„Viele Menschen wissen, dass sie unglücklich sind. Aber noch mehr Menschen wissen nicht, dass sie glücklich sind.“
Albert Schweitzer
Albert Schweitzer (1875-1965) war ein deutsch-französischer Arzt, Philosoph, evangelischer Theologe, Organist, Musikwissenschaftler und Pazifist. Schweitzer, der „Urwaldarzt“, gründete 1913 ein Krankenhaus in Lambaréné im zentralafrikanischen Gabun. Er veröffentlichte theologische und philosophische Schriften, Arbeiten zur Musik, insbesondere zu Johann Sebastian Bach, sowie autobiographische Schriften.
In der Partnerbeziehung läuft es nicht so, wie man sich das gewünscht hat. Am Arbeitsplatz nerven die Kollegen. Man lebt in einem Dorf, ist einsam und kommt nicht weg … Man fühlt sich unglücklich und sieht die ganzen Defizite. Wie schön wäre es doch, wenn …?
Viele Menschen fühlen sich unglücklich. Und weil sich die Umstände nicht oder nicht so schnell wie gewünscht verändern, verstetigt sich das Unglücklichsein und wird chronisch.
Wenn man unglücklich ist – hilft eine Selbstdiagnose?
Weshalb ist man eigentlich unglücklich? Vielleicht möchte man dieser Frage gerne aus dem Weg gehen. Man ahnt instinktiv, dass es schmerzen wird, wenn man sie sich stellt. Aber hält man dadurch wirklich Schmerz fern?
Eine Selbstdiagnose kann dabei helfen, die Gründe für das unglücklich sein an die Oberfläche zu bringen. Aber sie wird nur dann helfen können, wenn man sich selbst gegenüber aufrichtig und ehrlich ist und sich nichts vormacht.
Vielleicht klingt der Begriff „Selbstdiagnose“ für manche zunächst etwas furchteinflößend. Aber eine Selbstdiagnose ist etwas Positives. Sie hilft einem dabei, etwas (Ver)störendem auf die Spur zu kommen, etwas aufzudecken. Wenn man bei dieser Selbstdiagnose auf etwas (Ver)störendes stößt, kann man sich damit beschäftigen und überlegen, ob man in seinem Leben etwas ändern möchte.
Eine Selbstdiagnose kann Auslöser für eine Richtungsänderung im Leben sein. Schließlich geht es um kostbare Lebenszeit, die noch vor einem liegt. Und in dieser kostbaren Lebenszeit möchte man ja Glück erleben.
Ist man unglücklich oder unzufrieden?
Unglücklich sein und unzufrieden sein sind nicht dasselbe. Zunächst wäre also zu klären, ob man unglücklich oder unzufrieden ist.
Wenn man unzufrieden ist, ist ein Bedürfnis oder ein Verlangen unbefriedigt. Man ist mit dem, was man hat, oder mit gegebenen Umständen, Bedingungen oder Verhältnissen nicht einverstanden oder hat daran etwas auszusetzen. Man ist innerlich nicht ausgeglichen.
Vielleicht ist man mit den Verhältnissen am Arbeitsplatz unzufrieden, vielleicht mit dem Verhalten der Lebenspartnerin bzw. des Lebenspartners, oder vielleicht mit der Politik. Gründe für Unzufriedenheit gibt es viele.
Wenn man unglücklich ist, ist man traurig, deprimiert, bedrückt oder niedergeschlagen. Vielleicht ist eine Beziehung in die Brüche gegangen, vielleicht wurde ein sehr wertvoller Gegenstand unwiederbringlich zerstört, oder vielleicht ist man gerade bei einer Prüfung durchgefallen. Die Aufzählung von Anlässen und Gründen dafür, sich unglücklich zu fühlen, ließe sich nahezu endlos weiterführen.
Man hat Gründe zum Trauern, wenn man unglücklich ist. Wenn man mit etwas unzufrieden ist, erleidet man eher keine seelischen Schmerzen, wenn man unglücklich ist aber schon. Beispielsweise hinterlässt eine gescheiterte Beziehung ihre Spuren in der Seele. Der Schmerz muss „bearbeitet“ werden und Trauer muss ausgehalten werden.
