Wenn man Liebe nicht bedingungslos geben und nehmen kann …Lesezeit: 9 Min.

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„Wenn man Liebe nicht bedingungslos geben und nehmen kann, ist es keine Liebe, sondern ein Handel, in dem ständig Plus und Minus gegeneinander abgewogen werden.“

Emma Goldman
Wenn man Liebe nicht bedingungslos, E. Goldman - Gestaltung: privat
Gestaltung: privat

Emma Goldman (1869-1940) war eine Anarchistin, Friedensaktivistin, Antimilitaristin, Atheistin und feministische Theoretikerin. Sie gilt als eine Symbolfigur des Anarchismus. Die „rote Emma“ setzte sich für die Rechte der Arbeiter, Frauen und Kinder ein.

Erfahrung einer gescheiterten Ehe als Hintergrund

Eigene Lebenserfahrung sensibilisiert, befreit von Illusionen und bringt Klarheit, was man in seinem Leben wirklich möchte. Die Erfahrung einer gescheiterten Ehe bildet wohl den Hintergrund für diesen Aphorismus von Emma Goldman.

Bedingungslose Liebe – ein großes Wort! Wer möchte nicht bedingungslos geliebt werden und selbst bedingungslos lieben können? Doch was bedeutet das eigentlich, jemand bedingungslos zu lieben? Und was bedeutet es nicht?

Liebe als Fundament

Wenn man eine Person bedingungslos lieben möchte, muss die Bedingungslosigkeit natürlich ein Fundament haben: die Liebe. Für eine Person, die man liebt, empfindet man stärkste Zuneigung und Wertschätzung. Und man empfindet ein tiefes Gefühl inniger und tiefer Verbundenheit.

Liebe wirkt sich im Umgang mit einem geliebten Menschen ganz praktisch aus. Diese praktischen, erlebbaren Auswirkungen können in etwa so charakterisiert werden: Die Liebe ist geduldig, nicht selbstsüchtig, nicht nachtragend, nicht taktlos, nicht eingebildet, nicht überheblich, sucht nicht den eigenen Vorteil, verliert nicht die Beherrschung, bewahrt die Hoffnung, erträgt alles, hält allem stand, kennt keinen Neid.

Ist das ein weltfernes Idealbild der Liebe, das überhaupt nicht lebbar ist? In der Tat ist es wohl noch keinem Menschen auf der Welt gelungen, mit seinen Einstellungen und seinem Verhalten diesem Idealbild der Liebe immer und gesamthaft zu entsprechen. Aber bedeutet dies, dass man von vornherein darauf verzichten und es gleich gar nicht versuchen sollte, die ideale Liebe anzustreben?

Wieso ist es sinnvoll, dieses Idealbild der Liebe trotzdem vor Augen zu haben? Die Antwort lässt sich auf einen kurzen Nenner bringen: weil es für die seelische Gesundheit gut ist. Wenn man in einer Beziehung diese Liebe tatsächlich leben würde, dann würde jeder geben und nehmen. Es gäbe keine Falschheit, keinen Betrug, keinen Missbrauch, keine Ausbeutung usw. Welchen Grund würde es dann für seelenschädigende Gefühle wie Ärger, Aggression, Wut, Verzweiflung, Hoffnungslosigkeit usw. in einer Beziehung geben?

Die Realität ist jedoch eine Andere. In vielen Beziehungen ist die Liebe erkaltet, weil sie nicht gepflegt wurde. Und manche Menschen, die sich einmal geliebt haben, haben sich getrennt oder leben jetzt in einer Art Wohngemeinschaft.

Gleichzeitig gibt es natürlich auch viele auf gegenseitiger Liebe gegründete Beziehungen. Die Liebe ist lebendig, aber man wird in der Beziehung immer wieder einmal aneinander schuldig. Ist es dann überhaupt sinnvoll, von bedingungsloser Liebe sprechen zu wollen?

Was ist bedingungslose Liebe?

Wenn für die Liebe die absolute Freiwilligkeit als Voraussetzung gilt, dann muss dies erst recht für die bedingungslose Liebe gelten. Jemanden bedingungslos zu lieben kann nicht aus einem Zwang heraus geschehen. Bedingungslose Liebe lässt sich auch nicht einfordern.

Bedingungslose Liebe nimmt den Anderen an, so wie er jetzt gerade ist. Sie stellt keine Bedingungen, wie etwa so: „Erst wenn du dich änderst, werde ich dich bedingungslos lieben“. Sie verlangt oder erwartet auch nicht, dass der Andere sich ändert. Und sie will auch den Anderen nicht ändern. Dieser Versuch wäre ohnehin vergebens, da es so gut wie nie gelingt, eine andere Person nachhaltig zu ändern. Ein Mensch muss selbst den festen Willen haben, sich nachhaltig ändern zu wollen.

