Es kommt darauf an, das Hoffen zu lernen.Lesezeit: 9 Min.

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„Es kommt darauf an, das Hoffen zu lernen.“

Ernst Bloch
Es kommt darauf an das Hoffen, E. Bloch - Gestaltung: privat
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Ernst Bloch (1885-1977) war ein deutscher Philosoph. Sein im amerikanischen Exil verfasstes und als Hauptwerk bezeichnetes Buch „Das Prinzip Hoffnung“ fand große Aufmerksamkeit. Nach seiner Übersiedelung aus der DDR in die BRD wurde er an der Universität Tübingen zu einem Stichwortgeber der studentischen Proteste im Deutschland der sechziger Jahre. Er gilt als einer der wichtigsten deutschen Philosophen des 20. Jahrhunderts.

Das Hoffen lernen?

Erik (Name geändert) befindet sich in einer schwierigen Situation. Er muss eine neue Wohnung suchen. Als Beschäftigter einer Service-Gesellschaft am Flughafen verdient er nicht sonderlich viel. Im dichtbesiedelten Umfeld des Flughafens ist es nicht leicht, eine bezahlbare Wohnung für die Familie zu finden. Lange hat er schon gesucht, aber noch immer nichts Geeignetes finden können. Er ist verständlicherweise verzweifelt.

Soll er in größerer Entfernung zum Flughafen auf dem Land eine Wohnung suchen? Dafür müsste er einen langen Weg zum Arbeitsplatz, aber eben auch höhere Fahrtkosten, in Kauf nehmen. Oder wäre es doch besser, nahe am Arbeitsplatz zu wohnen und sich mit einer sehr kleinen Wohnung zu begnügen? Doch es ist ihm bisher auch nicht gelungen, die geeignete kleine Wohnung zu finden.

Erik hat wenig bis gar keine Hoffnung, etwas Geeignetes zu finden. Die Verzweiflung nimmt überhand. Doch die übermächtige Verzweiflung macht nichts besser. Ob er verzweifelt ist oder nicht, an der Situation selbst ändert sich nichts. Doch die Verzweiflung nimmt ihm seine Lebensfreude.

Könnte Erik der Verzweiflung Hoffnung entgegenstellen? Dafür müsste er bewusst hoffen lernen. Wie könnte er ganz praktisch hoffen lernen? An der Situation der Wohnungsknappheit für Personen mit geringerem Einkommen ändert sich objektiv gesehen nichts. Und auch an seiner Einkommenssituation ändert sich nichts. Aber für Erik würde sich etwas in seinem Denken ändern.

Die Ausgangsfrage: Ergibt die Hoffnung einen Sinn?

Etwas zu lernen ist meistens mit Anstrengung und Aufwand verbunden. Manchmal muss man Geld investieren, in jedem Fall aber Zeit – kostbare Lebenszeit.

Unter diesem Vorzeichen stellt sich die Frage: Erscheint es hinreichend sinnvoll, auf etwas zu hoffen? Mit anderen Worten: Gibt es eine realistische Chance, dass etwas Erhofftes auch eintritt oder zumindest eintreten kann, und lohnt sich der Einsatz?

In Deutschland machen sich jede Woche einige Millionen Menschen Hoffnung auf den großen Gewinn im Lotto. Wenn es keine realistische Hoffnung gäbe, würde man sicherlich nicht im Lotto spielen. Doch was ist realistisch?

Die Wahrscheinlichkeit, einen Sechser mit Zusatzzahl zu tippen, liegt bei etwa 1:140 Millionen. Um es etwas plastischer auszudrücken: Man stellt sich vor, dass man 140 Millionen Ein-Euro-Münzen besitzt. Eine einzige Münze markiert man auffällig. Als nächstes legt man alle 140 Millionen Münzen entlang der Straßen aus. Die Markierung darf natürlich von oben nicht sichtbar sein. Wenn man damit fertig ist, wird man in etwa eine Strecke von 4 000 Kilometer zurückgelegt haben. Diese Länge würden alle Münzen aneinandergereiht erreichen.

Angenommen, man macht sich grob auf den Weg in Richtung Süden. Wenn man alle Münzen auslegen will, muss man natürlich einen Landweg wählen. Würde man beispielsweise in Frankfurt am Main aufbrechen und sich in Richtung Israel auf den Weg machen, würde man die letzte Münze in der Gegend von Tel Aviv ablegen.

Dann kehrt man wieder um und dreht auf dem gesamten Rückweg willkürlich eine einzige Münze um. Wenn man die eine markierte Münze erwischt, ist es der erhoffte Volltreffer. In dem fiktiven Beispiel wird natürlich vorausgesetzt, dass auf dem Rückweg noch alle Münzen vorhanden sind. In der Wirklichkeit wäre davon eher nicht auszugehen.

