Einsamkeit kommt nicht davon, keine Menschen um sich …Lesezeit: 10 Min.

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„Einsamkeit kommt nicht davon, keine Menschen um sich herum zu haben, sondern davon, unfähig zu sein, die Dinge zu äußern, die einem wichtig sind oder seine eigenen Standpunkte zu vertreten, die andere als unzulässig finden.“

Carl Gustav Jung
Einsamkeit kommt nicht davon, C.G. Jung - Gestaltung: privat
Gestaltung: privat

Carl Gustav Jung (1875-1961), war ein Schweizer Psychiater und der Begründer der analytischen Psychologie. In dieser von ihm begründeten analytischen Psychotherapie ist die Auseinandersetzung mit unbewussten Aspekten der Psyche, wie sie z. B. in den psychischen und somatischen Krankheitssymptomen, in Träumen, Fantasien und Symbolen zum Ausdruck kommen, ein wichtiger Bestandteil.

Einsamkeit oder Alleinsein?

In der westlichen Zivilisation ist Einsamkeit mittlerweile zu einer Art Massenphänomen geworden. Es zieht sich durch alle Altersschichten hindurch, wobei naturgemäß ältere Menschen tendenziell stärker betroffen sind.

Es ist schwierig, zu ermitteln, wie viele Menschen unter Einsamkeit leiden. In der Bundesrepublik Deutschland dürften es etwa 10 % der Bevölkerung sein. Das Gefühl der Einsamkeit nimmt jedoch unter den jüngeren Menschen in der Altersklasse der 20-29-jährigen tendenziell stärker zu, wie aus einem Kurzbericht des Instituts der Deutschen Wirtschaft hervorgeht. Dies kann sicherlich als ein alarmierendes Zeichen gelten.

Einsamkeit ist ein Zustand der Beziehungsarmut und ist nicht selbst gewählt. Von Einsamkeit betroffene Menschen betrachten ihr eigenes Sozialleben als defizitär und empfinden „sozialen Schmerz“. Sie leiden unter der Einsamkeit.

Im Gegensatz zur Einsamkeit ist Alleinsein ein selbst gewählter Zustand. Man kann beispielsweise vor einer wichtigen Entscheidung einen oder mehrere Tage alleine verbringen, um sich zurückzuziehen und dabei nachzudenken. Dann kehrt man wieder in sein soziales Umfeld zurück und verbringt wieder Zeit mit anderen Menschen. Wenn im sozialen Umfeld jedoch keine Bezugspersonen (Familienangehörige, Freunde usw.) vorhanden sind, kann von sozialer Isolation gesprochen werden.

Die soziale Isolation ist ein verbindendes Element zwischen Einsamkeit und Alleinsein. Der einsame Mensch wählte sie nicht selbst, der sich für das temporäre oder dauerhafte Alleinsein entscheidende Mensch jedoch schon.

Weshalb kann Einsamkeit krank machen?

Menschen als soziale Wesen brauchen Ansprechpartner. Der Austausch mit der Partnerin bzw. dem Partner, mit Freunden, emotionale Nähe, körperlicher Kontakt, Gemeinschaft im Alltag, all dies kennzeichnet, was einsamen Menschen fehlt und was von diesen als seelisch schmerzhaft empfunden wird.

Schon seit längerem wird Einsamkeit wird als Gesundheitsrisiko erkannt, sowohl psychisch als auch physisch. Sie ist ein Stressfaktor, wie diverse Studien zeigen. Unter Stress wird bei Einsamen deutlich mehr Cortisol, ein Stresshormon, ausgeschüttet als bei Menschen mit vielen Sozialkontakten. Aber auch selbst ohne Stresssituationen wiesen unter Einsamkeit leidende Studienteilnehmer einen erhöhten Cortisol-Spiegel auf.

