Ich erkenne die Freundschaft daran, … nicht enttäuschen lässt …Lesezeit: 8 Min.

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„Ich erkenne die Freundschaft daran, dass sie sich nicht enttäuschen lässt, und ich erkenne die wahre Liebe daran, dass sie nicht gekränkt werden kann.“

Antoine de Saint-Exupéry
Ich erkenne die Freundschaft daran , A. de Saint-Exupery - Gestaltung: privat
Gestaltung: privat

Antoine de Saint-Exupéry (1900-1944) war ein französischer Pilot und Schriftsteller. In Frankreich gehört er seit Langem zu den meistgelesenen Autoren. Seine märchenhafte Erzählung „Der kleine Prinz“ zählt mit über 140 Millionen verkauften Exemplaren zu den erfolgreichsten Büchern der Welt.

Er überlebte mehrere Flugzeugabstürze, fiel aber seinem letzten Absturz zum Opfer. In seinen Büchern reflektiert er seine Erlebnisse als Pionier der Luftfahrt und damit verbundene Grenzerfahrungen, wie Einsamkeit und Lebensgefahr.

Freundschaft ohne Enttäuschung, Liebe ohne Kränkung?

Freundschaft, die sich nicht enttäuschen lässt, Liebe, die nicht gekränkt werden kann? Gibt es im realen Leben überhaupt eine derartige Freundschaft, eine derartige Liebe? Oder hängt man weltfremden und romantischen Träumereien nach?

Es gibt keine Statistiken darüber, wie viele Freundschaften aufgrund einer Enttäuschung zerbrechen und was mögliche Gründe für eine Enttäuschung sind. Und auch zerbrochene Beziehungen, bei denen gekränkte Liebe die Ursache ist, werden nicht statistisch erfasst. Die Ehescheidungsquote, die in Deutschland bei jährlichen Schwankungen in etwa zwischen 40 % und 50 % liegt, lässt jedoch erahnen, wie häufig massive Kränkungen sind, die schließlich zu einer Trennung führen. Wäre Kränkung kein Thema, welchen Anlass gäbe es dann für eine Trennung? Aber Kränkung ist natürlich auch in Beziehungen ein Thema, die nicht in einer Scheidung enden.

Freundschaft ist überaus kostbar

Antoine de Saint-Exupéry nahm wahr, wie wertvoll und überaus kostbar eine Freundschaft ist, insbesondere während der drei Jahre, die der in der Sahara verbrachte. Sein Werk „Der kleine Prinz“, das autobiografische Züge des Autors trägt, wird als Plädoyer für Freundschaft, Mitmenschlichkeit und Vertrauen verstanden.

Wahre oder vollkommene Freundschaft verlangt, dass sich Menschen wirklich kennenlernen, auch mit ihren Schattenseiten. In wahrer Freundschaft verbundene Menschen sind einander von Herzen zugeneigt, nehmen sich von Herzen auch mit ihren Schattenseiten an, teilen ihr Leben miteinander und vertrauen einander blind. Durch Höhen und Tiefen des Lebens gehen sie gemeinsam und bieten einander eine Art Schutzraum.

Vertrauen – die härteste Währung in einer Freundschaft

Eine Freundschaft entwickelt sich im Lauf der Zeit und im Einklang mit dem gegenseitigen Wollen. Der Schutzraum wird dadurch, bildlich gesprochen, größer und wird auch zunehmend durch gegenseitiges Vertrauen ausgefüllt. Es verwundert nicht, dass eine Freundschaft viel Zeit braucht, um zu reifen und sich zur Tiefe hin zu entwickeln. Vertrauen wächst nicht von heute auf morgen, sondern braucht Zeit zum Wachsen. Immer wieder wird das Vertrauen auf die Probe gestellt. Je mehr das gegenseitige Vertrauen bestätigt wird, desto freier fühlen sich Freunde, einander auch sehr private Gedanken anzuvertrauen, die keinesfalls für fremde Ohren bestimmt sind.

Wenn man einem Freund sein Vertrauen schenkt, macht sich gleichzeitig verletzlich. Man würde vielleicht einen hohen Preis zahlen, wenn Anvertrautes nicht mehr unter dem Siegel der Verschwiegenheit bliebe.

Davor, vom Freund bloßgestellt oder hintergangen zu werden, haben in tiefer Freundschaft verbundene Menschen keine Angst. Und wenn dennoch der „Super-GAU“ eintritt und das Vertrauen gebrochen wird? Dann hilft es nicht, die Augen vor der Realität zu verschließen. Und es hilft auch nicht, sich in moralische Überlegenheit zu flüchten.

Kann man für sich selbst garantieren?