Es mag durchaus sein, dass man gleichzeitig unzufrieden und unglücklich ist. Vielleicht ist man mit seiner Arbeit unzufrieden, die man tagtäglich am Arbeitsplatz zu erledigen hat. Die Arbeit füllt einen nicht aus, sie unterfordert einen. Gleichzeitig ist man unglücklich darüber, dass man innerbetrieblich nicht in ein anderes Aufgabengebiet wechseln kann.
Ist es Haarspalterei, zwischen unzufrieden sein und unglücklich sein zu unterscheiden? Manchmal scheinen im realen Leben die Grenzen zwischen beidem zu verschwimmen. Dennoch lohnt es sich, sich zunächst diese Frage zu stellen: „Bin ich unzufrieden oder unglücklich?“, wenn man etwas auf die Spur kommen möchte.
Weshalb ist man unglücklich?
Meistens kennt man die Ursache für den seelischen Schmerz, der mit dem Unglücklichsein einhergeht. Es ist häufig eine bestimmte Situation oder ein bestimmter Lebensbereich, die bzw. der einen unglücklich macht.
Vielleicht kommt man zum Schluss, dass man bei sich selbst etwas verändern muss, an der Sichtweise oder der Einstellung. Möglicherweise muss man auch an den Verhältnissen etwas verändern. Wenn es gelingt, etwas zu verändern, wird man sich mit der Zeit nicht mehr (so) unglücklich fühlen. Es mag sein, dass man für die Bewältigung einer Veränderung einen längeren Zeitraum benötigt, beispielsweise für die Trauerarbeit nach einer Trennung von der Lebenspartnerin bzw. vom Lebenspartner. Aber man kennt die Ursache.
Wie verhält es sich jedoch, wenn man sich vermeintlich ohne bestimmte Ursache über einen längeren Zeitraum hinweg unglücklich fühlt, also traurig, deprimiert, bedrückt oder niedergeschlagen ist? Man fühlt sich gewissermaßen chronisch unglücklich und es fällt etwas schwer, eine Ursache zu finden. Die Lebensfreude fehlt, man trägt nur noch negative Gefühle in sich und man verspürt eine innere Leere.
Je weniger eine spezifische Ursache für das Unglücklichsein vorliegt, desto mehr wäre zu klären – wenn dieser Zustand über längere Zeit anhält (mindestens zwei Wochen) -, ob man an einer Depression leidet. Mit professioneller Unterstützung lässt sich eine Depression gut behandeln.
Kann man glücklich sein und es nicht wissen?
Auf den ersten Blick scheint es eine äußerst seltsame Frage zu sein. Wenn man glücklich ist, weiß man das doch – oder? Falls nicht, woran liegt es? Kann man vielleicht etwas nicht klar sehen, weil man sich, bildlich gesprochen, keine Brille aufgesetzt hat? Oder schaut man ganz einfach in die falsche Richtung? Oder sieht man über etwas einfach hinweg? Fragen über Fragen, deren Beantwortung einen jedoch weiterführt.
Gute Gefühle mit dauerhaftem Glück verwechseln
Vielleicht verwechselt man etwas. Man verwechselt gute Gefühle mit dauerhaftem Glück. Wenn man sich darauf konzentriert, Spaß zu haben, sich dem Genuss hinzugeben, wird man sicherlich Glücksgefühle erleben. Diese Art von Glückskick und die durch äußere Stimulation begünstigten Glückgefühle sind jedoch eher kurzlebig. Sie halten nicht lange an. Das leckere Essen im teuren Restaurant, das Einkaufserlebnis, oder was immer es sei, – man genießt es, aber man hat nicht sehr lange etwas davon. Man sucht das „Mehr“, aber man ist doch schon glücklich.
In der Vergangenheit leben
Es mag auch sein, dass man gewissermaßen in der Vergangenheit lebt. Vielleicht trauert man einer gescheiterten Beziehung hinterher. Oder man bereut eine falsche Entscheidung, die man einmal an einer wichtigen Wegkreuzung im Leben getroffen hat. Es gibt so viele Gründe, sich immer wieder in die Vergangenheit zu begeben. Doch die Vergangenheit lässt sich nicht mehr rückwirkend ändern. Das Leben kann nur vorwärts gelebt werden. Wenn man immer wieder in der Vergangenheit festhängt, wird der Blick auf eine glückliche Gegenwart getrübt.
