Rache ist eine Handlung, die man begehen möchte …Lesezeit: 8 Min.

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„Rache ist eine Handlung, die man begehen möchte, wenn und weil man machtlos ist: Sobald aber dieses Gefühl des Unvermögens beseitigt wird, schwindet auch der Wunsch nach Rache.“

Paul Watzlawick
Rache ist eine Handlung, P. Watzlawick - Gestaltung: privat
Gestaltung: privat

Paul Watzlawick (1921-2007) war ein österreichisch-amerikanischer Kommunikationswissenschaftler, Psychotherapeut, Philosoph und Autor. Er entwickelte verschiedene gesprächsanalytische Theorien und gilt als einer der populärsten Theoretiker der menschlichen Kommunikation. Seine Arbeiten hatten Einfluss auf die Familientherapie und allgemeine Psychotherapie.

Rache – weshalb will man sich rächen?

Wer hat sie noch nicht erlebt – die Situation, in der man gedemütigt, herabgewürdigt, beleidigt, betrogen oder auf irgendeine andere Art seelisch verletzt wurde? Doch wie reagiert man darauf?

Rachegedanken sind naheliegend. Man möchte seine Wut ausdrücken und es der verletzenden Person heimzahlen. Im Kopf-Kino beginnt man, sich auszumalen, wie man sich möglichst wirkungsvoll rächen könnte. Soll man dem Ex-Partner, von dem man zweifelsfrei betrogen wurde, einen tiefen Kratzer in sein Auto ziehen? Soll man ihn in den sozialen Medien bloßstellen, indem man nicht für die Öffentlichkeit bestimmte Fotos eben doch ins Netz stellt? Oder soll man ihn beim Finanzamt anschwärzen, wenn man weiß, dass er es mit seinen Einkünften nicht ganz so genau nimmt?

Möchte man sich für ein einmaliges Ereignis rächen? Man wird beispielsweise betrogen und man ist entschlossen, die Beziehung zu beenden. Dann erscheint gleichgültig, ob die Rache irreparable Spuren hinterlässt oder nicht. Die Beziehung ist beendet und man denkt auch nicht daran, sie später wieder aufleben zu lassen.

In zwischenmenschlichen Beziehungen gibt es aber auch die andauernden Verletzungen. Da ist beispielsweise die Frau, die beruflich kürzergetreten ist und sich um die gemeinsamen Kinder gekümmert hat. In der Beziehung fühlt sie sich von ihrem Partner nicht wertgeschätzt. Immer wieder verletzt er sie, sogar in Gegenwart anderer Menschen, wenn er herablassend über sie spricht.

Jetzt meint sie, die Beziehung nicht beenden zu können, weil sie wirtschaftlich vom Partner abhängig ist. Ihre Chancen, beruflich wieder Fuß zu fassen, schätzt sie als gering ein. Sie fragt sich, wie sie es schaffen kann, für ein gesichertes Einkommen für sich zu sorgen. Aber sie zieht es dann doch vor, in der Beziehung zu bleiben.

Ihre Rachegedanken werden mehr auf subtile Rache gerichtet sein. Sie möchte ja nicht das Ende der Beziehung provozieren. Also könnte sie sich überlegen, ob sie ihm beispielsweise das nächste Gulasch mit Hundefutter zubereitet. Oder sie könnte darüber nachdenken, ihm gelegentlich Abführmittel in den Morgenkaffee zu schütten. Die Möglichkeiten verdeckter Rache sind grenzenlos. Für sie wäre es eine Art Ventil, mit den andauernden, sich anstauenden Verletzungen umzugehen, gewissermaßen immer wieder Druck abzulassen.

Ist Rache eine Art von Psychohygiene?

Anlässe für Rachegedanken gibt es ohne Zahl. Wenn dann aber Gedanken zur Tat werden, ist Rache eine Art von Psychohygiene? Manche Psychologen vertreten die Ansicht, dass Rache befriedigt. Bei wissenschaftlichen Untersuchungen wurde festgestellt, dass beim Planen und/oder Durchführen von Racheaktionen, auch mit dem Charakter von Strafaktionen, ein Bereich im Gehirn stimuliert wird. Dieser, das sogenannte Belohnungssystem, steht mit Belohnungen nach zielgerichtetem Handeln in Verbindung. Das Gehirn mag also signalisieren, dass man etwas getan hat, das gut für einen war.

