Wir müssen anderen ein zuverlässiger Freund werden, zu …Lesezeit: 8 Min.

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„Wir müssen anderen ein zuverlässiger Freund werden, zu dem man gern hingeht, wenn man über etwas in Zweifel oder in Not ist, ein Freund, auf den man absolut zählen kann.“

Charles de Foucauld
Wir müssen anderen ein zuverlässiger Freund werden, C. de Foucauld - Gestaltung: privat
Gestaltung: privat

Charles de Foucauld (1858 -1916) war ein französischer Forscher, Offizier, Priester, Mönch und Eremit. In eine der reichsten Familien Frankreichs geboren, führte er bereits während der Schulzeit einen ausschweifenden Lebenswandel. Aus der Armee, in die er später eintrat, wurde er unehrenhaft entlassen.

Nach seiner Wiederhinwendung zum christlichen Glauben wurde er Priester und Mönch. In Algerien errichtete er eine Einsiedelei. Gleichwohl pflegte er Kontakt zur einheimischen Bevölkerung und galt als Freund der Tuareg, einem Volksstamm. Bei einem Überfall von Aufständischen wurde er ermordet.

Wie wertvoll kann Freundschaft sein?

Charles de Foucauld entschied sich 1903 bewusst dafür, unter den Tuareg zu leben. Die Tuareg sind ein zu den Berbern zählendes Volk in Afrika, dessen Siedlungsgebiet sich über die Wüste Sahara und den Sahel erstreckt. Anfang 1904 verlegte er seinen Aufenthaltsort nach Tamanrasset, der auf etwa 1.400 Meter Höhe am Rande des Ahaggar-Gebirges gelegenen größten Oase im Süden Algeriens.

Zu dieser Zeit lebte er dort als einziger Europäer. Seine Alternativen wären gewesen, sein Leben entweder in totaler sozialer Isolation und Einsamkeit zu verbringen – schließlich war er Mönch und Eremit und empfand Einsamkeit und Stille als seine ursprüngliche Berufung – oder Anschluss an die einheimische muslimische Bevölkerung zu suchen. Er entschied sich für Letzteres.

Charles de Foucauld passte sich dem Leben in seiner Umgebung an. Er beschrieb es so: „Derzeit lebe ich wie ein Nomade im Zelt und wechsle ständig den Standort. Ich versuche mich mit den Menschen vertraut zu machen, ihre Freundschaft zu gewinnen. Dieses Leben hat den Vorteil, dass ich eine Menge Tuareg treffe und zugleich das Land kennenlerne.“.

Anfangs war Charles de Foucauld in Tamanrasset jedoch überhaupt nicht willkommen, denn die Bewohner sorgten sich um ihre Wasservorräte. Als er zusicherte, sich außerhalb des Ortes niederzulassen und nur einen kleinen Garten anzulegen, waren die Einheimischen mit seiner Anwesenheit einverstanden.

Im Lauf der Jahre entwickelten sich freundschaftliche Beziehungen zur einheimischen Bevölkerung. Einer seiner europäischen Freunde charakterisierte Charles de Foucauld als „der Freund, der Nachbar der Tuareg, die vorbeikommen.  Alle ihre Fragen, ihre Sorgen, ihre materiellen oder moralischen Belange sind seine Belange. Sie lieben ihn und er liebt sie. Sie sprechen gerne mit ihm und er hört ihnen gerne zu. Er hat ihre Sprache gelernt und gab sich nicht damit zufrieden, sie halb zu lernen. Er kennt sie von Grund auf und versucht wie ein Tuareg zu denken. Er lebt sein ganzes Leben mit seinen Freunden. Er trinkt Tee mit ihnen und will alle Barrieren abreißen.“.

Diese freundschaftlichen Beziehungen erwiesen sich für Charles de Foucauld als sehr wertvoll. Und sie waren darüber hinaus für ihn sogar lebensrettend. Als die Menschen in Tamanrasset aufgrund anhaltender Dürre an einer Hungersnot litten und er lebensgefährlich an Skorbut, einer Vitaminmangelkrankheit, erkrankte, fühlten sie sich für ihn verantwortlich. Sie suchten für ihn in einem Umkreis von mehreren Kilometern nach Ziegen, die noch Milch gaben und retteten ihm so das Leben.

Der Freund – eine „Mangelware“?

Was Charles de Foucauld über Freundschaft schrieb, über die Notwendigkeit, anderen ein zuverlässiger Freund zu werden, lebte er auch. Es entwickelten sich vertrauensvolle und tiefgreifende Beziehungen auf Augenhöhe.

