„Ein Tropfen Liebe ist mehr als ein Ozean Verstand.“
Blaise Pascal
Blaise Pascal (1623-1662) war ein französischer Mathematiker, Physiker, Literat und christlicher Philosoph. Schon in seiner Kindheit und Jugendzeit wurde sein hervorragendes mathematisches Talent sichtbar. Im Alter von 16 Jahren veröffentlichte er sein Werk über Kegelschnitte (Pascalscher Satz). Als er eine der ersten Rechenmaschinen zu konstruieren begann, für die er dann ein Patent erhielt, war er erst 18 Jahre alt.
Später wandte er sich von der Mathematik ab und erst physikalischen, dann theologischen und philosophischen Fragen zu. Schließlich ging er als einer der wichtigsten religiösen Denker des 17. Jahrhunderts in die Geschichte ein.
Blaise Pascal – ein „Überflieger“ in seiner Zeit
Es ist nicht bekannt, wie alt Blaise Pascal genau war, als er diesen Satz zu Papier brachte. Sehr wahrscheinlich geschah dies in der Zeit, als er sich intensiv mit theologischen und philosophischen Fragen beschäftigte. Sicherlich dringt auch ein gewisses Maß an Lebenserfahrung durch.
Pascal hatte allen Grund, auf sein wissenschaftliches Werk stolz zu sein. Zu seiner Zeit, im 17. Jahrhundert, veröffentlichte er eine Reihe naturwissenschaftlich-mathematischer Abhandlungen. Dazu zählten z. B. eine Abhandlung zum Nachweis des Vakuums, dessen Existenz man bis dahin für unmöglich gehalten hatte, und eine Abhandlung zum Luftdruck, in der die Hydrostatik in der Geschichte der Wissenschaft erstmals umfassend behandelt wird.
Glaube, Vernunft, Liebe
Es mag auf den ersten Blick erstaunen, welches Gewicht Pascal der Liebe zuweist. Er, der mit viel Verstand gesegnet war, hätte den Verstand über alles stellen können. Was ist dagegen schon Liebe? Ist Liebe gegenüber dem Verstand nicht eine Randerscheinung, zumal ja auch die Ergebnisse von Verstandesarbeit die Menschheit voranbringen? Was „leistet“ dagegen die Liebe?
Blaise Pascal wurde in die obere französische Gesellschaftsschicht hineingeboren. Durch seinen Vater fand er Zugang zu Mathematikern und Naturforschern. Was hätte näher gelegen als die Chancen zu nutzen und sich voll auf Wissenschaft und Forschung zu konzentrieren? Doch er hielt nicht die Naturwissenschaften, die Mathematik und das mechanische Rechnen für das Bedeutendste in seinem Leben, sondern vielmehr die Beziehung des Menschen zu seinem Schöpfer und in der Konsequenz auch zu seinen Mitmenschen.
Seine Gedanken legte er in religiösen Schriften, seinen Pensées (Gedanken über die Religion und über einige andere Themen) nieder. Dabei handelte es sich um erste Entwürfe für eine umfassende Verteidigung des christlichen Glaubens.
Die Pascal’sche Wette
Die Frage nach der Existenz Gottes beantwortete Pascal damit, dass zwar Gewissheit fehle, die Wahrscheinlichkeit seiner Existenz und des daraus erwachsenden Guten jedoch die gegenteilige Wahrscheinlichkeit bei weitem überwiege. Der sogenannten Pascal’schen Wette liegt die Argumentation zugrunde, dass es stets eine bessere „Wette“ sei, an Gott zu glauben, weil der Erwartungswert des Gewinns, der durch Glauben an einen Gott erreicht werden könne, stets größer sei als der Erwartungswert im Fall des Unglaubens. Mit anderen Worten: Blaise Pascal stellte eine Art Kosten-Nutzen-Berechnung auf, angewandt auf die Seele als das kostbarste Gut des Menschen.
Wenn angenommen wird, dass Gott tatsächlich existiert, so Blaise Pascal, dann hat ein Gläubiger Aussicht auf das ewige Leben in der Gegenwart Gottes. Ein Nichtgläubiger wäre hingegen von Gott getrennt und an einem Ort der Verdammnis. Wenn jedoch Gott nicht existiert, hat der Nichtgläubige nichts gewonnen, wohingegen der Gläubige zumindest ein ehrbares und glückliches Leben geführt hat. In der Konsequenz ist es besser, selbst dann an Gott zu glauben, wenn es keine objektive Sicherheit gibt, dass Gott wirklich existiert.
