht, zwingt man sich selbst zu einem präziseren Denken. Es dauert wesentlich länger, seine Gedanken auszusprechen als sie nur zu denken. Deshalb nimmt man auch seine Gedanken unmittelbarer wahr. Beim Aussprechen fällt es zudem leichter, seine Gedanken zu ordnen. Diffuse Gedanken werden klarer. Wenn man beispielsweise vor einer Entscheidung steht, fördert dieser Dialog mit sich selbst die Konzentration und führt oft dazu, dass man zu einer guten Lösung gelangt.

Welcher Gesprächston?

In welchem Ton führt man Gespräche mit sich selbst? Wenn man beispielsweise sich ärgert oder gerade überlastet ist, unter Druck steht, schlägt die Stimmung naturgemäß auf den Gesprächston durch. Dann geht man meist härter mit sich selbst ins Gericht als andere Menschen, die einem nahestehen, es tun würden. Der Weg, sich im Selbstgespräch dann auch selbst abzuwerten, ist kurz.

Wenn man mit sich selbst in einem negativen und abwertenden Ton spricht, stellt sich die Frage, ob Selbstgespräche einen wirklich weiterbringen. Helfen Selbstgespräche bei der Klärung oder verstärken sie die Selbstabwertung, lautet die Frage. „Wie konnte ich auch nur so blöd sein, das zu versuchen? Ich schaffe es doch nie!“, würde einen beispielsweise nicht weiterbringen. „Diesmal habe ich es nicht geschafft, aber ich habe wieder etwas gelernt. Das nächste Mal wird es besser gelingen.“, wäre hingegen ein hilfreiches Selbstgespräch.

Vielleicht verfängt man sich in seinen Selbstgesprächen immer wieder in harter Selbstkritik und Selbstabwertung. Wenn man selbst kein Gegenmittel findet, sollte man auf Selbstgespräche lieber verzichten.

Ein wirksames Mittel, für ein Selbstgespräch einen positiven Grundton zu setzen, besteht darin, eine kleine „Dankbarkeitsübung“ voranzustellen. Man überlegt sich drei Dinge, für die man gerade in diesem Augenblick dankbar ist. Einem seelisch gesunden Menschen werden mit Sicherheit ohne großes Überlegen drei Dinge einfallen.

Welcher Ort?

Am besten ist es, wenn man seine Selbstgespräche an ungestörten Orten führen kann. Dann hat man mehr Ruhe und kann seinen Emotionen mehr Raum geben. Davon abgesehen entfällt auch die Sorge, dass andere Menschen, die einen gerade beobachten, falsche Schlüsse ziehen könnten. Schließlich mag jemand, der emotional mit sich selbst spricht, auf andere Menschen etwas komisch oder gar etwas verrückt wirken.

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Wahre Liebe ist die uneigennützige Aufgabe, J. Bucay - Gestaltung: privat
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Gespräche mit Anderen

Manchmal wird es als eine Hürde empfunden, einem anderen Menschen seine Gedanken anzuvertrauen. Vielleicht hat man einen folgenschweren Fehler begangen, den man auch hätte vermeiden können. Vielleicht schämt man sich für etwas. Oder vielleicht hat man eine Gelegenheit verpasst, ärgert sich darüber und macht sich Vorwürfe.

Könnte die Beziehung belastet werden?

Gerade bei nahestehenden Menschen, wie vor allem dem Partner oder dem Freund, ist man oft zurückhaltend. Was mag er über einen denken? Ist dann nicht der ganze Respekt, den man erworben zu haben meint, dahin? Wird die Beziehung es aushalten, wenn man seine wahren Gedanken anvertraut?

Die Sorge, dass man die Beziehung belastet oder diese sogar zerbricht, ist in den allermeisten Fällen unbegründet. In einer Liebesbeziehung hat man sich schließlich im Lauf der Zeit intensiv kennengelernt und kann hinter die Fassade des Anderen schauen. Man hat den Anderen mit seinen Stärken und Schwächen kennengelernt. Man liebt einander, ein Vertrauensverhältnis hat sich entwickelt und schon einige Prüfungen überstanden.

Auch eine freundschaftliche Beziehung erweist sich als belastungsstark. Man empfindet füreinander Zuneigung und Sympathie. Und man hat im Lauf der Zeit gegenseitig einiges von sich preisgegeben, von dem vielleicht sogar sonst niemand etwas weiß. Man fühlt sich vom Freund zutiefst verstanden. Das gegenseitige Vertrauen ist gewachsen und hat sich bewährt.