Insgesamt gesehen haben einsame Menschen ein höheres Risiko für hohen Blutdruck, Herz-Kreislaufprobleme, Schlaflosigkeit, Übergewicht, Demenz, aber auch Alkohol- und Medikamentenmissbrauch. Durch die erhöhte Cortisol-Ausschüttung wird außerdem auch das Immunsystem geschwächt.

Von Einsamkeit betroffene Menschen sind nach Erkenntnissen von Krankenkassen im Allgemeinen körperlich weniger aktiv und rauchen häufiger. Eine Auswertung von über 100 Studien konnte in der Gesamtschau zeigen, dass Einsamkeit der Gesundheit genauso schadet wie Alkoholmissbrauch oder auch das Rauchen von täglich 15 Zigaretten. So verwundert auch nicht, dass es belastbare Beweise dafür gibt, dass soziale Isolation und Einsamkeit das Risiko für vorzeitige Sterblichkeit erheblich erhöhen.

Was die Psyche anbelangt, leiden einsame Menschen häufiger unter Depressionen oder anderen psychischen Erkrankungen, wie beispielsweise Angststörungen. Auch das Suizidrisiko ist erhöht.

Unfähig oder unwillig?

Jungs Aussage mutet zunächst etwas seltsam an. Ist es tatsächlich so, dass Einsamkeit hauptsächlich mit der Unfähigkeit zusammenhängt, die Dinge zu äußern, die einem wichtig sind oder seine eigenen Standpunkte zu vertreten?

Zu Lebzeiten Carl Gustav Jungs war es eher die Regel als die Ausnahme, wenn mehrere Generationen unter einem Dach lebten. Ehepaare hatten meist mehrere Kinder, die zudem auch im Erwachsenenalter, nachdem sie selbst schon eigene Familien gegründet hatten, immer noch in relativer Nähe zu ihren Eltern wohnten. Die soziale Isolation eines einzelnen Menschen, die ungewollte Einsamkeit, war eher eine Ausnahmeerscheinung.

Der Rückzug in die Einsamkeit kann auf eine Depression hindeuten. Je mehr die Depression voranschreitet, desto mehr ziehen sich leidende Menschen sukzessive selbst aus ihrem sozialen Umfeld zurück. Einer der Gründe dafür ist, dass sie andere nicht mit ihren Problemen belasten möchten. Aber auch die Menschen im sozialen Umfeld ziehen sich zurück, oft aus Unsicherheit, wie man mit einem depressiven Menschen umgehen soll.

Je mehr eine Depression fortgeschritten ist, desto schwerer fällt es einem depressiven Menschen, die Dinge zu äußern, die ihm persönlich wichtig sind. Es ist nicht der Unwille, sondern schon eher die Unfähigkeit, für sich und seine Überzeugungen einzustehen. Irgendwie erscheint alles indifferent und der Antrieb fehlt.

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Einsamkeitsprophylaxe

Wenn Einsamkeit ein ungewollter, nicht selbst gewählter Zustand ist und „sozialen Schmerz“ bedeutet, wie kann man dann vermeiden, in Einsamkeit zu verfallen? Wie könnte eine gute Vorsorge gegen Einsamkeit, eine Einsamkeitsprophylaxe, aussehen?

Unter der Annahme, dass etwa 10 % der Bevölkerung unter Einsamkeit leiden, sind im Umkehrschluss runde 90 % davon nicht betroffen. Diese Menschen leben und pflegen ihre sozialen Beziehungen. Die nackten Zahlen verbergen jedoch die Fluktuation. Auch bisher sozial gut eingebundene Menschen können beispielsweise in eine schwere Depression geraten und in der Folge unter Einsamkeit leiden.

Deshalb erscheint es wichtig, frühzeitig Einsamkeitsprophylaxe zu betreiben. Zumindest wird dadurch die Wahrscheinlichkeit, irgendwann einmal unter Einsamkeit zu leiden, verringert. Jedenfalls erscheint es sehr viel sinnvoller zu sein, gut für seine soziale Einbindung zu sorgen als wieder aus der Einsamkeit herauszufinden, wenn die Einsamkeit schon zum Problem geworden ist.

