Schau genau hin und du wirst feststellen, dass die Menschen …Lesezeit: 8 Min.

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„Schau genau hin und du wirst feststellen, dass die Menschen glücklich sind, weil sie dankbar sind. Das Gegenteil von Dankbarkeit ist alles selbstverständlich nehmen.“

David Steindl-Rast
Schau genau hin und du wirst feststellen, D. Steindl-Rast - Gestaltung: privat
Gestaltung: privat

David Steindl-Rast (geb. 1926) ist ein österreichisch-US-amerikanischer Benediktinermönch, Eremit und spiritueller Lehrer. Er vertritt eine pluralistische Religionstheologie, der zufolge weder das Christentum noch eine andere Religion „einzig wahre“ Heilsmittler sind und einen Alleinvertretungsanspruch haben können. Damit stellte er sich gegen die Lehre der römisch-katholischen Kirche, die diesen Pluralismus als mit dem katholischen Glauben unvereinbar zurückweist.

Glück empfinden – was ist der Schlüssel dazu?

Kann man sich vorstellen, dass der sprichwörtliche ewige Nörgler dankbar ist? Würde man einen ständigen Nörgler für glücklich halten? Eigentlich eine rhetorische Frage. Ständiges Nörgeln ist Ausdruck von Unzufriedenheit oder gar Frustration.

Wer chronisch unzufrieden oder frustriert ist, dem fällt es verständlicherweise schwer, Dankbarkeit und Zufriedenheit zu empfinden. Und von tiefem Glücksempfinden kann auch keine Rede sein. Daran wird sich auch nichts ändern, es sei denn man verändert grundlegend seine Einstellung.

Kann man sich im Gegensatz dazu vorstellen, dass ein Mensch, bei dem sich Dankbarkeit als Charakterzug herausgebildet hat, ständig an irgendetwas herumnörgelt? Wohl kaum! Der Dankbare wird eher als ausgeglichener und auch zufriedener Mensch wahrgenommen. Er kann sich selbst an den kleinsten Dingen freuen und dabei auch Glück empfinden.

Dankbarkeit scheint eine wesentliche Voraussetzung, ja sogar ein Schlüssel, für Glücksempfinden zu sein. Wenn also davon ausgegangen wird, dass der Weg zum Glücklichsein über Dankbarkeit führt und Dankbarkeit ein Schlüssel für das Glücklichsein ist, lohnt sich ein genaueres Hinschauen.

Welche Einflussfaktoren bestimmen, ob man Dankbarkeit empfinden kann? Es liegt durchaus nahe zu vermuten, dass die materiellen und finanziellen Rahmenbedingungen, beispielsweise ob man gut situiert oder „arm wie eine Kirchenmaus“ ist, eine wesentliche Rolle spielen. Ändern diese Rahmenbedingungen etwas am Prinzip? Zwei Gedankenexperimente können bei der Klärung dieser Frage helfen.

Erstes Gedankenexperiment – Mittellosigkeit

Angenommen, man wäre eine Art moderner Robinson Crusoe. Ähnlich wie der Protagonist des gleichnamigen Romans würde man sich plötzlich auf einer einsamen Insel wiederfinden. Man hätte nur noch das Allernotwendigste und müsste ab jetzt für sein Überleben sorgen. Dies hieße mindestens: eine Behausung bauen, damit man ein Dach über dem Kopf hat, und regelmäßig Nahrung beschaffen.

Wie würde es einem ergehen? Wäre man nicht dankbar, wenn Regen fällt und man Regenwasser in Behältern, wie auch immer diese beschaffen sein mögen, auffangen kann? Dann hat man das fürs Überleben notwendige Trinkwasser. Da generell gilt, dass Menschen nur bis zu vier Tage ohne Wasser überleben können (erste Anzeichen für eine Dehydrierung können aber auch schon nach 24 Stunden auftreten), wäre der Tod sonst unausweichlich. Wäre man nicht dankbar für eine Kokosnuss, an die man irgendwie herankommt? Ohne Nahrung kann man zwar länger überleben, aber je nach körperlicher Konstitution eben auch nur etwa 30 bis 50 Tage. Und wäre man nicht froh und glücklich, wenn es gelänge, ein Feuer zu entzünden?