Könnte man denn für sich selbst „die Hand ins Feuer legen“, dass man einen Freund nie enttäuschen wird, wirklich unter gar keinen Umständen, also wirklich nie? Wäre man bereit, aufgrund der Freundschaft selbst Nachteile zu erleiden?

Angenommen, eine Situation tritt ein, die man sich auch in seinen Träumen nie vorstellen konnte. Ein totalitäres System kommt an die Macht und ein Freund gerät ins Visier der Staatsorgane. Diesen ist die freundschaftliche Beziehung bekannt. Jetzt muss man sich selbst Verhören stellen. Der Druck, das Vertrauen des Freundes zu brechen, nimmt immer mehr zu. Schließlich werden einem selbst Konsequenzen angedroht, die sich auf die Familie auswirken und sich auch in finanziellen und materiellen Nachteilen zeigen würden. Würde man dem Druck standhalten (können)?

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Dankbarkeit macht das Leben erst reich, D. Bonhoeffer - Gestaltung: privat
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Ent-täuscht – die Täuschung los

Wenn man sich selbst gegenüber aufrichtig ist, wird man – wie wohl auch jeder andere Mensch – zu dem Schluss kommen: „Ich kann für mich selbst nicht garantieren!“. Man könnte einen Freund in einem ganz zentralen Punkt, dem Vertrauen, enttäuschen.

Muss es überhaupt enormer Druck sein, der einen dazu bringt, einen Freund zu enttäuschen? Manchmal sind es sogar eher kleine Dinge, die einen Freund enttäuschen. Vielleicht hält man eine Zusage nicht ein. Oder vielleicht lässt man sich zu einer Notlüge hinreißen, weil man eine Verabredung verpasst hat. Aber die Lüge kommt ans Licht und der Freund ist enttäuscht. Es gibt so viele Situationen, in denen man einen Freund enttäuschen kann – und auch selbst von einem Freund enttäuscht werden kann.

Enttäuschungen sind die Folge menschlicher Unvollkommenheit und Fehlbarkeit. Wer sich selbst als unvollkommen und fehlbar erkennt und akzeptiert, erwartet von einem Freund keine Vollkommenheit und Unfehlbarkeit. Was für einen selbst gilt, muss man auch einem Freund zubilligen.

Kann man überhaupt noch enttäuscht werden, wenn man sich selbst und seine eigenen „Abgründe“ kennt? Hat man ein realistisches Bild von sich selbst, kann man den Spagat schaffen: eine Enttäuschung annehmen, sich aber von ihr nicht überwältigen lassen. Die Enttäuschung wird als solche anerkannt, nicht einfach „vom Tisch gewischt“ und auch nicht bagatellisiert. Sie wird kommuniziert und unter Freunden besprochen.

Eine Freundschaft muss nicht zerbrechen, wenn sie in „schweres Fahrwasser“ geraten ist. Aber es braucht seine Zeit, verlorengegangenes Vertrauen wiederherzustellen. Otto von Bismarck drückte es so aus: „Das Vertrauen ist eine zarte Pflanze; ist es zerstört, so kommt es sobald nicht wieder.“. Wenn aber beide an der Freundschaft festhalten wollen, wird das Vertrauen mit der Zeit wieder wachsen.

Wahre Liebe – ist sie kränkungsresistent?

Was macht wahre Liebe aus? Darüber wurde schon viel geschrieben. Auf einen kurzen Nenner gebracht, sind es wohl drei Substantive, die wahre Liebe im Kern charakterisieren: Bedingungslosigkeit, Vertrauen, Hingabe.

Wahre Liebe – Bedingungslosigkeit, Vertrauen, Hingabe

Bedingungslose Liebe ist etwas völlig anderes als das wechselseitige Befriedigen von Bedürfnissen. Emma Goldman drückte es so aus: „Wenn man Liebe nicht bedingungslos geben und nehmen kann, ist es keine Liebe, sondern ein Handel, in dem ständig Plus und Minus gegeneinander abgewogen werden.“. Sie nimmt den Anderen so an, wie er ist, ohne Wenn und Aber. Dies bedeutet jedoch nicht, dass Liebe grenzenlos sein muss. Jeder Partner hat seine subjektiven Grenzen, die er bewahren möchte. Bedingungslose Liebe schließt nicht ein, dass man selbst übergriffig wird oder Übergriffe des Partners zulassen muss.

Wie in einer Freundschaft, so vertrauen einander auch die Partner in einer von Wahrhaftigkeit geprägten Liebesbeziehung zutiefst. Sie rechnen nicht damit, dass ihr Vertrauen enttäuscht wird.

