„Sieht der Mensch der Wahrheit furchtlos ins Auge, dann erfasst er, dass sein Leben nur den Sinn hat, den er selbst ihm gibt, indem er seine Kräfte entfaltet: indem er produktiv lebt.“
Erich Fromm
Erich Fromm (1900-1980) war ein deutsch-US-amerikanischer Psychoanalytiker, Philosoph und Sozialpsychologe. Er versuchte, psychologisches und soziologisches Denken zu verbinden. Für Fromm ist die Freiheit zentrales Kriterium der menschlichen Natur.
Sein Hauptinteresse galt der Erforschung der psychischen Voraussetzungen für ein gelingendes gesellschaftliches Zusammenleben. Seine Beiträge zur Psychoanalyse, zur Religionspsychologie und zur Gesellschaftskritik haben ihn als einflussreichen Denker des 20. Jahrhunderts etabliert.
Wer ist für den individuellen Lebenssinn zuständig?
Ist man selbst verantwortlich oder ist es eine höhere Instanz – nur Gott käme in Frage -, die einem den Lebenssinn vermittelt?
Die monotheistischen Religionen, Judentum, Christentum, Islam und auch das Bahaitum, kennen in ihren heiligen Schriften einen allgemeinen Lebenssinn. Dieser besteht im Allgemeinen und im weitesten Sinne darin, Gott als den Schöpfer des Universums anzuerkennen, sich ihm anzunähern und sich an ihn zu binden.
Gott bliebe es vorbehalten, in direkter Kommunikation mit dem Menschen diesem einen individuellen Lebenssinn zu vermitteln. Nur äußerst wenige Menschen, u. a. Mutter Teresa, haben jedoch von einer derartigen expliziten Zuweisung eines Lebenssinns berichtet, der sich in einer Berufung und einer Lebensaufgabe manifestiert.
Somit ist es die Aufgabe eines jeden Menschen – zumindest all der Menschen, die keine explizite persönliche Sinnzuweisung durch einen Gott erfahren – die Verantwortung für sich selbst zu akzeptieren und sich den Lebenssinn selbst zu geben. Je früher im Leben man sich dieser Verantwortung stellt, desto mehr Zeit verbleibt für ein zutiefst sinnerfülltes Leben.
In den Medien sind auch Angebote von Beratern zu finden, die Unterstützung beim Finden des Lebenssinns anbieten. Aber im Licht der Selbstverantwortung kann und darf dies immer nur eine Hilfestellung sein. Niemand darf sich erdreisten, den Lebenssinn für eine andere Person zu erkennen und ihr die Verantwortung für sich abnehmen.
Wie kann man seinem Leben einen Sinn geben?
Wie geht man vor, wenn man erkennt, dass man selbst dafür verantwortlich ist, seinem Leben einen Sinn zu geben? Die Frage nach der Vorgehensweise stellt sich unwillkürlich. Und die Frage ist: wo fängt man an?
Wenn man seine eigenen Kräfte entfalten will, muss man sie zuerst kennen. Dass man seine Kräfte, ausgedrückt in Neigungen, Fähigkeiten und Kompetenzen, genau kennt, ist keineswegs selbstverständlich. Einer der natürlichen Anlässe, sich über seine Kräfte intensiv Gedanken zu machen, ist die Frage, welchen Weg man nach der Schulzeit einschlagen könnte.
Manche Menschen gehen der Frage nach ihren Kräften nicht wirklich auf den Grund. Sie entscheiden vorschnell und stellen später fest, dass das Studienfach nicht passt oder der Beruf einen nicht wirklich befriedigt. Man hat das Empfinden, dass ein tieferer Sinn fehlt und man seine Kräfte nicht entfalten kann.
„Was sind meine Kräfte?“, dies ist die Ausgangsfrage. „Wie kann ich meine Kräfte am besten entfalten?“, kann eine Folgefrage lauten. „Wo kann ich meine Kräfte am besten entfalten?“ wäre eine andere. „Welche Werte sind es, die mir wichtig sind und mich leiten?“, diese Frage gibt dem Findungsprozess einen Werteunterbau.
Geleitet durch derlei Fragen kann man sich dem individuellen Lebenssinn annähern. Weitere Fragen nach Berufung und Lebensaufgabe sind eng mit der Frage nach dem Lebenssinn verknüpft.
Was bedeutet es, produktiv zu leben?
Kräfte entfalten bedeutet eigentlich zwangsläufig, etwas Neues zu schaffen. Es bedeutet somit auch, über das, was jetzt ist, hinausgehen, über sich selbst hinausgehen. Und es bedeutet, aktiv zu sein. Der Lebenssinn manifestiert sich in der aktiven Entfaltung der Kräfte, im produktiven Leben.
Unzählige Menschen haben in ihrem Leben eine produktive Entfaltung ihrer Kräfte erlebt. Manche Entfaltungsgeschichten gewinnen die Aufmerksamkeit der Medien. Beispielhaft sei die Entfaltungsgeschichte von Nina Schröder genannt, die nach ihrem Studium eine klassische berufliche Karriere begann (Quelle: Innovator, Red Bulletin 3/19). Sie arbeitete als Managerin für einen Konzern für Unterhaltungselektronik, stellte jedoch bald fest, dass ihr in ihrer Arbeit ein tieferer Sinn fehlte. Weil sie etwas bewegen wollte, gründete sie ein eigenes Unternehmen, das Teemischungen verkaufte.
Sie arbeitete sich immer mehr in Themen der Welternährung ein. Es berührte sie sehr, wie viele Menschen weltweit an Hunger leiden. Als sie vom Innovation Accelerator des Welternährungsprogramms erfuhr, bewarb sie sich sofort. Sie begann, sich der Begleitung von Projekten zu widmen, die den Hunger mit Innovationen bekämpfen.
Kräfte entfalten, produktiv leben, sinnerfüllt leben – vielleicht ist die Zeit für eine Richtungsänderung im Leben gekommen. Dafür ist es nie zu spät.
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