Mit der Zeit würde man sich in den neuen Verhältnissen immer besser zurechtfinden. Eine gewisse Routine stellt sich ein. Früher ungewohnte Tätigkeiten werden Normalität. Doch immer wieder wird bewusst, wie sehr man darauf angewiesen ist, dass einem auf die eine oder andere Art und Weise von der Natur etwas geschenkt wird.

Wahrscheinlich wird man in der unmittelbaren Beobachtung staunen über das, was die Natur hervorbringt. Vielleicht staunt man sogar wie ein Kind. Man nimmt vielleicht den Tau am Morgen wahr, das Gezwitscher der Vögel, wie sich Pflanzen entwickeln und wie sie essbare Früchte hervorbringen, und so vieles mehr. Und dann gibt es vielleicht auch Überraschungen, etwas, womit man nicht gerechnet hat. Vielleicht überrascht die Natur. Oder man ist vielleicht auch überrascht von sich selbst. Man hat etwas geschafft und es ist etwas gelungen, was man sich selbst eher nicht zugetraut hätte.

Sehr wahrscheinlich wäre man überaus dankbar für alles, was einem gegeben wird. Man ist schließlich völlig auf „Geschenke“ der Natur angewiesen. Und sehr wahrscheinlich wäre man als Folge von Dankbarkeit auch glücklich, im Hier und Jetzt. Natürlich würde man sich nach der Heimat sehnen, aber im Moment gibt es keinen Weg dorthin. Aber im Hier und Jetzt kann man glücklich sein. Wird man überhaupt auf die Idee kommen, zu nörgeln? Und wenn man doch nörgelt oder klagt, wird man nicht recht schnell erkennen, wie sinnlos dies ist?

Zitat des Tages

Erfolg ist nicht der Schlüssel, A. Schweitzer - Gestaltung: privat
Gestaltung: privat

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Zweites Gedankenexperiment – Überfluss

Angenommen, man ist in einem reichen Elternhaus aufgewachsen. Immer war alles vorhanden, was man wollte – wenn nicht, wurde es sofort besorgt. Wirklichen Mangel an irgendetwas lernte man nie kennen.

Man besuchte keinen öffentlichen Kindergarten, sondern eine private Einrichtung. Alle anderen Kinder dort stammten ebenfalls aus begüterten Familien. Morgens wurde man vom Chauffeur hingebracht und am Nachmittag wieder abgeholt.

Später besuchte man Privatschulen. Nie musste man mit öffentlichen Verkehrsmitteln zur Schule fahren. Auch hier war man wieder unter sich im Kreis der Kinder reicher Eltern.

Dann schloss sich das Studium an einer Elite-Universität an. Man konnte es sich schließlich leisten und ob man für das Studium mehr Zeit als notwendig benötigte, spielte keine Rolle.

Auch im sozialen Umfeld begegnete man immer nur Menschen, die oder deren Eltern man durchwegs als gut situiert bezeichnen konnte. Und an Möglichkeiten, sich zu vergnügen, mangelte es keineswegs.

Nun sind beide Eltern verstorben. Man hat geerbt und ist jetzt Multimilliardär. Nach wie vor hat man alles was das Herz begehrt. Man muss nicht arbeiten, sondern kann nach Lust und Laune spontan entscheiden, was man an diesem Tag unternehmen und wo man ihn verbringen möchte.

Natürlich verfügt man über Personal, das einem alle Aufgaben abnimmt. Hat man beispielsweise Lust auf einen Wochenendtrip nach Vancouver, wird alles Notwendige für einen organisiert. Der Erste Klasse-Flug wird gebucht oder vielleicht wird der Privatjet gewählt. Die geräumige Suite in einem Erste Klasse-Hotel und die Stretch-Limousine mit Fahrer zur Abholung vom Flughafen werden gebucht. Auch alles andere, was sonst noch zu arrangieren ist, wird vom Personal erledigt.

In praktischen Dingen kann man eigentlich nicht mehr bei irgendeiner Aufgabe versagen. Ständig tragen andere die Verantwortung, und sie sind es ja auch, die die ganze Arbeit erledigen. Klappt etwas nicht wie gewünscht, ist man daran nie selbst schuld. Eigentlich bleibt nur Raum für Sorgen, dass sich die finanzielle Situation drastisch verschlechtern und das schöne Leben ein Ende haben könnte.

Wofür könnte man eigentlich dankbar sein? Wäre nicht alles einfach selbstverständlich? Schließlich hat man nie etwas anderes als den Überfluss kennengelernt. Das war der Normalzustand von Kindesbeinen an. Worüber könnte man überhaupt staunen und welche Überraschungen könnte man erleben?