Auf kurze Sicht mag ausgeübte Rache durchaus befriedigen. Auf mittlere und lange Sicht ist dies jedoch nur dann der Fall, wenn das eigentliche Ziel der Rache erreicht wird. Dieses lässt sich oft so zusammenfassen: „Der Andere, der von der Rache Betroffene, soll wissen und einsehen, dass er etwas falsch gemacht hat“. Positive Gefühle entstehen dann, wenn der Andere den Fehler, der zum Racheakt geführt hat, anerkennt und bereut. Wenn dies – wie in der Realität leider häufig – nicht der Fall ist, bleiben die seelischen Wunden offen.

Außerdem nimmt man sich selbst einen moralischen Vorteil. Man konnte sich nicht anders wehren als durch Rache. Und wenn man bei sich das Selbstbild des guten Menschen pflegt, dann beschädigt man dieses Bild.

Schließlich wirkt Rache spaltend. Sie treibt einen Keil in zwischenmenschliche Beziehungen, gleichgültig wie formal oder eng diese Beziehungen sind. Rache treibt Menschen auseinander.

Rache als Psychohygiene? Die Antwort ist ein klares „Nein“. Im Gegenteil: Rache führt fast immer zur „Verschmutzung“ von Beziehungen und verschmutzt auch den Rächer selbst. Das bekannte Sprichwort „Rache ist süß“ kann zutreffen, aber eben nur für den ersten Moment, solange das das sogenannte Belohnungssystem stimuliert wird.

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Auch das glücklichste Leben, C.G. Jung - Gestaltung: privat
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Rache – eine Handlung aus Machtlosigkeit und Schwäche?

Was möchte man mit Rache erreichen? Man möchte den Anderen bestrafen und ihm klarmachen: „Mit mir gehst du so nicht um!“. Und man erhofft, wie oben schon angeklungen, dass der Andere seinen Fehler oder sein Fehlverhalten anerkennt und bereut.

Handelt man bei einer solchen Bestrafungsaktion verdeckt oder offen? Der in tiefster Nacht verursachte tiefe Kratzer an der Autotür lässt sich ohne Zeuge(n) normalerweise keinem Verursacher (zweifelsfrei) zurechnen. Der „Bestrafte“ hat zwar in den meisten Fällen eine Ahnung oder einen Verdacht, aber er kann nichts hieb- und stichfest nachweisen.

Anonyme Rache steht für ein „Ich habe Angst vor den Folgen“. Anders verhält es sich bei offener Rache. Der „Bestrafte“ weiß genau, wer sich da rächt. Meistens geht es um ein „Wie du mir, so ich dir“. Man kennt die empfindliche Stelle des Anderen und weiß, dass man ihn trifft.

Gleichgültig ob verdeckt (anonym) oder offen: Rache drückt Machtlosigkeit und Schwäche aus. Man sieht keine anderen Mittel, mit seelischen Verletzungen umzugehen. Und man kann keine eigene Stärke entgegenstellen.

Wenn der Partner fremdgeht, hilft es dann, wenn man selbst auch fremdgeht? Dadurch mag zwar das eigene Selbstwertgefühl gesteigert werden, aber das eigentliche Problem bleibt weiterhin bestehen. Es wird dadurch nicht aus der Welt geschafft. Wenn man den Anderen verletzt, heilt man die eigene Verletzung dadurch nicht.

Wenn der Andere genau weiß, wer sich da gerade gerächt hat, kann es zum Bumerang-Effekt kommen. Der Andere rächt sich, und setzt womöglich „noch eins drauf“. Dann besteht die Gefahr, dass sich eine Spirale in Gang setzt und sich die Dinge immer mehr verschlimmern. Dann stellt man fest, dass Rache eben doch keine Gerechtigkeit schafft, sondern dass nur neues Unrecht entsteht.

Wann ist die Grenze erreicht?

Wann ist eine akzeptable Grenze erreicht, bei der sich die Spirale nicht mehr weiterdrehen darf? Bei Gewalttaten wäre diese Grenze in jedem Fall überschritten. Auch ein Zerkratzen der Autotür ist formaljuristisch eine Sachbeschädigung und verpflichtet zu Schadenersatz.

Wenn bei einem oder beiden Beteiligten schon von „blinder Wut“ gesprochen werden muss, sind dann Grenzen für einen Racheakt noch bewusst? Ist noch bewusst, dass jede Verschärfung neues Unrecht schafft?

Leider zerbrechen Beziehungen, wenn die Spirale nicht gestoppt wird. Soweit muss es nicht kommen!