Viele Menschen unserer Zeit fühlen sich einsam. Sie haben keine wirklichen Freunde. Vielleicht haben sie in den sozialen Netzwerken eine Vielzahl von Freunden, aber diese Art Freunde verdienen die Bezeichnung „Freund“ meist nicht. Eigentlich sind es Bekannte, die man nur mehr oder weniger flüchtig kennt. Man teilt eine Zeitlang gemeinsame Interessen und dann verliert man sich irgendwann wieder aus den Augen. Die Trauer über den „Verlust“ hält sich in engen Grenzen, denn man kennt voneinander eigentlich nur die Fassade.

Der Wunsch, einen oder mehrere wirkliche Freunde zu haben, ist gleichwohl vorhanden. Man wünscht sich Menschen, mit denen man gemeinsam Zeit verbringen kann, mit ihnen über alles und jenes sprechen kann, ohne befürchten zu müssen, dass die Vertraulichkeit gebrochen wird. Und man wünscht sich Menschen, die einem nahe und eine Stütze sind, wenn es einem schlecht geht. Aber es scheint so schwer zu sein, wirkliche Freunde zu finden. Sie scheinen eine Art „Mangelware“ zu sein.

Was könnte man unter einem wirklichen Freund verstehen? Gegenseitige Zuneigung, Sympathie und Wertschätzung reichen für eine Freundschaft nicht aus. Erst bei gegenseitigem Vertrauen und gegenseitiger Zuverlässigkeit lässt sich von einer wirklichen Freundschaft sprechen. So ließe sich ein Freund – und selbstverständlich auch eine Freundin – als eine Person charakterisieren,

  • die einem zugeneigt ist und einen wertschätzt,
  • die nicht nur eigene Interessen im Blick hat,
  • mit der man oft und gerne zusammen ist,
  • mit der man über alles reden kann,
  • zu der man absolutes Vertrauen hat,
  • auf deren Verschwiegenheit man sich vollkommen verlassen kann,
  • auf die man auch in schwierigen Zeiten absolut zählen kann.

Eine derartige Freundschaft bereichert das Leben der Freunde ungemein. Es ist sogar von unschätzbarem Wert, wenn man einen Freund hat, mit dem man sprechen kann, wenn man eine schwierige Zeit durchstehen muss oder vor großen Herausforderungen steht. Einen Freund zu haben bedeutet jedoch auch gleichzeitig, selbst ein Freund zu sein.

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Den Sinn erhält das Leben, H. Hesse - Gestaltung: privat
Gestaltung: privat

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Zum Freund werden

Wenn es also das Leben – nicht nur das eigene – derart bereichert, was hindert einen daran, gezielt Freundschaften aufzubauen und anderen ein Freund zu sein bzw. zu werden? An Ratgebern, wie man dies bewerkstelligen könnte, mangelt es wahrhaftig nicht. Stellvertretend genannt sei lediglich Dale Carnegies Buch „Wie man Freunde gewinnt“, ein Bestseller, der sich weltweit millionenfach verkaufte.

Freundschaften aufzubauen ist jedoch bei weitem nicht nur eine Frage der Methode. Mit welcher Methode könnte man beispielsweise Vertrauen aufbauen? Vertrauen ist eine individuelle Eigenschaft einer Person und auch zwischenmenschlicher Beziehungen. Man kann Vertrauen nicht einfach „anknipsen“. Es muss sich entwickeln und wachsen und dieser Prozess benötigt Zeit. Vertrauen bestätigt sich in einer zwischenmenschlichen Beziehung immer wieder – oder auch nicht – und mit jeder Bestätigung wächst es.

Zum Freund werden ist im Grunde keine anstrengende Angelegenheit. Dies könnte es sein, wenn man als Freund eine Leistung erbringen müsste. Leistung ist jedoch nicht gefordert, vielmehr echte und zugewandte Menschlichkeit.

Vertrauen und Zuverlässigkeit bestätigen

Vertrauen erfordert Authentizität, Echtheit. Man ist ehrlich und sagt, was man meint, glaubt und fühlt – dies natürlich nicht rücksichtslos oder gar verletzend. Und man tut das, was man sagt, und steht auch zu seinen Stärken und Schwächen.

Zuverlässigkeit erweist sich in vorhersehbarem Verhalten. Zusagen und Versprechen, beispielsweise die Zusage absoluter Vertraulichkeit, werden stets eingehalten. Mit anderen Worten: Erwartungen werden erfüllt.

Vertrauen und Zuverlässigkeit werden bei einer Freundschaft im Lauf der Zeit immer wieder bestätigt. So wächst die Freundschaft und kann sich immer mehr vertiefen.

