„Erfolg ist nicht der Schlüssel zum Glück. Glück ist der Schlüssel zum Erfolg. Wenn du liebst, was du tust, wirst du erfolgreich sein.“
Albert Schweitzer
Albert Schweitzer (1875-1965) war ein deutsch-französischer Arzt, Philosoph, evangelischer Theologe, Organist, Musikwissenschaftler und Pazifist. Schweitzer, der „Urwaldarzt“, gründete 1913 ein Krankenhaus in Lambaréné im zentralafrikanischen Gabun. Er veröffentlichte theologische und philosophische Schriften, Arbeiten zur Musik, insbesondere zu Johann Sebastian Bach, sowie autobiographische Schriften. 1953 wurde ihm der Friedensnobelpreis für das Jahr 1952 zuerkannt.
Gravierende Richtungsänderung im Leben
In dem Buch „Selbstzeugnisse“ ist beschrieben, wie er, seit 1902 Dozent für Theologie an der Universität Straßburg, dazu kam, seinem Leben eine völlig neue Richtung zu geben und Arzt im Urwald zu werden. Albert Schweitzer schreibt:
„Ich hatte von dem körperlichen Elende der Eingeborenen des Urwaldes gelesen und durch Missionare davon gehört. Je mehr ich darüber nachdachte, desto unbegreiflicher kam es mir vor, dass wir Europäer uns um die große humanitäre Aufgabe, die sich uns in der Ferne stellt, so wenig bekümmern. […] Unsere Gesellschaft als solche muss die humanitäre Aufgabe als die ihre erkennen. Es muss die Zeit kommen, wo freiwillige Ärzte, von ihr gesandt und unterstützt, in bedeutender Zahl in die Welt hinausgehen und unter den Eingeborenen Gutes tun. Erst dann haben wir die Verantwortung, die uns als Kulturmenschheit den farbigen Menschen gegenüber zufällt, zu erkennen und zu erfüllen begonnen.
Von diesen Gedanken bewegt beschloss ich, bereits dreißig Jahre alt, Medizin zu studieren und draußen die Idee in der Wirklichkeit zu erproben. Anfang 1913 erwarb ich den medizinischen Doktorgrad. Im Frühling desselben Jahres fuhr ich mit meiner Frau, die die Krankenpflege erlernt hatte, an den Ogowe in Äquatorialafrika, um dort meine Wirksamkeit zu beginnen.“
Für Albert Schweitzer und seine Ehefrau war das Vorhaben in jeder Hinsicht ein Aufbruch ins Ungewisse. Beide hatten sie zwar eine medizinische Ausbildung, aber die klimatischen Verhältnisse in Äquatorialafrika, die Infrastruktur des Zielgebiets sowie Kultur und Mentalität der Bevölkerung unterschieden sich sehr deutlich von der Heimat.
Die Finanzmittel für sein Vorhaben musste Albert Schweitzer selbst aufbringen. Er setzte dafür seine eigenen Autorenhonorare und auch Spenden von Freunden ein. Der Aufbau des Krankenhauses gelang unter vielen Mühen und begleitet von mancherlei Rückschlägen.
Was ist Erfolg?
Erfolg ist Wirkung und Ergebnis eines Handelns und ist erreicht, wenn gesetzte Ziele erreicht sind. Bei einem Ziel kann es sich um ein materielles Ziel handeln, wie beispielsweise Einkommen, Gewinn oder eine bestimmte Position in einer Organisation. Es mag sich auch um ein immaterielles Ziel handeln, wie beispielsweise Anerkennung oder Zufriedenheit.
Ist Erfolg eine objektiv messbare Größe? Sicherlich ist dies nur bei messbaren Zielen der Fall. Wenn man als Unternehmer ein bestimmtes Umsatzziel anstrebt, lässt sich der Erfolg am Geschäftsjahresende relativ leicht messen. Entweder wurde das Umsatzziel erreicht oder es wurde nicht erreicht. Bei letzterem wäre von Teilerfolg oder gar Misserfolg zu sprechen.
Wie verhält es sich jedoch bei immateriellen Zielen? Könnte man überhaupt objektiv messen, ob das Ziel erreicht ist? Wie wäre dies beispielsweise bei dem immateriellen Ziel der Anerkennung möglich? Und welche Rolle spielt dabei das Wertesystem des Beurteilenden?
