Das Vergleichen ist das Ende des Glücks und der Anfang …Lesezeit: 10 Min.

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„Das Vergleichen ist das Ende des Glücks und der Anfang der Unzufriedenheit.“

Søren Kierkegaard
Das Vergleichen ist das Ende des Glücks, S. Kierkegaard - Gestaltung: privat
Gestaltung: privat

Søren Aabye Kierkegaard (1813-1855) war ein dänischer Philosoph, Essayist, Theologe und Schriftsteller. Er gilt auch als richtungweisender Vertreter der Existenzphilosophie, einer philosophischen Richtung, die im Zentrum ihres Denkens die Existenz des Menschen im weitesten Sinne hat.

Vergleichen – mit der Realität oder einer Scheinwelt?

Da ist sie wieder zu sehen: die Arbeitskollegin, die gerade Urlaub macht. Auf Instagram postet sie regelmäßig schöne Fotos. Gestern Abend erst war es eine Serie mit Fotos, die sie an einem traumhaften Strand zeigen, mal mit einem Cocktail in der Hand, mal mit dem fantastischen Sonnenuntergang, mal mit … Alles sieht so toll aus!

Kann man da nicht neidisch werden? Da sitzt man selbst gerade alleine in der kleinen Wohnung. Scheinbar unaufhörlich prasselt der Regen gegen die Fensterscheiben. Und der Arbeitstag war auch irgendwie „gebraucht“. Die eigene Stimmung ist gedrückt. Welch ein Kontrast!

Die Bilder der Kollegin ziehen in den Gedanken ihre Kreise. Man wäre selbst gerne gerade dort, wo sie jetzt ist. Man würde gerne selbst sorglose Tage an einem Traumstrand genießen. Und überhaupt: die Arbeitskollegin scheint sich weitaus mehr leisten zu können als man selbst. Kann man da nicht unzufrieden sein – oder, wenn man es nicht ohnehin schon ist – unzufrieden werden?

Doch entspricht das sichtbar „süße“ Leben der Kollegin wirklich der Realität? Wer in den sozialen Medien etwas postet, möchte eine bestimmte Botschaft transportieren: „Seht mal, wie ich gerade etwas ganz Tolles erlebe“, „Seht mal, was ich mir alles leisten kann“, „Seht mal, wie gut ich aussehe“ … Und die Botschaft soll natürlich gut verpackt werden.

Wohl niemand wird in den sozialen Medien etwas von sich posten, was einen in irgendeiner Weise negativ darstellt. Selbstverständlich werden nur Fotos oder Videos gepostet, die als gelungen und vorteilhaft eingeschätzt werden. Davon abgesehen gibt es auch die Möglichkeit, Fotos und Videos nachzubearbeiten – und diese Möglichkeit wird auch ausgiebig genutzt.

Auch jeder Fernseh- oder Kinofilm ist das Ergebnis sorgfältiger Herstellung und Bearbeitung. Manche Szenen müssen mehrfach gedreht werden. Die am besten gelungenen werden schließlich ausgewählt. Misslungene Szenen landen im physischen oder digitalen Müll. Nicht anders verhält es sich mit misslungenen Fotos und Videos, die aber auch die Realität zeigen.

Auch die Kollegin könnte bei ihren schönen Fotos durchaus etwas nachgeholfen haben. Auf den ersten Blick ist dies nicht unbedingt erkennbar. Wenn sie tatsächlich ihre Fotos nachbearbeitet hat, gaukelt sie damit etwas nicht real Existierendes vor.

Davon abgesehen zeigen die geposteten schönen Fotos nur einen winzig kleinen Ausschnitt aus dem Leben der Kollegin. Auf den Fotos ist nicht erkennbar, dass ihre Beziehung zu ihrem Partner vielleicht gerade an einem Tiefpunkt angelangt ist. Und vielleicht hat sie gerade in anderen Bereichen schwerwiegende Probleme und macht sich große Sorgen. Doch auf den schönen Fotos sieht man es nicht. Die Kollegin inszeniert sich selbst, und das möglichst vorteilhaft.

Die vollständige Wirklichkeit eines Mitmenschen kann man nicht sehen. Jedes Vergleichen kann sich deshalb nur auf ein kleines Zipfelchen von der Wirklichkeit beziehen. Wenn man das reale Leben der Kollegin in seiner ganzen Tiefe kennen würde, würde man dann immer noch vergleichen wollen? Oder würde man vielleicht zu sich selbst sagen: „Traumstrand hin oder her. Mit der will ich wirklich nicht tauschen! Ihr Leben ist wirklich nicht beneidenswert!“?

Das Vergleichen mit anderen kann also gefährlich sein. Das Gefährliche daran ist, dass man möglicherweise mit etwas vergleicht, das in Wirklichkeit so überhaupt nicht existiert. Wenn Fotos oder Videos geschönt sind, vergleicht man mit einer inszenierten Scheinwelt. Ein solcher Vergleich kann nur zu falschen Schlüssen führen. In der Konsequenz ist es überhaupt kein Vergleich mehr.