Sich der Selbstabwertung hingeben
Ein weiterer Grund mag ein Hang zur Selbstabwertung sein. Manche Menschen tendieren dazu, sich selbst abzuwerten und sich sogar minderwertig zu fühlen. Der sogenannte „innere Kritiker“ (nach dem Modell des „Inneren Teams“ des Psychologen Prof. Dr. Friedemann Schulz von Thun) führt das Wort. Ständig sieht er nur, was man alles falsch macht. Nie kann man es ihm recht machen. Immer findet er etwas, was an einem auszusetzen ist. Bei alledem ist klar, dass jegliche Selbstkritik, Selbstverurteilung und Selbstabwertung nichts zum Besseren hin verändern. Eigentlich ist man glücklich Aber immer wieder geht man dem inneren Kritiker, bildlich gesprochen, auf den Leim und lässt sich von ihm immer wieder nach unten ziehen.
Zeit für einen Perspektivenwechsel
Wenn man eigentlich glücklich ist und es nicht weiß, wird es Zeit, die Perspektive zu wechseln. Den Kräften, die einem immer wieder den Blick trüben wollen, gilt es Einhalt zu gebieten:
- Dem „Vorgaukler“, der einem glauben machen will, dass man zum Glücklichsein den besonderen Kick brauche und ohne „Glückskicks“ nicht wirklich glücklich sein könne,
- Dem „Erinnerer“, der einen immer wieder an die Fehler und Versäumnisse der Vergangenheit erinnert, obwohl man daran jetzt überhaupt nichts mehr ändern kann,
- Dem „inneren Kritiker“, der immer wieder zu Selbstkritik, Selbstverurteilung und Selbstabwertung anstachelt.
Den Glücksadvokaten zu Wort kommen lassen
Um zu einer anderen Perspektive zu gelangen, kann man diesen Kräften den „Glücksadvokat“ entgegenstellen und ihnen die „Redezeit“ beschneiden. Wenn man ihn gebührend zu Wort kommen lässt – und das sollte man tun – würde er vielleicht Folgendes sagen: Du
- bist gesund, kannst alle deine Sinne nutzen,
- hast eine Familie, in der du dich wohlfühlst,
- hast einen Beruf, der dir Freude macht,
- hast Freundinnen/Freunde, denen du vertrauen kannst,
- hast ein Dach über deinem Kopf und kannst dir jeden Tag aussuchen, was du essen möchtest,
- kannst anderen Menschen etwas geben und bist für sie wertvoll,
- …
Wenn man den Glücksadvokaten reden lässt und ihm zuhört, verändert sich die Blickrichtung. Man macht einen Anfang, um wieder klarer auf sich selbst sehen zu können. Ihn reden zu lassen, bedeutet, dass man aktiv für sich selbst sorgt. Das Bild, das man von sich selbst hat, wird sich garantiert verändern. Dann wird wahrscheinlich auch viel klarer bewusst, dass man glücklich ist.
Glück erleben in Tun und Sein
Der Glücksadvokat kann auch den Blick auf das „Sein“ schärfen. Man hat nicht nur Dinge, die einen glücklich machen, man kann nicht nur etwas, was einen glücklich macht. Man kann auch etwas sein. Dies kann sich in Einstellungen ausdrücken, die einen glücklich machen. Albert Schweitzer drückte es beispielsweise so aus: „Glücklich sind allein diejenigen, die sich von ihren Herzen bestimmen lassen“.
Albert Schweitzer erlebte Glück in seiner Tätigkeit als Arzt, die er als Lebensaufgabe empfand. Trotz vieler Einschränkungen, Entbehrungen und Rückschläge empfand er sich als glücklich. Seine Tätigkeit im Krankenhaus in Lambaréné war für ihn so erfüllend, dass ihn alle Widerstände, in welcher Gestalt auch immer, nicht davon abhalten konnten.
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