Wenn man sich erst einmal einsam fühlt, ist es häufig schwer, einen Weg aus der Einsamkeit zu finden. Dann muss man versuchen, im eigenen Leben etwas zu verändern und aus den gewohnten Abläufen auszubrechen. Dazu muss jedoch ein Antrieb, eine Motivation, vorhanden sein. Zumindest müssen die Antriebskräfte stärker sein als die Beharrungskräfte.

Zur Einsamkeitsprophylaxe gehört vor allem, das Selbstwertgefühl zu stärken. Schließlich geht Einsamkeit oft mit einem geringen Selbstwertgefühl einher. Und einsame Menschen haben oft Angst, verletzt oder abgewiesen zu werden. Wenn es gelingt, das Selbstwertgefühl zu stärken, fällt es leichter, auf andere Menschen zuzugehen und sich zu öffnen, beispielsweise in der Beteiligung am gesellschaftlichen Diskurs und/oder in ehrenamtlichem Engagement.

Beteiligung am gesellschaftlichen Diskurs

Die aktive Beteiligung am gesellschaftlichen Diskurs schützt wirksam vor Einsamkeit. Jedem Menschen liegt sicherlich mindestens ein Thema am Herzen. Es ist ihm wichtig und vielleicht sieht er Defizite. Vielleicht sieht er aber auch Ansätze, wie etwas verbessert werden könnte.

Weshalb sollte man nicht Dinge äußern, die einem persönlich wichtig sind? Weshalb sollte man nicht Standpunkte vertreten, die anderen vielleicht nicht genehm sind, wenn sie sich sachlich begründen lassen? Schließlich kann ein engagierter Austausch sachlicher Argumente beleben.

Wie kann man den Einstieg finden?

Einen Einstieg zur Beteiligung am gesellschaftlichen Diskurs zu finden ist nicht schwer. Einige Fragen können einem die Richtung weisen: „Was beschäftigt mich zutiefst?“, „Was ist mir ein wirkliches Anliegen?“, „Wofür brenne ich?“, „Wofür möchte ich mich wirklich einsetzen?“.

Woher kommen die Zuhörer, wenn man bisher keine hat? Man kann sich beispielsweise über Leserbriefe in Zeitungen artikulieren, sich in der Kommune in Gremien einbringen oder in sozialen Medien engagieren, dies alles auf dem Boden gegenseitigen Respekts und gegenseitiger Wertschätzung. Reaktionen werden kommen, und schon ist man im Austausch mit anderen Menschen, der in engere Beziehungen münden kann.

Geht es ohne Widerspruch?

Es mag sein, dass man Widerspruch erfährt. Mit Widerspruch muss man rechnen. Es wäre sogar eher ungewöhnlich, keinen Widerspruch zu erfahren. Welche Errungenschaft hat sich jemals durchgesetzt, ohne in der einen oder anderen Form auf Widerspruch, oft sachlich unbegründet, zu stoßen?

Darüber hinaus mag es sogar so weit kommen, dass man sich manche Menschen zum Feind macht. Sir Winston Churchill, britischer Staatsmann, der sich in seinem Leben auf vielerlei Art und Weise am gesellschaftlichen Diskurs beteiligte, drückte es lapidar so aus: „Du hast ein paar Feinde? Gut, das bedeutet, dass du für etwas aufgestanden bist.“.

Widerspruch von vielerlei Seiten erfuhr beispielsweise auch Mahatma Gandhi, indischer Rechtsanwalt, Publizist, Morallehrer, Asket und Pazifist. Er wurde zum geistigen und politischen Anführer der indischen Unabhängigkeitsbewegung. Von ihm ist das Zitat überliefert: „Viele Menschen, insbesondere ignorante Menschen, möchten dich dafür bestrafen, dass du die Wahrheit sprichst, dass du dich korrekt verhältst und dafür, du selbst zu sein. Entschuldige dich nie für korrektes Verhalten oder dafür, deiner Zeit um Jahre voraus zu sein. Wenn du in recht hast und es weißt, dann sage deine Meinung. Selbst wenn du eine Minderheit von einer einzigen Person bist, bleibt die Wahrheit bleibt immer die Wahrheit.“

Auch wenn sich indische Unabhängigkeitsbewegung und die eigene Beteiligung am gesellschaftlichen Diskurs keineswegs miteinander vergleichen lassen – Widerspruch wird kommen.