Was kann das Ergebnis des Vergleichs sein?

Das Vergleichen geschieht zunächst unbewusst und gewissermaßen automatisch. In Sekundenbruchteilen formt sich ein Vergleichsergebnis, das schließlich in das Bewusstsein drängt und etwas in dem Vergleichenden bewirkt. Ab dem Bewusstwerden kann man entscheiden, wie man auf das Ergebnis des Vergleichs reagiert.

Im Wesentlichen bestehen folgende Reaktionsmöglichkeiten:

  • Selbstbestärkung: Man fühlt sich durch den Vergleich überlegen, steht vor sich selbst besser da und fühlt sich besser;
  • Selbstabwertung: Man fühlt sich durch den Vergleich unterlegen, steht vor sich selbst schlechter da und fühlt sich schlechter;
  • Inspiration: Man nimmt wahr, dass man das, was jemand anderes macht, ja auch selbst könnte: „Gute Idee, das könnte ich ja selbst auch!“. Bisher hat man noch nicht daran gedacht;
  • Motivation und Ansporn: Man nimmt wahr, dass jemand anderes in vergleichbaren Verhältnissen etwas geschafft hat: „Wenn die/der das schafft, dann kann ich das auch schaffen!“.

Die Frage kann man sich selbst stellen, nachdem das Ergebnis eines Vergleichs bewusst geworden ist: „Was mache ich jetzt mit dem Ergebnis des Vergleichs?“ Die Antwort ist durchaus wichtig und bedeutungsvoll.

Zitat des Tages

Wenn du etwas nicht magst, M. Angelou - Gestaltung: privat
Gestaltung: privat

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… und wozu kann das Ergebnis des Vergleichs auch führen?

Jeden Tag vergleichen wir uns viele Male mit anderen. Im ständigen Vergleichen mit unseren Mitmenschen kann der Fokus immer wieder auf das gelenkt werden, was fehlt und was nicht so gut ist.

Die Gefahr ist groß, dass das Ergebnis des ständigen Vergleichens zu einer Selbstabwertung führt. Ständig sieht man vermeintlich beneidenswerte Menschen, die anscheinend alles können, was man selbst nicht kann, oder die so sind, wie man selbst nicht ist. Bei diesen Menschen scheint alles perfekt zu sein und zu laufen. Minderwertigkeitsgefühle werden geschürt, das eigene Selbstbewusstsein leidet.

Im Lauf der Zeit können Frustration und Resignation Raum gewinnen. Man wird nie so sein oder werden können wie die anderen. Oder man versucht, die vermeintliche Lücke zu schließen und hetzt in der Konsequenz den anderen und deren Idealen hinterher. Ein rastloses Leben kann die Folge sein.

Gleichgültig ob man sich der Frustration und Resignation hingibt oder ob man anderen hinterherhetzt: letzten Endes wertet man sich selbst ab. Man lässt zu, dass andere Menschen Maßstäbe setzen, nach denen man sich zu richten hat.

Es verwundert nicht, dass sich Auswirkungen auf das Selbstwertgefühl ergeben. Dieses hängt von mehreren Faktoren ab. Nicht nur individuelle Lebenserfahrungen und die individuelle Verletzlichkeit spielen eine wichtige Rolle, sondern auch das gesellschaftliche Umfeld. Alles was uns im Alltag an „Botschaften“ über die verschiedensten Medien (Fernsehen, Rundfunk, soziale Medien, Werbeplakate usw.) erreicht, trägt dazu bei, Normen im weitesten Sinne festzulegen: für Schönheit, Attraktivität, Wohlstand, Wohlbefinden usw. Die Vorstellung einer Art „Normalität“ wird geschaffen. Diese Normen beeinflussen die Wahrnehmung, die wir von uns selbst und von anderen haben.

Die negativen Folgen des ständigen Vergleichens lassen sich beispielhaft im Hinblick auf soziale Medien veranschaulichen. Eine im Jahr 2017 von der Royal Society of Public Health des Vereinigten Königreichs durchgeführte Untersuchung fand heraus, dass 91 % der 16-24 Jahre alten Menschen das Internet als Zugang zu sozialen Medien nutzen. Einige besorgniserregende Ergebnisse stechen hervor:

  • die sozialen Medien machen süchtiger als Alkohol oder Zigaretten,
  • als negative Folgen der Nutzung von sozialen Medien können Angststörungen, schlechter Schlaf oder Depressionen auftreten,
  • bei jungen Menschen, die zu den Intensivnutzern (mehr als zwei Stunden am Tag) von sozialen Netzwerken zählen, besteht eine höhere Wahrscheinlichkeit, dass sie über mangelnde psychische Gesundheit klagen.

Die von den sozialen Medien geweckten unrealistischen Erwartungen können als Folgewirkung zu einer geringen Selbstwertschätzung und auch zu einer Jagd nach Perfektionismus führen. Auch Symptome Sozialer Phobie (z. B. Angst vor prüfender Betrachtung vonseiten anderer Menschen, Vermeiden von Blickkontakten, Angst, fremde Personen anzusprechen) lassen sich beobachten.