Für Blaise Pascal steht der Glaube nicht im Gegensatz zur Vernunft. Vielmehr gebraucht man seinen Verstand, um zu einer persönlichen Erkenntnis hinsichtlich der Existenz Gottes und seines Verhältnisses zu den Menschen zu gelangen. Schlussendlich ist der Glaube nur durch eigene Überzeugung und bewusste Entscheidung möglich.
Von Verstand und Erkenntnis zur Liebe
Wie schaffte Blaise Pascal den „Sprung“ von Verstand und Erkenntnis zur Liebe? Er kannte die biblischen Schriften und somit auch die Passage im Neuen Testament, 1.Korinther 13, 2: „Wenn ich die Gabe der Prophetie hätte und wüsste alle Geheimnisse und hätte jede Erkenntnis und wenn ich einen Glauben hätte, der Berge versetzen könnte, aber keine Liebe hätte, so wäre ich nichts.“. Mit anderen Worten und kurz zusammengefasst: ohne Liebe ist alle Erkenntnis wertlos.
Blaise Pascal scheint die Liebe Gottes in seinem Herzen gespürt zu haben. Eingenäht in seinen Mantel trug er stets einen Zettel bei sich, auf dem zu lesen war, dass er von Herzen gefühlte Gewissheit, Freude und Frieden empfand. So wird nachvollziehbar, wie Pascal die gedankliche Brücke von Verstand und Erkenntnis zur Liebe herstellen konnte.
Tropfen gegen Ozean
Ein Tropfen gegen einen ganzen Ozean – ein krasses Missverhältnis. Doch Pascal mag den Gedanken gehabt haben, dass ein einzelner in den Ozean fallender Wassertropfen den Zustand des gesamten Ozeans verändert. Rein technisch gesehen ist das so. Der Ozean ist nicht mehr derselbe wie vorher.
Im übertragenen Sinn verändert auch ein Tropfen Liebe den Zustand der gesamten Schöpfung. Ein Tropfen Liebe verändert Menschen, verändert Beziehungen. Wenn man schon mit nur einem Tropfen Liebe eine Spur hinterlassen kann, worin könnte ein solcher Tropfen Liebe ganz praktisch bestehen?
Ein Lächeln schenken
Ein Tropfen Liebe kann für etwas ganz Kleines stehen. Es mag ein Lächeln sein, das man jemand schenkt, vielleicht einem Menschen, dem man immer wieder begegnet. Das mag beispielsweise der Paketbote sein, für den es ein „Knochenjob“ sein kann, Sendungen bis vor die Tür zu schleppen. Er hat nicht viel Zeit, denn sein Arbeitspensum ist hoch. Möglicherweise hatte er in den Stunden zuvor wenig zu lachen, bekam keine oder nur wenig Anerkennung für seine Arbeit. Vielleicht ist sogar etwas schiefgelaufen und er muss Zeit aufholen. Da kann ein Lächeln wie Balsam wirken und Wertschätzung vermitteln. Und, wer weiß, vielleicht ist gerade dieses Lächeln sogar das einzige, das der Paketbote an diesem Tag erlebt.
Ein einfaches Lächeln mag viel bewirken. Aber was genau es bewirkt, weiß man meistens nicht, denn so gut wie nie bekommt man mit, wie es beim Empfänger ankam. Mutter Teresa, eine indische Ordensschwester, die durch ihre Arbeit mit Armen, Obdachlosen, Kranken und Sterbenden weltweit bekannt wurde, resümierte: „Wir werden nie wissen, wie viel Gutes ein einfaches Lächeln vollbringen kann.“.
Das „gute“ Wort wählen
Vielleicht ist jemand ein Missgeschick passiert und man ist dadurch betroffen. Vielleicht hat jemand etwas fallenlassen, das sich jedoch leicht ersetzen lässt. Man könnte den Verursacher in seinem Ärger „zur Schnecke machen“. Aber man könnte auch ein „gutes“ Wort finden, das aber trotzdem das Missgeschick nicht verniedlicht.