Wenn der Andere etwas nicht möchte, wird dies von der bedingungslosen Liebe respektiert. Sie erzwingt nicht, was der Andere nicht möchte und erlaubt dem Anderen, für sich zu sorgen und sich abzugrenzen. Sie achtet die Grenzen des Anderen, drängt nicht und setzt kein Ultimatum.

Bedingungslose Liebe sieht in erster auf den Anderen, nicht auf die Umstände und Verhältnisse. Der Andere, die Beziehung mit ihm, ist wichtiger als Geld oder sonstige Güter.

Im Wort „bedingungslos“ steckt schon der Verzicht auf gegenseitiges Aufrechnen. Bedingungslose Liebe geht gewissermaßen in Vorleistung und ist bereit, zu geben und zu schenken.

Zitat des Tages

Die Liebe besteht nicht darin zu fühlen, C. de Foucauld - Gestaltung: privat
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Bedingungslose Liebe – wie ist sie ganz praktisch erlebbar?

Ohne Zweifel muss bedingungslose Liebe ganz praktisch erlebbar sein. Sonst kann es die bedingungslose Liebe nicht geben. Sie wäre etwas Abstraktes, über das man zwar diskutieren könnte, aber schlussendlich wäre es, wie wenn Blinde über die Farbe reden würden.

Szenario: Ein finanzielles Wagnis mit Folgen

Angenommen, der Ehemann ist ein finanzielles Wagnis eingegangen und hat sich an der Börse verspekuliert. Zunächst sah alles so gut aus. Aber dann kam es zu einer Fehlspekulation. Der Wert des Depots ist deutlich geschrumpft. Der Hauskauf, den man mit dem Depot finanzieren wollte, ist jetzt nicht mehr möglich.

Beide Partner hatten sich auf Leitlinien bezüglich des einzugehenden Risikos geeinigt. Der Ehefrau war es wichtig, das Risiko möglichst gering zu halten. Dafür nahm sie einen geringeren Wertzuwachs in Kauf. Der Ehemann war mit dieser zurückhaltenden Vorgehensweise einverstanden. Ohne sich jedoch mit seiner Ehefrau abzusprechen, hatte er einen größeren Betrag in Aktien eines bestimmten Unternehmens investiert, weil ihm dieses als sehr erfolgversprechend erschien. Doch dieses Unternehmen geriet plötzlich und unvermutet in große Schwierigkeiten. Der Aktienkurs stürzte innerhalb kürzester Zeit auf einen kleinen Bruchteil des bisherigen Kursniveaus ab. Der Ehemann hatte sich nicht abgesichert und so schlug der Verlust voll durch.

Die Ehe geriet in eine schwere Vertrauenskrise. Der Ehemann machte sich Vorwürfe, aber dies half nun nichts mehr. Der finanzielle Schaden war angerichtet und ließ sich nicht mehr rückgängig machen. Und dieser Schaden hatte Folgen, denn für den geplanten Hauskauf reichte das Eigenkapital, zumindest für eine seriöse Finanzierung, jetzt nicht mehr.

Wie könnte sich bedingungslose Liebe in einer solchen Situation äußern? Die Liebe zwischen den Ehepartnern ist nach wie vor vorhanden. Aber es ist etwas Schwerwiegendes vorgefallen, das einen Anlass dafür liefert, vieles infrage zu stellen.

Die bedingungslose Liebe würde die Ehefrau etwa Folgendes sagen lassen: „Du bist mir wichtiger als das Geld. Wir lieben uns nach wie vor. Dann verzichten wir schweren Herzens auf das Haus. Hauptsache, wir bleiben zusammen.“. Würde sie überhaupt etwas anderes sagen können?

Szenario: das ausgeplauderte Geheimnis

Angenommen, die Ehefrau hat etwas sehr Vertrauliches über ihren Ehemann ausgeplaudert. Es war nicht gewollt, sondern rutschte im geselligen Kreis ihrer Freundinnen irgendwie heraus. Der schlimmste Fall trat ein: das, was unbedingt vertraulich bleiben sollte, sickerte auf Umwegen an die Öffentlichkeit durch. Der Ehemann geriet dadurch in eine schwierige Situation.

Die bedingungslose Liebe würde den Ehemann etwa Folgendes sagen lassen: „Ich bin durch die Ausplauderei in eine sehr schwierige Situation gekommen. Aber der Sturm geht auch wieder vorüber. Ich werde es überstehen. Wir bleiben zusammen.“. Würde er überhaupt etwas anderes sagen können?

Szenario: die ständige Unordnung

Angenommen, der Ehemann zählt zu den „Chaoten“. Der Schreibtisch ist nie aufgeräumt, Papiere stapeln sich. Auch auf dem Nachttischchen herrscht das Chaos. Kurz: überall, wo der Ehemann zugange ist, scheint ein heilloses Durcheinander zu herrschen. Doch seltsamerweise weiß er immer, wo was zu finden ist. Er hat alles in seinem Gehirn abgespeichert. Würde seine Ehefrau Ordnung machen, wäre er vollkommen hilflos. Die „Landkarte“ in seinem Gehirn wäre auf einmal völlig nutzlos.