In der Gesamtschau betrachtet kann das ständige Vergleichen dazu führen, dass das Selbstbewusstsein und das Selbstvertrauen leiden. Depressive Verstimmungen können an Häufigkeit und Intensität zunehmen.

Was ist überhaupt vergleichbar – und was nicht?

Vergleichbarkeit setzt voraus, dass es sich um zwei oder mehr Objekte gleicher Art handelt. Es wäre beispielsweise unsinnig, einen Apfel mit einem Maiskolben oder einen Menschen mit einem Maulwurf zu vergleichen. Ferner muss etwas objektiv messbar sein. Dies ist beispielsweise bei Körpergröße und ‑gewicht der Fall. Die objektive Vergleichbarkeit kann sich auf weitere Kriterien erstrecken, die mit Fähigkeiten in Beziehung stehen: beispielsweise, wie weit man springen, wie hoch man hüpfen kann – oder auch wie hoch der Bruttoverdienst aus beruflicher Tätigkeit ausfällt.

Den in cm, kg, Euro oder anderen Maßeinheiten objektiv messbaren und somit auch vergleichbaren Eigenschaften und Fähigkeiten stehen viele andere gegenüber, die nur subjektiv bewertbar sind. Wie ließe sich beispielsweise die körperliche Attraktivität objektiv messen? Es ist sehr wahrscheinlich, dass mehrere Menschen zu unterschiedlichen Ergebnissen kommen, wenn sie die körperliche Attraktivität einer bestimmten Person einschätzen. Schönheit liegt bekanntlich im Auge des Betrachters.

Vergleichbarkeit verlangt außerdem Transparenz. Mit anderen Worten: Man benötigt einen uneingeschränkten Einblick in das zu Vergleichende. Doch an diesem Kriterium muss jeder Vergleich mit anderen Menschen scheitern, denn niemand hat den vollständigen Einblick in den „inneren Menschen“, die Seele, eines anderen. Deshalb kann jedes Urteil über den Charakter eines anderen Menschen nur ein auf einer Teilsicht beruhendes subjektives Urteil sein.

Wie die eingeschränkte Sicht auf die Persönlichkeit von Mitmenschen zu einer eklatanten Fehlwahrnehmung führen kann, wird exemplarisch an dem Serienmörder Peter Kürten (hingerichtet im Jahr 1931) deutlich. Für die Nachbarn erschien Peter Kürten als Mensch mit gepflegtem Äußerem und als liebender Ehemann, der seine Frau häufig zur Arbeit begleitete und auch wieder abholte. Niemand schöpfte Verdacht, dass er ein gefährlicher Gewalttäter sein könnte. Wegen Mordes in neun Fällen wurde Peter Kürten neunmal zum Tode verurteilt. Sieben Mordversuche konnten ihm ebenfalls nachgewiesen werden.

In der Gesamtschau betrachtet muss sich jedes Vergleichen ausschließlich auf objektiv Messbares beschränken. Alles subjektiv Wahrnehmbare beruht auf einer Teilsicht. Und jede Selbstinszenierung führt unweigerlich zu einer Täuschung.

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Vor lauter Defiziten den eigenen Reichtum übersehen?

Wie bereits erwähnt, besteht die latente Gefahr, beim Vergleichen auf das zu sehen, was fehlt und was nicht so gut ist. Dabei wird schnell vergessen, dass jeder Mensch und man damit selbst auch mit seinen Begabungen, Fähigkeiten und Neigungen einzigartig ist. All dies kann man dazu nutzen, Lebensziele zu realisieren.

Aus einem anderen Blickwinkel betrachtet verfügt man über individuellen Reichtum, für den man von Herzen dankbar sein darf. Es mag sein, dass man sich selbst nicht für reich hält, aber man ist es doch (siehe „Du denkst, du bist nicht reich, aber du bist es doch! Sei dankbar dafür!“).

Leider kann der Blick auf diesen individuellen Reichtum durch das Vergleichen schnell verstellt werden. Man sieht ihn nicht mehr, dafür aber Defizite. Dadurch entsteht ein verzerrtes Bild von sich selbst.

Man wird immer wieder in die Sich-Vergleichen-Falle tappen. Doch man hat es selbst in der Hand, wie man mit sich selbst umgeht, nachdem man es bemerkt hat. Man kann sich seinen Gedanken hingeben, die in die Selbstabwertung führen können. Oder man nimmt es einfach zur Kenntnis, ruft sich selbst ein „Stopp!“ zu und besinnt sich auf seine Einzigartigkeit: Ich bin ich, und ich bin so wie ich bin.

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Ich bin Dieter Jenz, Begleiter, Berater und Coach mit Leidenschaft. Über viele Jahre hinweg habe ich einen reichen Schatz an Kompetenz und Erfahrung erworben. Meine Themen sind die "4L": Lebensaufgabe, Lebensplanung, Lebensnavigation und Lebensqualität.