Leistungsgedanken ausblenden

Viele Menschen messen ihren Wert an Leistung. Erbringt man Leistung, fühlt man sich gut. Wenn man jedoch seinen eigenen und/oder auch den Leistungsanforderungen der anderen vermeintlich oder auch in Wirklichkeit nicht genügt, fühlt man sich schnell minderwertig, vielleicht sogar wertlos.

In einer Freundschaft hat der Leistungsgedanke hingegen keinen Raum. Man muss als Freund nichts leisten und man könnte es meistens auch überhaupt nicht. Was man gibt bzw. schenkt – indirekt auch sich selbst – ist Zeit. Man ist einfach „nur“ präsent.

Man kann beispielsweise einem Freund keine Entscheidung abnehmen. Die Entscheidung muss beim Freund bleiben, denn nur er kann die Verantwortung für (s)eine Entscheidung übernehmen und tragen. Man kann auch für einen Freund keine Probleme lösen. Man kann ihm „nur“ dabei helfen, seine Lösung selbst zu finden.

Wenn der Leistungsgedanke keinen Raum hat, dann kann es in einer Freundschaft auch nicht um die Beziehung von Leistung und Gegenleistung gehen. In einer Freundschaft lässt sich nichts gegeneinander aufrechnen. Dann wäre es keine Freundschaft auf Augenhöhe mehr, sondern eine Art „Handelsbeziehung“.

Abgrenzen, wenn notwendig

Eine Freundschaft darf nicht überfordern. Wenn beispielsweise ein Freund in Schwierigkeiten steckt, ist es nur natürlich, wenn er sich mit seinen Ängsten, Zweifeln, Nöten usw. an einen wendet. Vielleicht hat er stark erhöhten Gesprächsbedarf, der einen zeitlich überfordert. Und möglicherweise hängt er sich sogar an einen und beansprucht, vielleicht selbst ungewollt, viel Energie.

Wie viel man von seiner Zeit geben will, ist eine freie Entscheidung und muss es auch bleiben. Im Interesse der Eigenfürsorge ist es durchaus legitim, sich abzugrenzen. Wenn der Freund beispielsweise mehrmals täglich anruft, kann man mit ihm vereinbaren, dass man höchstens einmal am Tag über das betreffende Thema spricht, etwa so: „Lass uns unser Gespräch gedanklich gut vorbereiten und beschränken wir uns auf eine halbe Stunde. Sonst drehen wir uns vielleicht im Kreis.“.

Gutes und Sinnvolles tun – ganz praktisch

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Jeder kann ein Freund sein oder dazu werden

Jeder kann anderen Menschen ein Freund sein oder werden, völlig ohne besondere Qualifikationen und völlig ohne Ausbildung. Es ist eine Angelegenheit des Herzens.

Wenn man Freundschaft wertschätzt, lautet die Konsequenz: Kein einziger Mensch hat einen Grund, sich minderwertig oder gar wertlos zu fühlen! Wie schon ausgedrückt: Jeder kann anderen Menschen ein Freund sein und auf diese Weise etwas sehr Wertvolles geben. Und jeder Mensch kann völlig ohne Geld investieren: in bereichernde zwischenmenschliche Beziehungen. Man teilt Freud und Leid miteinander und lernt die Tiefe des Lebens kennen und erfährt sie gemeinsam.

Durchaus viele Menschen bemessen, wie schon erwähnt, ihren Wert als Mensch an ihrer Leistung. Oft stecken dahinter auch Glaubenssätze aus der Kindheit, beispielsweise der so schlimme Glaubenssatz „Nur wer leistet, wird geliebt“. Und dann vergleicht man sich bezüglich seiner Leistung mit anderen – und stellt dann fest, dass andere Dinge besser können, mehr haben oder…

Wohl die wenigsten Menschen kamen bisher auf den Gedanken, ihren Wert als Mensch nach der Zahl ihrer wirklichen Freunde zu bemessen. „Wie vielen Menschen bin ich ein wirklicher Freund?“, wäre die Frage. Dann würde man sich mit jeder wahren Freundschaft reicher fühlen.

Anmerkung: Aus Gründen der besseren Lesbarkeit wurde im Text die männliche Form gewählt. Dies ist nicht geschlechtsspezifisch gemeint.

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Ich bin Dieter Jenz, Begleiter, Berater und Coach mit Leidenschaft. Über viele Jahre hinweg habe ich einen reichen Schatz an Kompetenz und Erfahrung erworben. Meine Themen sind die "4L": Lebensaufgabe, Lebensplanung, Lebensnavigation und Lebensqualität.