Die Einschätzung, ob die Hoffnung als realistisch gelten kann, muss jedenfalls jedem Einzelnen überlassen bleiben. Manche Menschen schätzen die Hoffnung auf den Hauptgewinn als realistisch ein, andere als unrealistisch und spielen somit auch nicht im Lotto.

Die Frage, ob eine realistische Chance besteht, stellt sich auch in vielen anderen Bezügen. Stets ist sie individuell zu beantworten.

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Hoffnung auf etwas ganz Bestimmtes oder Lebenseinstellung?

Wenn es darum gehen soll, das Hoffen zu lernen, stellt sich eine weitere Frage: Steht die Hoffnung auf etwas ganz Bestimmtes, wie beispielsweise den Hauptgewinn im Lotto, im Vordergrund oder geht es um das Hoffen als Lebenseinstellung?

Es wäre schon etwas seltsam, wenn man ein sehr pessimistisch eingestellter Mensch wäre, aber gleichzeitig nachhaltig darauf hoffen würde, dass sich eine ganz bestimmte Hoffnung auf etwas ganz Bestimmtes erfüllt. Wie würde man begründen, dass Hoffnung gewissermaßen eine Ausnahme im Leben ist?

Sehr viel stimmiger erscheint, Hoffnung als Lebenseinstellung zu betrachten. Die Hoffnung gründet sich dann auf die realistische Möglichkeit, dass das Ziel der Hoffnung erreichbar ist. Im nächsten Schritt kann man dann darauf hinarbeiten, dass die Dinge geschehen oder der Zustand erreicht wird, auf den die Hoffnung gerichtet ist.

Hoffen lernen ist kein Schulfach – man kann es in der Schule nicht lernen. Man ist selbst gefordert, ein gutes Lernumfeld für sich zu schaffen. Und man muss den geeigneten Lehrplan für sich selbst entwickeln. Der Lehrplan wird für Menschen, denen ein gesunder Optimismus gewissermaßen mit „in die Wiege gelegt wurde“, anders aussehen als für Menschen, die mit einer eher pessimistischen Grundhaltung ins Leben gehen.

Ganz allgemein betrachtet ist es unbedingt hilfreich, zunächst möglichst alle Störungsquellen zu beseitigen. Dann kann man daran gehen, sich „Hoffnungsgeber“ zu suchen, die im Lernprozess als Lernbegleiter zur Seite stehen.

Störungsquellen beseitigen

Für ein konzentriertes Lernen ist es wichtig, mögliche Störungsquellen zu beseitigen – möglichst schon bevor man überhaupt mit dem Lernen beginnt. Vielleicht erinnert man sich noch an die eigene Schul-, Ausbildungs- oder Studienzeit. Wenn beispielsweise aus der Nachbarwohnung laute Musik zu hören war, störte dies beim konzentrierten Lernen. Die Gedanken schweiften ständig ab.

Im übertragenen Sinne gibt es auch Störungsquellen, die das Hoffen lernen behindern. Sie sollten unbedingt beseitigt werden. Die Störungsquellen können sich außerhalb, jedoch auch in einem selbst befinden. Genannt seien der notorische Schwarzseher als Beispiel für eine externe und Opferrolle und Selbstmitleid als Beispiel für eine interne Störungsquelle.

Notorische Schwarzseher

Es gibt sie, die notorischen Schwarzseher: Menschen, die gleich dramatisieren, sich schnell mit allen möglichen Bedenken und Einwänden melden, und Dinge oder Situationen schwarzmalen. Schwarzseher verbreiten keine Hoffnung. Ihre Lebenseinstellung ist von Pessimismus geprägt. Obwohl sie es – zumindest meistens – nicht wirklich wollen, behindern sie andere beim Hoffen lernen.

Nicht immer wird es gelingen, sich von Schwarzsehern fernzuhalten. Im näheren Umfeld begegnet einem vielleicht der ein oder andere Schwarzseher ganz zwangsläufig. Aber man kann den Kontakt beschränken. 

Opferrolle und Selbstmitleid

Das Leben hat es bisher nicht immer gut mit einem gemeint. Doch wenn man sich selbst grundsätzlich als Opfer betrachtet und sich in die Opferrolle fallen lässt, ist es zum Selbstmitleid nicht weit. Es ist jedoch eine harte Tatsache, dass Selbstmitleid nicht weiterhilft. Es ändert überhaupt nichts an einer Lebenssituation.

Das Hoffen lernen wird behindert, da man sich selbst Möglichkeiten beschneidet, Handlungsmöglichkeiten zu erkennen und aktiv zu werden.

Hoffnungsgeber als Lernbegleiter suchen

Zu einem positiven Lernumfeld gehören in jedem Fall Beziehungen zu Menschen, die einem guttun. Niemand lebt vollständig und zu jeder Zeit für sich alleine und autonom. Jeder Mensch ist auf seine Mitmenschen angewiesen, auf deren Unterstützung in den verschiedensten Phasen und Situationen des Lebens, und auch auf deren Zuneigung und Wohlwollen. Jeder Mensch ist Empfangender.

