Du bist wertvoll! Du hast etwas, das du geben kannst.Lesezeit: 9 Min.

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„Du bist wertvoll! Du hast etwas, das du geben kannst.“

Dieter Jenz
Du bist wertvoll! Du hast etwas, das du geben kannst, D. Jenz - Gestaltung: privat
Gestaltung: privat

Die Selbstwertschätzung leidet – keine seltene Geschichte

Manuela (Name geändert) neigte dazu, zu viel an alkoholischen Getränken zu konsumieren. Sie trank, weil sie Probleme „vergessen“ wollte. Eines davon, die Sehnsucht nach einer erfüllten Liebesbeziehung, blieb ungelöst. Die Sehnsucht blieb ungestillt.

Das „Vergessen“ war nur für kurze Zeit möglich. Zwar verdrängte sie ihre Probleme für ein paar Stunden, aber diese holten sie immer wieder ein. Und so trank sie immer wieder.

Sie lebte gewissermaßen nicht mehr ihr eigenes Leben. Und dabei schadete sie sich mit ihrer Problembewältigungsstrategie selbst. Wegen ihres Alkoholproblems wurde es eher unwahrscheinlicher, einen Partner zu finden. Auf wen hätte sie anziehend wirken können? Und auch bei den anderen Problemen wendete sich nichts wirklich zum Besseren.

Auf die Frage, wie sie über sich selbst denkt, kam eine wenig überraschende Antwort. Ihre Antwort drückte aus, dass sie keine Achtung vor sich selbst hatte. Sie empfand sich als minderwertig. Immer wieder wurde ihr der Zwiespalt bewusst – der Zwiespalt zwischen dem Zustand, wie sie ihn sich wünschte und wie er in Wirklichkeit war. Und weil sie immer wieder versagte, ihr Alkoholproblem nicht in den Griff bekam, wertete sie sich immer wieder aufs Neue ab.

Ihre Sichtweise auf sich selbst, was sie alles falsch machte, wo sie versagte, brachte Manuela dazu, sich minderwertig, ja sogar wertlos zu fühlen. Doch ist ihre Sichtweise wirklich berechtigt?

Ist Manuela wirklich „wertlos“?

Aus rein ökonomischer und volkswirtschaftlicher Sicht wäre Manuela in der Tat ziemlich wertlos. Sie trägt nicht nennenswert zum Bruttosozialprodukt bei. Eigentlich fällt sie der Allgemeinheit eher zur Last. Sie „kostet“ mehr als sie „erwirtschaftet“.

„Jeder Mensch ist etwas wert. Entscheide du, wie viel.“ Dies war Anfang 2020 das Motto einer neuen Staffel von „Big Brother“, die im Privatsender Sat.1 ausgestrahlt wurde. Teilnehmer sollten, wie bei Beiträgen in sozialen Netzwerken oder Artikeln aus dem Online-Shopping bekannt, via App mit gelben Sternen bewertet werden. Die Aktion sorgte, wie nicht anders zu erwarten, für Empörung.

Wie kann man auf den Gedanken kommen, Menschen nach einer Art „ökonomischer Wert“ bewerten zu wollen? Jedenfalls kam bisher noch nie jemand auf die Idee, Tiere mit Sternen zu bewerten. Weshalb sollten ausgerechnet Menschen mit Sternen bewertet werden? Welche Konsequenzen hätte es, wenn jemand mit nur einem Stern bewertet würde?

Angenommen, es gäbe ein solches menschenverachtendes Bewertungssystem tatsächlich – was würde mit Manuela geschehen? Und wer hätte das Recht, zu entscheiden?

Glücklicherweise besteht in der Bundesrepublik Deutschland, wie auch in vielen anderen Ländern, Einigkeit darüber, dass Menschen nicht nach ökonomischen Gesichtspunkten bewertet werden dürfen. Der Philosoph Immanuel Kant stellte einen Bezug zur Würde her: „Was einen Wert hat, hat auch einen Preis. Der Mensch aber hat keinen Wert, er hat Würde.“.

Kann man seine Würde verlieren?

Manuela übersah etwas ganz Wesentliches: auch mit ihrem Alkoholproblem hat sie Würde. Die im Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland jedem Menschen zugesprochene Würde kann ihr nicht genommen werden, ob sie nun ein Alkoholproblem hat oder nicht. Weshalb sollte sie sich dann selbst ihre Würde nehmen?

Würde besitzt man schon von Geburt an. Man kann und muss sie sich nicht erst mühsam verdienen, auch Manuela nicht. Würde hat sie schon und sie kann sie auch nie verlieren. Deshalb ist auch jeder Mensch wertvoll und die Kategorie „wertlos“ gibt es für Menschen nicht.