Das Missgeschick ist passiert. Das Glas ist zerbrochen und muss ersetzt werden. Jetzt hat man die Wahl, wie man darauf reagiert. Man könnte ärgerlich sagen: „Du Idiot, konntest du nicht besser aufpassen?“. Man könnte aber auch in sachlichem Ton sagen: „Blöd, dass das passiert ist. Aber was passiert ist, ist passiert. Bitte sorge dafür, dass das Glas ersetzt wird.“.
Das kleine Geschenk
Vielleicht kennt man jemanden, von dem man weiß, dass es ihm oder ihr gerade nicht so gut geht. Ein Tropfen Liebe kann darin bestehen, dieser Person ein kleines Geschenk zukommen zu lassen, verbunden mit der Botschaft, dass man an sie denkt. Mit diesem kleinen Geschenk vermittelt man: „Du bist mir wichtig.“.
Thomas (Name geändert) war in wirtschaftliche Schwierigkeiten geraten. Als Solo-Selbständiger durchlebte er eine schwierige Zeit. Er war deprimiert und wusste nicht mehr so recht, wie es weitergehen könnte. Da stand eines Morgens unvermittelt ein Freund, der von seiner Situation wusste, vor seiner Tür und brachte ihm ein kleines Geschenk vorbei. An Thomas‘ wirtschaftlicher Situation änderte sich dadurch nichts, aber es war wie Balsam für seine Seele. Noch viele Jahre später denkt Thomas immer wieder an diesen unverhofften Besuch.
Zeit als Geschenk
Auch Zeit schenken ist ein Zeichen der Liebe. Vielleicht kennt man jemand, den gerade etwas sehr beschäftigt und der über seine Gedanken sprechen möchte. Man kann dieser Person ein Zuhörer sein und etwas von seiner Zeit schenken.
Manchmal mag das Mitteilungsbedürfnis die eigenen zeitlichen Möglichkeiten absehbar überspannen. Um zu vermeiden, dass man selbst zeitlich in Bedrängnis gerät, kann man die Zeit von vornherein begrenzen, etwa so: „Ich habe jetzt 15 Minuten Zeit und höre dir solange gerne zu.“.
Mit der Zeit kann durchaus ein Vertrauensverhältnis entstehen. Auf dieser Basis kann sich wiederum vielleicht eine Freundschaft entwickeln.
Was tut man für sich?
Ausnahmslos jeder Mensch kann einen Tropfen Liebe geben. Man braucht dazu keinerlei Ausbildung und auch kein Geld. Lediglich guter Wille und ein kleines Maß an Phantasie und Kreativität sind gefragt. Grenzen, wie man mit einem Tropfen Liebe etwas bewegen kann, sind nicht gesetzt.
Was tut man eigentlich für sich selbst, wenn man einen kleineren oder größeren Tropfen Liebe schenkt? Gibt man nur oder wird man auch etwas empfangen? Die Befürchtung liegt nahe, dass das Geben sehr schnell missdeutet wird und man über kurz oder lang mehr oder weniger schamlos ausgenutzt wird. Dann gibt man nur und hat selbst nichts davon. Doch ist das wirklich so?
Viele Menschen haben schon die Erfahrung gemacht, dass man beileibe nicht nur gibt, sondern auch für sich selbst etwas Gutes tut. Johann Wolfgang von Goethe drückte es so aus: „Wer nichts für andere tut, der tut nichts für sich.“. Etwas umformuliert liest es sich klarer: „Wer etwas für andere tut, der tut etwas für sich.“, für das eigene Wohlbefinden.
Der Psychoanalytiker, Philosoph und Sozialpsychologe Erich Fromm setzte das Geben in Beziehung zur Lebendigkeit: „Geben ist seliger als Nehmen – nicht, weil es eine Entbehrung ist, sondern weil im Akt des Gebens der Ausdruck meiner Lebendigkeit liegt.“. Man erlebt sich selbst als lebendig, als aktiv handelnd.
Man könnte für sich selbst auch so formulieren: „Wenn ich etwas für andere tue, dann tue ich auch etwas für mich. Also ist es besser, etwas für andere zu tun (gelegentlich einen Tropfen Liebe schenken) als nichts für andere zu tun. Denn in letzterem Fall tue ich auch nichts für mich.“.
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