Die andere Sichtweise – eine Bereicherung?

Andere Menschen bringen in die Auseinandersetzung mit den eigenen Gedanken ihre ganz eigene Sichtweise ein. Vielleicht ist man selbst in einem Gedankenkarussell gefangen und der eigene Blick ist sehr verengt. Man sieht gerade die Welt gewissermaßen durch einen Gewehrlauf.

Eine nahestehende Person kann in einem vertrauensvollen Gespräch eine andere, ihre subjektive Sicht der Dinge einbringen. Vielleicht gibt es Möglichkeiten, an die man selbst noch überhaupt nicht gedacht hat. Oder die nahestehende Person macht vielleicht Mut, wenn man selbst gerade alles in düsteren Farben sieht: „Du kannst das“ oder „Du schaffst das“. Es mag aber auch sein, dass sie ihre Bedenken äußert. „Da sehe ich große finanzielle Risiken für dich“, „Ich sehe deine Begabungen und Kompetenzen eher auf einem anderen Gebiet“, oder „Ich sehe nicht, dass Du auf diesem Weg weiterkommst“, wird sie vielleicht sagen.

Die andere Sichtweise ist definitiv eine Bereicherung. Sie wirkt als Korrektiv der eigenen, wenn man im Moment vielleicht völlig „aus der Spur“ ist. Und ein Partner oder ein Freund begleitet einen wohlwollend, auch wenn er vielleicht gerade eine Idee kritisch betrachtet.

Ein kritischer Partner oder Freund kann dazu beitragen, dass man Wege vermeidet, die sich im Nachhinein als falscher Weg oder als Umweg herausstellen. Johann Wolfgang von Goethe drückte es so aus: „Einen kritischen Freund an der Seite, kommt man immer schneller vom Fleck.

Es ist nicht mehr, wie es war

Wenn man etwas ausspricht, verändert sich etwas – garantiert! Hat man zudem die Möglichkeit, sich mit einem anderen Menschen auszutauschen, wird man ein Gefühl der Erleichterung empfinden. Da ist jemand, mit dem man seine Gedanken vertrauensvoll teilen kann. Und dieser Jemand ist ein Mensch, der einen versteht und wohlwollend begleitet. Dieses Wohlwollen ist eine solide Basis sowohl für Ermutigung als auch für Kritik.

In die Erleichterung mischt sich auch Dankbarkeit. Es ist schließlich keineswegs selbstverständlich, dass einem ein anderer Mensch seine Zeit schenkt, einem zuhört, und damit ausdrückt: „Du bist mir wichtig!“.

Gutes und Sinnvolles tun – ganz praktisch

Geschenk mit Text - Gestaltung: privat
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Ein Zuhörer fehlt – was dann?

Manche Menschen leben alleine und haben keinen Menschen, mit dem sie eine vertrauensvolle Beziehung pflegen. Sie möchten sich gerne mitteilen und wünschen sich vielleicht nur jemand, der ihnen einfach nur zuhört. Aber diesen Jemand gibt es (noch) nicht, und deshalb bleibt nur die Möglichkeit für Selbstgespräche.

In Deutschland und in vielen anderen europäischen Ländern gibt es Organisationen, die sich um Menschen annehmen, die sich einen Zuhörer wünschen. Die Telefonseelsorge (0800 1110111 oder 0800 1110222) ist die wohl bekannteste Organisation, bei der man unter Schutz von Anonymität und Vertraulichkeit einen Zuhörer und Gesprächspartner findet. Im Austausch mit dem Gesprächspartner kann man seine eigenen Gedanken ordnen und auch die Sichtweise eines anderen Menschen kennenlernen. Und man kann die Erfahrung machen, dass immer alles gleich ein wenig anders wird, wenn man es ausspricht.

Anmerkung: Aus Gründen der besseren Lesbarkeit wurde im Text die männliche Form gewählt. Dies ist nicht geschlechtsspezifisch gemeint.

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Ich bin Dieter Jenz, Begleiter, Berater und Coach mit Leidenschaft. Über viele Jahre hinweg habe ich einen reichen Schatz an Kompetenz und Erfahrung erworben. Meine Themen sind die "4L": Lebensaufgabe, Lebensplanung, Lebensnavigation und Lebensqualität.