In einer wahren Liebesbeziehung geben sich beide Partner einander hin. Der Arzt, Psychiater und Philosoph Karl Jaspers schloss den Aspekt des Selbstwerdens mit ein und formulierte es so: „Liebe ist Selbstwerden in Selbsthingabe.“. Wahre Liebe bedeutet jedoch nicht, dass man sich selbst aufgibt. Die eigene Integrität und Individualität bleiben bewahrt.

Wie verliert eine Kränkung ihre zerstörerische Kraft?

Eine Kränkung trifft die Seele. Wenn man sich beispielsweise missverstanden, abgelehnt, ausgeschlossen, zurückgewiesen oder ignoriert vorkommt, sind Gefühle verletzt. Die Verletzung ist eine Reaktion auf ein Ereignis, das einen in seinem Innersten, in seiner Seele, trifft.

Von einem nahestehenden Menschen, einem Freund oder dem Partner in einer Liebesbeziehung, fühlt man sich naturgemäß sehr viel eher gekränkt als von jemandem, der einem nicht viel bedeutet. Und die Kränkung wird als schlimmer empfunden.

Auch in einer von gegenseitiger Liebe getragenen Beziehung wird es garantiert zu Kränkungen kommen, fast immer unbeabsichtigt. Kränken und gekränkt werden gehören zur Realität von Beziehungen. Schließlich sind Menschen unvollkommen und fehlbar.

Würde man sich für eine Kränkung rächen wollen, käme ein Teufelskreislauf in Gang. Man wäre Gekränkter, würde aber selbst wieder kränken und dadurch eine entsprechende Reaktion herausfordern und die Beziehung gefährden. Davon abgesehen, will wahre Liebe den Partner nie absichtlich kränken.

Ein liebender Partner wird den Anderen nicht absichtlich missverstehen, ablehnen, ausschließen, zurückweisen oder ignorieren. Und wenn es dennoch vorkommt, wird er für das klärende Gespräch offen sein, das der Kränkung ihre zerstörerische Kraft raubt. Der Kränkende wird sich entschuldigen und der Gekränkte wird die Entschuldigung annehmen und dem Kränkenden vergeben. Könnte es bei wahrer Liebe anders sein?

Wenn es wahre Liebe ist, wird immer die Liebe siegen. Dann gelingt es, die Tatsache der Kränkung anzunehmen, sich aber von der Kränkung nicht überwältigen zu lassen. Dann kann das wahrhaft Paradoxe gelingen: wahre Liebe kann durch alle Kränkungen nicht gekränkt werden.

Gutes und Sinnvolles tun – ganz praktisch

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Exkurs: Und die spirituelle Dimension?

Das Konzept nicht kränkbarer Liebe ist auch im Christentum verankert. Im Gleichnis (einer fiktiven Geschichte) vom Verlorenen Sohn (Bibel, Lukas-Evangelium, Kap. 15) wird Folgendes erzählt: Ein Sohn verlangt von seinem Vater zu dessen Lebzeiten sein Erbe. Er erklärt damit gewissermaßen seinen Vater für tot und bricht die Beziehungen zur Familie ab. Im Ausland verjubelt er alles und beschließt schließlich aus purer Not heraus, völlig verarmt und auf dem absoluten Tiefpunkt seines Lebens, wieder nach Hause zurückzukehren. Der Vater, im Gleichnis ein Bild für Gott, geht ihm sogar entgegen, nimmt ihn wieder an und veranstaltet ein großes Fest für seinen zerlumpten Sohn.

Die Aussage dieses Gleichnisses verdeutlicht, dass die Liebe des Vaters zu seinem Sohn nie aufhörte, obwohl der Sohn etwas in der damaligen Kultur absolut Unverzeihliches getan hatte. Der hatte ihn auf die schlimmstmögliche Art verletzt, die damals denkbar war. Der Vater ließ sich trotz allem nicht enttäuschen oder kränken. Die Hand des Vaters blieb, bildlich gesprochen, stets ausgestreckt. Und auch seine Würde, die der Sohn vor den Menschen unwiederbringlich verloren hatte, hatte er beim Vater (Gott) zu keinem Zeitpunkt verloren.

Anmerkung: Aus Gründen der besseren Lesbarkeit wurde im Text die männliche Form gewählt. Dies ist nicht geschlechtsspezifisch gemeint.

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Ich bin Dieter Jenz, Begleiter, Berater und Coach mit Leidenschaft. Über viele Jahre hinweg habe ich einen reichen Schatz an Kompetenz und Erfahrung erworben. Meine Themen sind die "4L": Lebensaufgabe, Lebensplanung, Lebensnavigation und Lebensqualität.