Ein sehr auf Karriere bedachter Mitarbeiter mag beispielsweise unter Einsatz höchst unlauterer Mittel die Karriereleiter hochgeklettert und schließlich an der Spitze des Unternehmens angekommen sein. Er mag die ihm privat wie öffentlich entgegengebrachte, vielleicht zähneknirschende, Anerkennung als Erfolg verbuchen. Die von ihm rücksichtslos „aus dem Weg geräumten“ Mitarbeiter beurteilen diese Anerkennung sehr wahrscheinlich völlig anders. Wenn für sie der Wert „Fairness“ wichtig ist, ist der Weg des Karrieristen in ihren Augen wohl kein Erfolg, jedenfalls kein verdienter.
Angenommen, es würde einem das Bundesverdienstkreuz verliehen. Würde man dies als Erfolg ansehen? Der bzw. die eigentlichen Erfolge, die letztlich zur Verleihung des Bundesverdienstkreuzes führten, liegen schließlich zeitlich schon zurück. Und möglicherweise sehen andere Menschen die Verleihung sogar als ungerechtfertigt an.
Erfolg bei immateriellen Zielen ist eine Angelegenheit subjektiver Beurteilung und das Wertesystem des Beurteilenden spielt eine erhebliche Rolle. Was der eine als Erfolg ansieht, ist für einen anderen Menschen möglicherweise (noch) kein Erfolg.
Kann Erfolg der Schlüssel zum Glück sein?
Ist man glücklich, wenn man einen Erfolg erreicht hat? Ja, durchaus! Allerdings hält das Glücksgefühl nur für einen relativ kurzen Zeitraum an. Beispielsweise mag eine Gehaltserhöhung oder der neue Dienstwagen ein Glücksgefühl erzeugen, aber dieses Glücksgefühl verfliegt nach einiger Zeit wieder.
Im Gehirn gibt es eine spezielle Region, das „Belohnungs- und Motivationssystem“. Dieses sorgt dafür, dass das sogenannte Glückshormon Dopamin ausgeschüttet wird. Dies geschieht, wenn man etwas Schönes erlebt oder eine Aufgabe erfolgreich bewältigt hat. Die Hormonausschüttung bewirkt, dass man sich glücklich, zufrieden und vielleicht auch stolz fühlt. Außerdem ist man motiviert, sich wieder neu anzustrengen, um diesen Glücksmoment wiederholen zu können.
Der Erfolg bleibt nicht unbedingt. Zwar bleibt beispielweise der Erfolg einer gut bewältigten Aufgabe, aber es kommen immer wieder neue Aufgaben. Erfolg muss deshalb immer wieder neu erarbeitet werden. Selbst mit dem Erreichen immaterieller Ziele verknüpfter Erfolg ist nicht unbedingt von Dauer. Es mag sein, dass man erreichte Anerkennung wieder verliert.
Manchmal mag es längere Zeit dauern, bis man den angestrebten Erfolg erlebt. Wie fühlt man sich während der Zeit, in der man sich für den Erfolg „ins Zeug legt“? Wenn Erfolg der Schlüssel zum Glück wäre, dann müsste man unter Umständen sehr lange auf das Glück warten.
Wenn man sich beispielsweise Anerkennung als immaterielles Ziel vorgenommen hätte, müsste man vielleicht sogar bis ins Seniorenalter warten. Würde der Schlüssel zum Glück, bildlich gesprochen, erst dann ausgehändigt, hätte man nicht mehr sehr viel Lebenszeit vor sich.
Natürlich ist es immer sinnvoll, ein größeres Vorhaben in mehrere Schritte oder Phasen zu untergliedern, damit man schon frühzeitig eingreifen kann, falls etwas „aus dem Ruder läuft“. Dann könnte man gewissermaßen Etappenerfolge feiern. Das grundlegende Problem bleibt jedoch: man muss auf den Erfolg warten.