Wieso ist Glück eine Frucht von Dankbarkeit?

Die beiden Gedankenexperimente stehen für zwei sehr gegensätzliche Szenarien. Sie illustrieren jedoch den Zugang zur Dankbarkeit sehr anschaulich.

Dankbar kann man nur sein, wenn man zutiefst erkannt hat, dass so gut wie nichts selbstverständlich ist. Diese Erkenntnis entspricht auch der Realität. Um nur einige wenige Beispiele zu nennen: es ist nicht selbstverständlich, dass man ein Dach über dem Kopf hat und in einem warmen Bett schlafen kann, dass man eine Arbeitsstelle hat, oder dass man gesund und/oder körperlich unversehrt bleibt.

Keineswegs selbstverständlich ist auch, dass in der Natur die verschiedensten Früchte gedeihen und geerntet werden können. Sie können entweder direkt verzehrt oder zu anderen Nahrungsmitteln weiterverarbeitet werden. Naturkatastrophen können jedoch Ernten vernichten und Hungersnöte hervorrufen. Die Leben von Millionen Menschen wären möglicherweise existenziell gefährdet.

Ist es dann nicht wunderbar, mit anzusehen, wie Früchte wachsen? Ein Beispiel: die Herbst-Himbeere. Nach der Ernte können alle Triebe bodentief zurückgeschnitten werden. Im nächsten Jahr wachsen wieder neue Triebe. Der Himbeerstrauch wächst wieder und trägt wieder aufs Neue Früchte – wenn die Wachstumsbedingungen (insbesondere ausreichend Feuchtigkeit) gegeben sind. Blüten entwickeln sich und aus den Fruchtblättern der Blüte entsteht ein Verbund aus einzelnen, kleinen Steinfrüchten (die Beere ist eigentlich eine Sammelsteinfrucht). Und wenn die Himbeeren reif sind, kann man sie genießen.

Natürlich kann man dafür arbeiten, dass der Himbeerstrauch stets unter den besten Wachstumsbedingungen gedeihen kann. Doch letztlich hat man nicht alles in der eigenen Hand. Stets bleibt ein Restrisiko, dass die Ernte kümmerlich oder vielleicht sogar ganz ausfällt.

Wenn trotz aller guten Arbeit eine gute Ernte nicht selbstverständlich ist, ist sie dann nicht letztlich ein Geschenk? Ein Geschenk darf man dankbar annehmen. Und gibt es nicht oft auch Grund zum Staunen, wie alles so wunderbar wächst und gedeiht? Könnte man dies ohne Glücksempfinden wahrnehmen?

Gutes und Sinnvolles tun – ganz praktisch

Geschenk mit Text - Gestaltung: privat
Gestaltung: privat

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Der Weg zum Glücklichsein führt über Dankbarkeit

David Steindl-Rast bringt Dankbarkeit und Glücklichsein in einen kausalen Zusammenhang. An anderer Stelle drückte er es so aus: „It is not joy that makes us grateful; it is gratitude that makes us joyful.“ Im Deutschen lässt es sich in loser Übersetzung etwa so wiedergeben: „Nicht das Glücklichsein führt zur Dankbarkeit, sondern das Dankbarsein zum Glücklichsein.“. Diese Art von Glücklichsein hängt zudem nicht mehr von dem ab, was im Leben geschieht – eine große Herausforderung!

In der Konsequenz bedeutet dies, dass man an seinem Glücklichsein arbeiten kann. So wie man sich beispielsweise um seine Pflanzen kümmert und sie pflegt, so kann man sich auch um sein eigenes Glücklichsein kümmern. Man kann, bildlich ausgedrückt, bei sich selbst die besten Wachstumsbedingungen für das Glücklichsein schaffen.

Dankbarkeit kann sich mit der Zeit durch Einüben zu einem Charakterzug entwickeln. Die Früchte lassen nicht auf sich warten: „Eingeübte Dankbarkeit wirkt lebensverändernd – garantiert!“.

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Ich bin Dieter Jenz, Begleiter, Berater und Coach mit Leidenschaft. Über viele Jahre hinweg habe ich einen reichen Schatz an Kompetenz und Erfahrung erworben. Meine Themen sind die "4L": Lebensaufgabe, Lebensplanung, Lebensnavigation und Lebensqualität.