Vermögen gegen Unvermögen setzen

Wie kann man eigene Rachehandlungen vermeiden? Rachegedanken mag man durchaus nachgehen, solange es bei Gedanken bleibt. Wie kann man sich selbst soweit stärken, dass man kein Gefühl der Machtlosigkeit, des Unvermögens, mehr spürt? Oder anders ausgedrückt: Wie kann man Vermögen gegen Unvermögen setzen?

Wenn man sich geschädigt oder verletzt fühlt, dann darf man dadurch ausgelöste Emotionen zunächst durchaus zulassen. Sie gewaltsam zu unterdrücken, würde nicht weiterhelfen.

Man kann eine andere vertrauenswürdige Person, beispielsweise eine gute Freundin oder einen guten Freund, in die Situation einweihen. Womöglich wird deutlich, dass man die Situation als schlimmer einschätzt als sie in Wirklichkeit ist. Und vielleicht war man schon dabei, aus der sprichwörtlichen Mücke einen Elefanten zu machen. Man erkennt vielleicht auch, dass ein Racheakt zu nichts führen würde.

Das Gespräch mit einem unbeteiligten Dritten kann dabei helfen, die angemessene Reaktion auf die Verletzung herauszufinden? Ist die direkte Konfrontation, das direkte Ansprechen der Verletzung sinnvoll? Oder ist es sinnvoll, eine andere Person, beispielsweise im Arbeitsleben den Vorgesetzten, einzuschalten?

Das Selbstwertgefühl stärken

Davon unabhängig hilft es sehr, das eigene Selbstwertgefühl zu stärken. Menschen, die Rache üben, leiden oft unter geringer Selbstwertschätzung. Sie fühlen sich unterlegen und machtlos. Sie trauen es sich nicht zu, sich sinnvoll wehren zu können.

Wie könnte man sich sinnvoll wehren? Natürlich kommt es sehr auf die Situation an. Im Allgemeinen ist es sinnvoll, mit „Ich-Botschaften“ zu kommunizieren, was man gerade empfindet. „Aua, das was du gerade gesagt hast, hat mir weh getan.“, „So wie du dich verhalten hast, überschreitet bei mir eine Grenze.“ oder „Was du eben gesagt hast, ist bei mir als Beleidigung angekommen. Das mag ich nicht tolerieren.“, sind Beispiele für einleitende Sätze für eine klärende Aussprache.

Gutes und Sinnvolles tun – ganz praktisch

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Rache ist nicht mehr notwendig

Wer über ein gesundes Selbstwertgefühl verfügt, muss nicht mehr auf Rache zurückgreifen. Das Gegengewicht gegen die Verletzung ist nicht mehr Rache, sondern das gesunde Selbstwertgefühl. Und man kann sich abgrenzen, insbesondere auch dann, wenn man an einer Situation nichts ändern kann.

Da ist beispielsweise der Nachbar mit dem man nicht gut zurechtkommt. Er lässt seinen Baum an der Grundstücksgrenze hochwachsen und nimmt damit den eigenen Pflanzen Licht. Der Nachbar wird nicht umziehen. Also muss man mit der Situation zurechtkommen. Was wäre die Konsequenz, wenn man Rache üben würde? Welche Art von Rache wäre angemessen? Könnte man einfach den Baum des Nachbarn mit Pflanzengift zum Absterben bringen? Dies wäre hinterhältig und wäre ein Nachweis eigenen Unvermögens, mit dem Konflikt umzugehen.

Wenn man sich selbst wertschätzt, wird man in der Lage sein, mit dem Nachbarn ein sachliches Gespräch zu führen. Ist der Nachbar uneinsichtig, bleibt der Weg, andere Instanzen (z. B. einen Mediator) einzubeziehen. Bei alledem kann man sich selbst gut abgrenzen, dem Nachbarn auf Augenhöhe begegnen und ihm gegenüber dennoch freundlich bleiben.

Rache wäre zwar häufig der einfachere Weg, aber keinesfalls der Bessere. Mit einem gesunden Selbstwertgefühl im Rücken schwindet auch der Wunsch nach Rache.

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Ich bin Dieter Jenz, Begleiter, Berater und Coach mit Leidenschaft. Über viele Jahre hinweg habe ich einen reichen Schatz an Kompetenz und Erfahrung erworben. Meine Themen sind die "4L": Lebensaufgabe, Lebensplanung, Lebensnavigation und Lebensqualität.