Wer nie scheitert entwickelt sich nicht … Erfahrung der eigenen StärkeLesezeit: 9 Min.

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„Wer nie scheitert entwickelt sich nicht und kann auch nicht glücklich werden, denn ihm fehlt die Erfahrung der eigenen Stärke.“

Martin Seligman
Wer nie scheitert entwickelt sich nicht, M. Seligman - Gestaltung: privat
Gestaltung: privat

Martin Seligman (geb. 1942) ist Professor an der PENN University in Philadelphia und Direktor des Positive Psychology Centers. Seine Forschungsschwerpunkte sind Depression, Optimismus, Positive Psychologie. Weltbekannt wurde er vor allem mit seiner Theorie der Erlernten Hilflosigkeit und mit seinen Beiträgen auf dem Gebiet der positiven Psychologie, wo ihm eine Pionierfunktion zukommt. Seligmans Forschungen brachten andererseits auch entscheidende Fortschritte für die Behandlung der Depression.

Gut gemeint – doch mit unerwarteten Folgen

Wer wünscht es sich nicht – das Leben ohne Probleme und Schwierigkeiten? Wer möchte nicht gerne jedem Schmerz aus dem Weg gehen? Und wer möchte nicht gerne seinerseits dafür sorgen, dass anderen Menschen physischer wie psychischer Schmerz erspart bleibt? Doch wenn Schwierigkeiten einfach abgenommen werden, kann es zu einer Art Entwicklungsstörung kommen. Die Geschichte vom verkrüppelten Schmetterling (Autor unbekannt) illustriert dies mit einem Bild aus der Tierwelt.

Ein Wissenschaftler beobachtete einen Schmetterling und sah, wie sehr sich dieser abmühte, durch das enge Loch aus dem Kokon zu schlüpfen. Stundenlang kämpfte der Schmetterling, um sich daraus zu befreien. Da bekam der Wissenschaftler Mitleid mit dem Schmetterling, ging in die Küche, holte ein kleines Messer und weitete vorsichtig das Loch im Kokon, damit sich der Schmetterling leichter befreien konnte.

Der Schmetterling entschlüpfte sehr schnell und sehr leicht. Doch was der Mann dann sah, erschreckte ihn doch sehr. Der Schmetterling, der da entschlüpfte, war ein Krüppel.

Die Flügel waren ganz kurz und er konnte nur flattern, aber nicht richtig fliegen. Da ging der Wissenschaftler zu einem Freund, einem Biologen, und fragte diesen: „Warum sind die Flügel so kurz und warum kann dieser Schmetterling nicht richtig fliegen?“

Der Biologe fragte ihn, was er denn gemacht hätte. Da erzählte der Wissenschaftler, dass er dem Schmetterling geholfen hatte, leichter aus dem Kokon zu schlüpfen.

„Das war das Schlimmste was du tun konntest. Denn durch die enge Öffnung ist der Schmetterling gezwungen, sich hindurch zu quetschen. Erst dadurch werden seine Flügel aus dem Körper herausgequetscht und wenn er dann ganz ausgeschlüpft ist, kann er fliegen. Weil du ihm geholfen hast und den Schmerz ersparen wolltest, hast du ihm zwar kurzfristig geholfen, aber langfristig zum Krüppel gemacht.“

Der werdende Schmetterling musste sich mit etwas auseinandersetzen: mit dem Kokon, der für seine weitere Entwicklung jetzt hinderlich geworden war. Um aus seinem Kokon zu gelangen, muss ein Schmetterling Blut aus seinem Körper in die Adern seiner noch schlappen Flügel pumpen. Anschließend müssen die Flügel noch einige Stunden trocknen. Erst wenn die Flügel voll funktionsfähig sind, kann der Schmetterling fliegen.

Der Wissenschaftler hatte es gut gemeint. Jedoch hatte er dem Schmetterling die Möglichkeit genommen, sich mit dem Kokon so lange „auseinanderzusetzen“, bis die Flugtüchtigkeit erreicht war, und hatte voreilig ein Scheitern angenommen. Damit hatte er für den Schmetterling überhaupt nichts Gutes getan.

Risiko des Scheiterns – nur bei Auseinandersetzung

Es ist wohl zutiefst menschlich, Schwierigkeiten und Auseinandersetzungen aus dem Weg gehen zu wollen. Doch dies wird nicht gelingen, zumindest nicht ein Leben lang. Irgendwann kommt der Zeitpunkt, an dem man sich mit etwas auseinandersetzen muss. Jede Auseinandersetzung birgt naturgemäß das Risiko des Scheiterns. Aus einer risikobehafteten Auseinandersetzung kann man gestärkt hervorgehen, wenn man sie erfolgreich bewältigen konnte, oder auch geschwächt, wenn dies nicht gelang.