Auch im Christentum, das sich auf die Bibel stützt, wird deutlich, dass Würde unverlierbar ist. In der fiktiven Geschichte vom Verlorenen Sohn (Lukas-Evangelium, Kap. 15) verliert dieser zwar seine Würde bei den Menschen, nicht aber bei seinem Vater, der in diesem Gleichnis für Gott steht.

Wenn sich Manuela minderwertig fühlt, geschieht dies gewissermaßen freiwillig und aus eigener Motivation. Niemand kann sie dazu zwingen. Eleanor Roosevelt, Menschenrechtsaktivistin und Diplomatin, formulierte es so: „Niemand kann dich ohne deine Einwilligung dazu bringen, dich minderwertig zu fühlen.“.

Ein weiteres, nicht weniger Wesentliches übersah sie ebenfalls: auch mit ihrem Alkoholproblem ist sie ein wertvoller Mensch. Und warum ist sie wertvoll? Manuela kann etwas geben!

Zitat des Tages

Den Sinn erhält das Leben, H. Hesse - Gestaltung: privat
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Hat Manuela die Fähigkeit, etwas zu geben?

Manuela besitzt keine Reichtümer. Mit materiellen Gütern ist sie eher weniger gesegnet. Es wäre ihr beispielsweise nicht möglich, jemanden in einer Notlage finanziell zu unterstützen. Aber sie kann trotzdem etwas geben: etwas von sich selbst. Und deshalb ist sie wertvoll!

Trotz materieller Armut kann Manuela reich sein. Wie ist dies möglich? Erich Fromm, Psychoanalytiker, Philosoph und Sozialpsychologe, drückte es in seinem Buch „Die Kunst des Liebens“ so aus: „Wer […] die Fähigkeit hat, anderen etwas von sich zu geben, ist reich.“. Und er fasste zusammen: „Nicht der ist reich, der viel hat, sondern der, welcher viel gibt.“.

Bevor die Frage gestellt werden kann, was Manuela geben könnte, wäre zu klären, ob sie überhaupt die die Fähigkeit hat, etwas von sich zu geben. Kann sie menschliche Begegnung zulassen oder isoliert sie sich? Wenn sie sich isoliert, fehlen die Empfänger, denen sie etwas geben könnte. Dann wäre ihre Fähigkeit, etwas von sich zu geben, sehr eingeschränkt.

Die innere Einstellung verändern

Beeinträchtigt ihre innere Einstellung ihre Fähigkeit, etwas von sich zu geben? Was strahlt Manuela aus? Ist es Bitterkeit, Enttäuschung, Zynismus, Aggression und ähnliches? Oder ist es Offenheit, Wohlwollen, Frieden, Gelassenheit, Liebe usw.? Leider sind es Aggression gegen sich selbst, Enttäuschung, Bitterkeit und Resignation, die man bei Manuela wahrnimmt.

Manuela kann es schaffen, ihre Einstellung sich selbst gegenüber zu verändern. Wenn es ihr gelingt, ihre Würde zu bejahen, nicht nur mit Worten, sondern in ihrem Herzen, kann sie sich selbst in einem anderen Licht sehen. Dies fällt jedoch nicht leicht, denn jahrelange „Erfahrung“ wirkt wie ein Gummiband, das sie immer wieder zurückzieht. Wenn sie in den Spiegel blickt, sieht sie etwas, das sie eigentlich nicht sehen will. Das, was in ihr trotzdem da ist, kann sie nicht sehen.

Auf die Würde schauen

Angenommen, man würde im Garten mit der Schaufel ein kleines Loch graben, um einen Strauch einzupflanzen. Plötzlich nimmt man auf der Schaufel einen eigenartigen Klumpen wahr. Etwas gelbliches schimmert durch. Man kratzt die Erde ab und stellt verblüfft fest: es muss Gold sein!

Sehr wahrscheinlich würde man sich, wenn man den Klumpen näher betrachtet, nicht auf die Erde konzentrieren, sondern auf das Gold. Das meiste davon ist noch verborgen und muss erst freigelegt werden. Aber was macht das schon? Man macht sich an die Arbeit und säubert den Klumpen.

Im übertragenen Sinn schaut Manuela auf die Erde, nicht auf das Gold. Erde ist für sie nicht Erde, sondern eher Schmutz. Vor lauter Schmutz nimmt sie das Gold nicht wahr.