Ehrenamtliches Engagement

Ein weiteres bewährtes Mittel zum Schutz gegen Einsamkeit ist ehrenamtliches Engagement. Der als „Urwaldarzt“ bekannt gewordene Arzt, Theologe und Pazifist Albert Schweitzer drückte es so aus: „Schafft euch ein Nebenamt, ein unscheinbares, vielleicht ein geheimes Nebenamt. Tut die Augen auf und sucht, wo ein Mensch oder ein gutes Werk ein bisschen Zeit, ein bisschen Teilnahme, ein bisschen Gesellschaft, ein bisschen Arbeit eines Menschen braucht. Vielleicht ist es ein Einsamer oder ein Verbitterter oder ein Kranker oder ein Ungeschickter, dem du etwas sein kannst. Vielleicht ist es ein Greis oder ein Kind. Oder ein gutes Werk braucht Freiwillige, die einen freien Abend spenden oder Gänge tun können. Wer kann die Verwendungen alle aufzählen, die das kostbare Betriebskapital, Mensch genannt, haben kann! An ihm fehlt es an allen Ecken und Enden! Darum sucht, ob sich nicht eine Anlage für Menschentum findet. Lass dich nicht abschrecken, wenn du warten oder experimentieren musst. Auch auf Enttäuschungen sei gefasst. Aber lass dir ein Nebenamt, indem du dich als Mensch an Menschen ausgibst, nicht entgehen. Es ist dir eines bestimmt, wenn du es nur richtig willst.“.

Ehrenamtliches Engagement bedeutet in der Regel persönliche Begegnung. Man hat die Möglichkeit, verschiedene Menschen persönlich kennenzulernen. Man erlebt menschliche Nähe, die jedoch auch Enttäuschungen mit sich bringen kann. In jedem Fall aber gewinnt man auch mancherlei soziale Kontakte, die sich mit der Zeit positiv entwickeln können.

Gutes und Sinnvolles tun – ganz praktisch

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Einsamkeit muss nicht sein

Einsamkeit ist nicht selbst gewählt, aber sie ist auch kein unabwendbares Schicksal. Es gibt diverse Möglichkeiten, sich vor Einsamkeit zu schützen.

Wenn man sich am gesellschaftlichen Diskurs beteiligt und/oder sich ehrenamtlich engagiert, betreibt man aktive und wirksame Einsamkeitsprophylaxe. Und Einsamkeitsprophylaxe bedeutet indirekt auch, dass man ein Stück weit Depressionsprophylaxe betreibt. Wie intensiv man sich engagieren möchte, bleibt jedem selbst überlassen. Nicht jeder kann oder möchte Widerspruch und/oder Enttäuschung aushalten.

Selbst wenn man sich Widerspruch und Enttäuschung aussetzt, kann man sich immer noch abgrenzen. Bei den Menschen, mit denen man nicht so gut zurechtkommt, kann man Kontakte auf das verträgliche Maß begrenzen. Dann bleiben immer noch die anderen, mit denen man gut zurechtkommt und deren Gegenwart einen bereichert. Von Einsamkeit kann jedenfalls keine Rede sein.

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Einsamkeit kommt nicht davon, C.G. Jung - Gestaltung: privat
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Ich bin Dieter Jenz, Begleiter, Berater und Coach mit Leidenschaft. Über viele Jahre hinweg habe ich einen reichen Schatz an Kompetenz und Erfahrung erworben. Meine Themen sind die "4L": Lebensaufgabe, Lebensplanung, Lebensnavigation und Lebensqualität.