Auseinandersetzungen kommen in ganz unterschiedlicher Gestalt auf einen zu. Vielleicht bekommt man vom Vorgesetzten eine neue schwierige Aufgabe übertragen. Man muss sich mit den Anforderungen der Aufgabe auseinandersetzen und dann intensiv versuchen, die Aufgabe den Erwartungen entsprechend auszuführen. Es mag sein, dass man bei der Ausführung der Aufgabe scheitert, vielleicht sogar aus Gründen, die man selbst nicht zu vertreten hat. Man hat sich nach Kräften dafür eingesetzt, die schwierige Aufgabe gut auszuführen, aber am Ende stand dann doch das Scheitern.

Wenn man sich mit einer schwierigen Aufgabe auseinandersetzt, kann man daran wachsen. Diese Erfahrung des Wachsens kann man nicht machen, wenn schwierige Aufgaben einfach vorenthalten werden. Wird die Möglichkeit der Auseinandersetzung genommen, gibt es natürlich kein Risiko des Scheiterns – aber auch keine Möglichkeit des persönlichen Wachstums.

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Wenn man scheitert – aufgeben oder weitermachen?

Wie verhält es sich, wenn man scheitert? Dann stellt sich zwangsläufig die Frage, wie es weitergehen soll. Im Grunde gibt es zwei Möglichkeiten: Entweder man kapituliert und gibt auf oder man macht weiter und versucht es erneut. Da man aus dem Scheitern in jedem Fall etwas gelernt hat, kann man es mit anderen Mitteln und/oder auf andere Weise versuchen.

Wie sollte sich beispielsweise ein Sportler, der noch eine längere Karriere vor sich hat, entscheiden, wenn er bei Olympischen Spielen einen vierten Platz erreicht hat? Die Bronzemedaille war nur wenige Hundertstel Sekunden entfernt. Die Enttäuschung ist riesengroß! Interpretiert er es als endgültiges Scheitern, gibt sich der Enttäuschung hin und gibt auf? Oder interpretiert er es als einmaliges Scheitern und nimmt sich vor, sich aus seiner Enttäuschung wieder herauszuarbeiten, bei bevorstehenden Wettkämpfen möglichst zu gewinnen und bei den nächsten Olympischen Spielen wieder nach der Goldmedaille zu greifen?

Wenn die Entscheidung fällt, weiterzumachen und es erneut zu versuchen, ist Stärke gefordert. Sehr wahrscheinlich befindet sich der Sportler erst einmal in einem seelischen Tief. Er blickt zurück auf das intensive Training, die vielerlei Entbehrungen, die langen Abwesenheitszeiten von Zuhause und so manches mehr. All dies hat sich nicht ausgezahlt. Das Ziel war schließlich nicht die „Blechmedaille“, sondern es war natürlich die Goldmedaille.

Nachdem die Enttäuschung einigermaßen überwunden ist, wandert der Blick wieder nach vorne. Bei aller Begeisterung für seinen Sport muss er sich wieder neu motivieren. Dem Sportler stehen wieder intensives Training, vielerlei Entbehrungen, lange Abwesenheitszeiten von Zuhause usw. bevor. Und es werden mit Sicherheit auch neue Konkurrenten auftauchen, die mit ihm um Siege kämpfen werden. Wird sich das alles lohnen oder wird es in vier Jahren beim großen Ziel, den nächsten Olympischen Spielen, wieder mit einer Enttäuschung enden?

Erst bei den nächsten Olympischen Spielen, erst nachdem man es wieder versucht hat, lässt sich die Erfahrung der eigenen Stärke wirklich erleben und einordnen. Erst im Rückblick lässt sich wirklich ermessen, wie weit die Stärke getragen hat.

Scheitern ist nicht das Ende

Ein Scheitern wird in den verschiedenen Kulturen dieser Erde sehr unterschiedlich bewertet. Während beispielsweise in den USA ein Scheitern als nichts Weltbewegendes angesehen wird, hat es in Deutschland eher den Charakter einer „mittleren Katastrophe“ oder vielleicht sogar eines „Weltuntergangs“. Hierzulande wird Scheitern unberechtigterweise und viel zu oft mit „endgültig“ assoziiert.

