„Kein Mensch kann die in ihm angelegten Potentiale entfalten, wenn er in seiner Würde von anderen verletzt wird oder er gar selbst seine eigene Würde verletzt.“
Gerald Hüther
Gerald Hüther (geb. 1951) ist ein deutscher Neurobiologe und Autor populärwissenschaftlicher Bücher. Nach seiner Flucht aus der ehemaligen DDR arbeitete er in der Bundesrepublik mehrere Jahre auf dem Gebiet der experimentellen Hirnforschung und beschäftigte sich u. a. mit Hirnentwicklungsstörungen, Wirkmechanismen von Psychopharmaka und Auswirkungen psychischer Belastungen.
Weshalb ist Würdebewusstsein so wichtig?
Das Verständnis der Menschenwürde in der heutigen Gesellschaft geht im Wesentlichen auf den Philosophen Immanuel Kant zurück. Er prägte das Bild des selbstverantwortlichen, autonomen Individuums, das über Gestaltungsfreiheit verfügt. In der dritten Fassung des kategorischen Imperativs formulierte er: „Handle so, dass du die Menschheit, sowohl in deiner Person, als auch in der Person eines jeden anderen, jederzeit zugleich als Zweck, niemals bloß als Mittel brauchest.“
In der Sichtweise Kants ist der Mensch zu keinem Zeitpunkt und unter keinen Umständen nur Objekt (Mittel), sondern Subjekt (Zweck). Er ist einzigartig, nicht austauschbar, und hat im krassen Unterschied zu Sachwerten keinen Preis, sondern Würde.
Allein schon das Menschsein vermittelt Würde. Sie ist weder vom körperlichen Erscheinungsbild, den geistigen Fähigkeiten, den Begabungen und Kompetenzen oder sonstigen Faktoren abhängig.
Gemäß der Kant‘schen Denkweise hat alles, was einen Wert hat, auch einen Preis. Der Mensch hat jedoch keinen ökonomischen Wert, sondern Würde. Diese Sichtweise wird in der heutigen Lebenswirklichkeit konterkariert. Unternehmen berechnen den Wert ihrer Belegschaft, des Humankapitals, Versicherungsunternehmen berechnen den Wert von Menschenleben, um Entschädigung im Todesfall zu kalkulieren. Dem Menschen wird ein ökonomischer Wert zugewiesen.
Wenn wir die Verschiebung vom Subjekt zum Objekt zulassen und uns durch eine ökonomische Betrachtungsweise selbst entwerten, berauben wir uns selbst unserer Würde. Und wir berauben uns unseres Potentials, wenn wir Menschsein so verengen.
Was wäre, wenn …?
Was wäre, wenn sich jeder Mensch seiner Würde bewusst wäre und sich würdevoll verhalten würde? Und wenn jeder alle anderen Menschen als „Würde-Träger“ behandeln würde? Dann würden beispielsweise
- Beziehungen auf Augenhöhe gelebt,
- Menschen wären viel weniger verführbar,
- sie hätten viel mehr Zeit, weil sie sich nicht mehr mit Dingen beschäftigen, die unter ihrer Würde sind,
- sie wären weniger gehemmt, ihre eigenen Potentiale zu entdecken und zu entwickeln,
- und, und, und …
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