Wenn sich Manuela von Herzen ihrer Würde bewusstwird und darauf schaut, wird sich ihre Ausstrahlung verändern. Dann wird es ihr auch leichter fallen, ihre Sucht zu überwinden. Zwar wird sie Alkoholikerin bleiben, aber der Drang, zur Flasche zu greifen, wird sie nicht mehr überwältigen. Und sie kann mit ihrer fruchtbar gewordenen Fähigkeit, etwas von sich zu geben, Reichtum „leben“.

Was kann Manuela geben?

Was könnte Manuela von sich geben? Sie könnte beispielsweise ein Lächeln geben. Es kostet sie nicht einen Cent, kann aber trotzdem große Wirkung haben. Vielleicht erreicht ihr Lächeln jemand, der es gerade dringend nötig braucht und es dankbar annimmt. Mutter Teresa*, als Engel der Armen bezeichnet, drückte es so aus: „Wir werden nie wissen, wie viel Gutes ein einfaches Lächeln vollbringen kann.“.

Wenn es ihr möglich ist, kann sie noch mehr von sich selbst geben. Sie könnte beispielsweise etwas von ihrer Zeit geben und jemand Aufmerksamkeit schenken. Vielleicht könnte sie auch ganz praktisch helfen, etwa bei einem Umzug mit anpacken. Oder sie könnte sich ehrenamtlich engagieren, beispielsweise bei der „Tafel“. Die Möglichkeiten sind nahezu grenzenlos.

Manuela kann auch noch in anderer Hinsicht etwas von sich geben: aufrichtige Zuwendung. In Begegnungen mit ihren Mitmenschen kann sie sich in deren Leben gewissermaßen verewigen. Ihre Mitmenschen werden gerne an sie denken, wenn sie sich von Manuela zutiefst angenommen, ernstgenommen und respektiert werden. Maya Angelou, Schriftstellerin und Bürgerrechtlerin, brachte es so auf den Punkt: „Ich habe die Erfahrung gemacht, dass Menschen vergessen, was du gesagt und was du getan hast. Sie vergessen aber nie, wie sie sich bei dir gefühlt haben.“.

Wenn Manuela etwas von ihrer Zeit schenkt, schenkt sie etwas Wertvolles. Zeit hat man schließlich nicht unbegrenzt. Und wenn sie Zuneigung schenkt, schenkt sie ebenfalls etwas Wertvolles.

Gutes und Sinnvolles tun – ganz praktisch

Geschenk mit Text - Gestaltung: privat
Gestaltung: privat

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Kann jeder Mensch etwas von sich geben?

Gibt es Menschen, die überhaupt nichts von sich geben können? Oder etwas anders ausgedrückt: Gibt es überhaupt Menschen, die grundsätzlich die Fähigkeit nicht haben oder zumindest entwickeln können, etwas von sich zu geben?

Schon Babys können etwas geben. Schon alleine durch ihre Gegenwart geben sie etwas, das schwer in Worte zu fassen ist. Sie leisten nichts – sie sind einfach nur da – eine Faszination des Seins. Sie sind offen, möchten in Kontakt kommen.

Später im Leben mag diese Faszination des Seins und des natürlichen Gebens zeitweise überschattet werden. Es mag beispielsweise sein, dass ein Mensch psychisch schwer erkrankt, etwa an einer Psychose oder an einer schweren Depression. Oder es mag sein, dass ein Mensch einer schweren Sucht verfällt. Dann dreht sich ein Mensch mehr oder weniger nur noch um sich selbst. Offenheit gegenüber den Mitmenschen weicht dem Rückzug und der Verschlossenheit.

Wenn man für seine Mitmenschen offen sein kann, kann man etwas von sich geben. Was man dann konkret gibt, ist im Grunde etwas Individuelles und Unverwechselbares. Schließlich hat jeder Mensch eine ganz individuelle Persönlichkeit und ist völlig einzigartig. Und es kommt auch nicht auf ein „wenig“ oder „viel“ an. Selbst ein einfaches Lächeln ist unverwechselbar, denn es ist an eine einzigartige Person und an ein einzigartiges „Herz“ gebunden – und kann einem Mitmenschen vielleicht sogar den Tag retten.

* Mutter Teresa war eine indische Ordensschwester und Missionarin. Durch ihre Arbeit mit Armen, Obdachlosen, Kranken und Sterbenden, für die sie 1979 den Friedensnobelpreis erhielt, wurde sie weltweit bekannt.

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Ich bin Dieter Jenz, Begleiter, Berater und Coach mit Leidenschaft. Über viele Jahre hinweg habe ich einen reichen Schatz an Kompetenz und Erfahrung erworben. Meine Themen sind die "4L": Lebensaufgabe, Lebensplanung, Lebensnavigation und Lebensqualität.