Was wären die Auswirkungen, wenn man Scheitern grundsätzlich als etwas Normales ansehen würde? Dann läge in jedem Scheitern nicht nur die Chance, etwas daraus zu lernen und sich als Person weiterzuentwickeln, sondern immer auch die Möglichkeit eines Neuanfangs. Und jedes Mal könnte man Wertschätzung für sich selbst, für Mitmenschen oder Dinge entdecken und Glückserfahrungen machen.

Angenommen, man würde nie ein Scheitern erleben und dadurch nie in eine Krise geraten. Wie sollte man dann beispielsweise den Wert von Freundschaft, von Beziehung, schätzen lernen, wenn man nie erfährt, wie andere Menschen einem Halt und Zuversicht geben können? Wie sollte man die Erfahrung machen, an einer Herausforderung zu wachsen und einen Weg aus einer Krise zu finden, sich vielleicht buchstäblich „aus der Scheiße herauskämpfen“?

Ist man als Person gescheitert oder ist man mit oder bei etwas gescheitert? Auch diese Frage stellt sich. Würde man ein Scheitern als endgültig betrachten, läge es nahe, das Scheitern auf die gesamte Person zu beziehen: „Ich bin gescheitert“. Würde man hingegen ein Scheitern als ein Ereignis betrachten, als etwas, das eben vorkommen kann, würde man es etwa so ausdrücken: „Ich bin mit etwas gescheitert“ oder „Ich bin bei etwas gescheitert“.

Wenn das Scheitern als Ereignis, als ein Rückschlag oder Fehlschlag, aufgefasst wird, wird es leichter fallen, wieder neu Mut zu gewinnen, sich aufzurappeln und es erneut zu versuchen. Henry Ford, Erfinder und Automobilpionier, erlebte eine ganze Reihe von teilweise heftigen Rückschlägen. Er fasste eine seiner Lehren daraus kurz und bündig so zusammen: „Unsere Fehlschläge sind oft erfolgreicher als unsere Erfolge.“. So verwundert auch nicht, dass er das Scheitern nicht mit Kapitulieren verband: „Es gibt mehr Menschen die kapitulieren, als solche, die scheitern.“.

Gutes und Sinnvolles tun – ganz praktisch

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Einer der teuersten Fehler der Literaturgeschichte

Joanne K. Rowling, Autorin einer Reihe von Romanen um den Zauberschüler Harry Potter, erlebte mehrere Rückschläge. Bevor sich Bloomsbury Publishing schließlich dazu entschloss, den ersten Harry-Potter-Band zu verlegen, lehnten ein Dutzend britische Verlage das Manuskript ab. Aus heutiger Sicht dürfte dies einer der teuersten Fehler der Literaturgeschichte gewesen sein, denn die Reihe der Harry-Potter-Bücher erreichte weltweit eine Auflage von mehreren hundert Millionen.

Über ihre Erfahrungen des Scheiterns und der Rückschläge sagte sie: „Das Scheitern lehrte mich Dinge über mich, die ich anders nie hätte lernen können.“ 2008 lud die Harvard University Joanne K. Rowling dazu ein, die Commencement Speech (Abschlussrede am Ende des Studiums) zu halten. Sie sprach darüber, warum Rückschläge gut sind: „Jeder erleidet irgendwann einmal Rückschläge. Es ist unmöglich, im Leben ohne sie auszukommen – es sei denn, ihr lebt extrem vorsichtig und vermeidet sie. Aber dann war euer Leben umsonst – und automatisch ein einziger Rückschlag.

Scheitern gehört zum Leben dazu. Wenn man aber gerade in einer Krise steckt oder vor einem großen Problem steht, können die Krise oder das Problem die Gedanken völlig gefangen nehmen. Hoffentlich bleibt aber trotzdem noch Raum, sich selbst Mut zuzusprechen, beispielsweise so: „So schlimm das Ganze jetzt gerade ist, aber das ist nicht das Ende. Ich werde mich dadurch weiterentwickeln, an Stärke gewinnen und eigene Stärke erfahren. Und ich werde Glückserfahrungen machen.“.

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Ich bin Dieter Jenz, Begleiter, Berater und Coach mit Leidenschaft. Über viele Jahre hinweg habe ich einen reichen Schatz an Kompetenz und Erfahrung erworben. Meine Themen sind die "4L": Lebensaufgabe, Lebensplanung, Lebensnavigation und Lebensqualität.