Der Ehefrau ist diese ständige Unordnung ein Dorn im Auge. Doch sie kann ihren Ehemann nicht ändern. Er kann sich nur selbst ändern, und das auch nur, wenn er es wirklich möchte. Die bedingungslose Liebe würde die Ehefrau vielleicht Folgendes sagen lassen: „Du weißt, dass ich mit dieser Unordnung meine Probleme habe. Ich wünsche mir sehr, dass wenigstens auf dem Nachttischchen nichts herumliegt.“.

Wenn der Ehemann dann doch nach kurzer Zeit den Wunsch seiner Ehefrau wieder vergisst? Dann behält die Liebe dennoch die Oberhand. Sie ist stärker als die Umstände oder Verhältnisse. Vielleicht gibt es ja auch Gewohnheiten, die dem Ehemann an seiner Frau missfallen, und die er nachsichtig auf dem Fundament der Liebe hinnimmt.

Bedingungslosigkeit oder Tauschhandel?

Kann es sein, dass der Tauschhandel die Alternative zur Bedingungslosigkeit ist? Der Tauschhandel hätte die Funktion, ein Gleichgewicht herzustellen, etwa nach dem Motto: „Ich gebe dir etwas. Was bekomme ich dafür?“. Dann wären Tauschobjekte zu finden, denn der Tauschhandel benötigt ein oder mehrere Tauschobjekte.

Wenn die Bedingungslosigkeit fehlt, wäre man dann in einer Beziehung nicht ständig mit Tauschhandel beschäftigt? Dieser könnte viele verschiedene Formen annehmen, beispielsweise „Wunscherfüllung gegen Sex“ oder „Du leistest dir dies, ich leiste mir das“.

Ist bedingungslose Liebe gleichbedeutend mit grenzenloser Liebe?

Wenn bedingungslose Liebe den Anderen so annimmt, wie er gerade ist, bedeutet dies dann auch, dass man alles mit sich machen lässt? Muss man vielleicht sogar alles mit sich machen lassen und alle Grenzen auflösen?

Angenommen, der Partner hat sexuelle Wünsche, bei denen man selbst einen Widerwillen verspürt. Oder angenommen, der Partner möchte einen dazu bringen, sich an einer Schummelei zum Schaden Dritter zu beteiligen. Muss man sich darauf einlassen oder kann und darf man dem Partner Grenzen setzen? Die Beziehung an sich wäre schließlich nicht gefährdet, wenn sie auf bedingungsloser Liebe beruht.

Bedingungslose Liebe ist keine grenzenlose Liebe. Jeder hat das Recht, Grenzen zu setzen, die der Andere zu respektieren hat. Man liebt den Anderen bedingungslos, aber man macht nicht alles mit.

Gutes und Sinnvolles tun – ganz praktisch

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Was sind die Grenzen bedingungsloser Liebe?

Kann bedingungslose Liebe gedeihen, wenn ein Abhängigkeitsverhältnis oder gar eine Hörigkeit besteht? Dann bestünde in einer Beziehung eine dauerhafte Unwucht, die durch ein Über-/Unterordnungsverhältnis charakterisiert ist. Es wäre wohl kaum vorstellbar, dass der abhängige bzw. hörige Partner den Anderen freiwillig bedingungslos lieben kann. Bedingungslose Liebe setzt eine Beziehung auf Augenhöhe voraus und findet ihre Grenzen, wenn Liebe nicht (mehr) wählen kann.

Bedingungslose Liebe kann auch nicht bedeuten, den Anderen bei selbstschädigendem Verhalten zu unterstützen. Es mag sein, dass sich ein Partner selbst schadet, beispielsweise durch übermäßigen Konsum von Suchtmitteln (z. B. Alkohol, Drogen). Würde bedingungslose Liebe bedeuten, den Anderen in seinem selbstschädigenden Verhalten Würde bedingungslose Liebe bedeuten, den Anderen in seinem selbstschädigenden Verhalten begleiten und selbst leiden zu müssen? Keinesfalls! Die bedingungslose Liebe sorgt sich um den Anderen, aber sie darf sich nicht auf eine Art Co-Abhängigkeit einlassen. Diese Co-Abhängigkeit würde zur Vernachlässigung eigener Bedürfnisse führen.

Auch bedingungslose Liebe kann nicht ohne Grenzen auskommen. Der Partner wird als Mensch bedingungslos geliebt. Dessen Einstellungen, Verhaltensweisen oder Handlungen treffen jedoch auf die selbst abgesteckten Grenzen. Sie müssen nicht bedingungslos geliebt werden, wenn sie die eigenen Grenzen verletzen.

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Ich bin Dieter Jenz, Begleiter, Berater und Coach mit Leidenschaft. Über viele Jahre hinweg habe ich einen reichen Schatz an Kompetenz und Erfahrung erworben. Meine Themen sind die "4L": Lebensaufgabe, Lebensplanung, Lebensnavigation und Lebensqualität.