Was wäre, wenn sich der angestrebte Erfolg überhaupt nicht einstellt? Vielleicht arbeitet man wie besessen, aber die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen verändern sich plötzlich (wie etwa während der Coronavirus-Pandemie). Man ist gezwungen, sein Vorhaben aufzugeben. Hätte man dann gar keinen Zugang mehr zum Schlüssel zum Glück?
Wie verhielte es sich bei Menschen mit schwerer geistiger Behinderung, die nicht in der Lage sind, sich Ziele zu setzen? Wären sie gewissermaßen auch im Hinblick auf Glück beeinträchtigt oder gar vom Glück ganz abgeschnitten? Es wäre wohl so, wenn Erfolg der Schlüssel zum Glück wäre.
Alles in allem spricht nichts dafür, Erfolg als Schlüssel zum Glück anzusehen. Weshalb sollte man dann nicht vielmehr darüber nachdenken, ob Glück der Schlüssel zum Erfolg ist?
Ist Glück der Schlüssel zum Erfolg?
Albert Schweitzer hatte nicht das einmalige Glück, wie beispielsweise den Millionengewinn im Lotto, vor Augen. Ihm ging es vielmehr um den innerlich empfundenen dauerhaften Zustand.
Wie kann ein innerlich empfundener dauerhafter Zustand des Glücks erreicht werden? Eine sehr allgemeine „Rezeptur“ für Glück besteht vor allem aus den folgenden Zutaten:
- Liebe zum Leben, verbunden mit dem Wunsch, zu wachsen und sich zu entfalten;
- Dankbarkeit für alles, was einem geschenkt wird, unverdient widerfährt, für alles vermeintlich Selbstverständliche und natürlich auch für alles nicht Selbstverständliche. Kurzum: man kann für fast alles dankbar sein;
- Sinnerfüllte und ausfüllende Beschäftigung: Wenn man einen Sinn in dem sieht, was man tut, liebt, was man tut. Vielleicht hat man über seine Berufung zur Lebensaufgabe gefunden und kann sie ausleben;
- Bereichernde Beziehungen: Wenn man einen Partner, Freunde oder gute Bekannte hat, mit denen man sich vertrauensvoll austauschen kann.
Glück wird individuell erlebt. Deshalb kann die kurz skizzierte „Rezeptur“ nur ein Anhaltspunkt sein.
Wenn man Glück als Schlüssel zum Erfolg ansieht, braucht man nicht zu warten, bis sich der gewünschte Erfolg endlich einstellt. Man empfindet schon Glück, während man an seinem Erfolg arbeitet und zu seinen Zielen unterwegs ist. Die Wahrscheinlichkeit, dass sich der Erfolg einstellt, ist höher, denn man lebt mit einer positiven Grundhaltung.
Weitere Aspekte sind eine höhere Widerstandskraft bei Rückschlägen und ein höheres Durchhaltevermögen bei Durststrecken. Albert Schweitzer musste in den Aufbaujahren sehr viele Rückschläge verkraften. Er erlebte materielle Probleme und Schwierigkeiten, aber auch menschliche Enttäuschungen. Und es galt auch mancherlei Durststrecken zu überwinden.
Lieben, was man tut
Was gab Albert Schweitzer die Kraft, sein Vorhaben über mehrere Jahre hinweg trotz vielerlei Schwierigkeiten und Widerstände zu realisieren? Er beschreibt es als „lieben, was man tut“. Andere, wie beispielsweise Reinhold Messner, sprechen von „davon begeistert sein, was man tut“.
Für Albert Schweitzer war seine Tätigkeit zutiefst sinnstiftend und erfüllend. Er schreibt: „Leben erhalten ist das einzige Glück.“. Er konnte nicht jedes Leben retten, aber in der Gesamtschau konnte er vielen seiner Patienten zur Heilung verhelfen.
Vor dem Hintergrund der gesundheitlichen Herausforderungen durch die klimatischen Verhältnisse in Äquatorialafrika schreibt er: „Das Miterleben des Glückes um uns herum mit dem Guten, das wir selbst schaffen können, ist das einzige Glück, welches uns das Leben erträglich macht.“.
Glück war für Albert Schweitzer der Schlüssel zum Erfolg. Dieser Erfolg zeigte sich tagtäglich im anhaltenden und menschlich zugewandten Wirken für seine Patienten.
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