Es erscheint hilfreich, sich gezielt „Hoffnungsgeber“ zu suchen. Damit sind Menschen mit einer positiven Lebenseinstellung gemeint, die einen beim Hoffen lernen begleiten und gut unterstützen können. Es sind jedoch keine Menschen gemeint, die einem ständig nach dem Mund reden. Hoffnungsgeber begleiten durchaus kritisch und machen sich bemerkbar, wenn sie den Eindruck haben, dass man sich aus ihrer Sicht in eine möglicherweise problematische Richtung bewegt.

Immer wieder mag es dazu kommen, dass man die Probleme und Schwierigkeiten als übermächtig oder erdrückend wahrnimmt. Hoffnungsgeber können eine alternative Sicht ins Spiel bringen, an die man selbst noch nicht gedacht hat, etwa so: „Das, was du mir gerade gesagt hast, kann man natürlich so sehen. Aber man könnte es auch anders sehen, und zwar so: …“.

Hoffnungsgeber unterstützen dabei, sich in „das Gelingen zu verlieben“, wie es Ernst Bloch ebenfalls formulierte. Man kann sich natürlich auch ohne Zutun anderer Menschen in das Gelingen verlieben, aber mit Hilfe anderer fällt es leichter.

Auch in einem weiteren wichtigen Punkt sind Hoffnungsgeber sehr hilfreich: Sie erinnern einen, wenn man aus ihrer Sicht beim Hoffen lernen nachlässt. Vielleicht ermahnen sie auch. Aber es ist wichtig, dass sie dabei helfen, auf Kurs zu bleiben.

Gutes und Sinnvolles tun – ganz praktisch

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Den „Hoffnungsmuskel“ trainieren

Wenn man mit Hoffnung lernen beschäftigt ist, stellt man schnell fest, dass es sich nicht um eine Angelegenheit weniger Stunden handelt. Hoffnung lässt sich nicht einfach „anknipsen“.

Lernen ist ein Prozess. Man wird nicht in einem Tag seine Denkrichtung ändern. Es besteht eine ständige Gefahr, wieder in bisherige Denkgewohnheiten zurückzufallen. Gewohnheiten halten sich oft sehr hartnäckig. Hoffnungsgedanken müssen deshalb ständig und bewusst eingeübt werden. Man trainiert dann gewissermaßen seinen „Hoffnungsmuskel“.

Es erweist sich als hilfreich, Interventionen für sich zu finden, die dann greifen, wenn man sich in einer Situation wiederfindet, die einem die Hoffnung rauben kann. Der Ausdruck „noch nicht“ lässt sich dabei sehr gut einsetzen.

Erik, der bisher vergeblich auf der Suche nach deiner geeigneten Wohnung war, könnte in einem Anflug der Verzweiflung zu sich selbst sagen: „Mit meinem Gehalt werde ich nie eine Wohnung finden!“ Er könnte aber zu sich selbst etwas anderes sagen: „Die geeignete Wohnung habe ich noch nicht gefunden. Vielleicht finde ich sie heute.“. Sein Denken, dass er mit seinem Gehalt nie eine Wohnung finden wird, ist nur bis zum heutigen Tag wahr. Aber es ist trotz der schwierigen Wohnungssituation nicht gesagt, dass es immer so bleiben wird. Dann kann er genauso gut auf die Hoffnung setzen: „Vielleicht finde ich sie heute.“.

Trotz aller Widrigkeiten hilft sich Erik selbst dabei, nicht zu resignieren. Wenn er die Hoffnung aufgäbe, würde er sich selbst auf den Weg des Scheiterns bringen. Wenn er denkt, dass die Wohnungssuche erfolglos sein wird, dann wird sie wahrscheinlich auch erfolglos sein. Wenn er jedoch daran glaubt, dass es gelingen könnte, ändert sich seine Haltung. Sehr wahrscheinlich wird er weitere Möglichkeiten sehen und Dinge in Bewegung setzen, an die er bisher noch nicht gedacht hat und die seine Hoffnung unterstützen.

Wenn in Erik die Hoffnung stärker wird, wirkt sich dies auf seine Ausstrahlung aus. Und er drängt die Verzweiflung zurück. Eine asiatische Weisheit drückt es so aus: „Wenn die Hoffnung aufwacht, legt sich die Verzweiflung schlafen.

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Ich bin Dieter Jenz, Begleiter, Berater und Coach mit Leidenschaft. Über viele Jahre hinweg habe ich einen reichen Schatz an Kompetenz und Erfahrung erworben. Meine Themen sind die "4L": Lebensaufgabe, Lebensplanung, Lebensnavigation und Lebensqualität.