„Nur wer glücklich ist, kann glücklich machen. Wer’s tut, vermehrt sein eignes Glück.“
Johann Wilhelm Ludwig Gleim
Johann Wilhelm Ludwig Gleim (1719-1803) war ein Dichter, Literaturmäzen und Sammler. Im letzten Drittel des 18. Jahrhunderts unterstützte er als Mäzen insbesondere junge Talente im nord- und mitteldeutschen Raum, sowohl durch Vermittlung bei Veröffentlichungen als auch durch direkte finanzielle Hilfen. Seine vielen hundert Freund- und Bekanntschaften nutzte er zur Förderung der deutschen Literatur.
Glücklich sein – die ewig neue Frage?
„Wie werde ich glücklich“, „Was macht mich wirklich zutiefst glücklich?“, diese oder ähnliche Fragen hat sich wohl jeder schon gestellt. Sehr wahrscheinlich hat einen die Frage nicht nur einmal im Leben bewegt, sondern mehrmals, vielleicht bewegt sie einen sogar sehr häufig.
Viele Menschen sind aber schon glücklich. Wie beschreiben sie „glücklich sein“? Aus dem Spektrum der Meinungen ergibt sich ein Gesamtbild, das sehr wahrscheinlich folgende Aspekte umfasst: Es
- ist keine Sache des materiellen Wohlstands, von Macht oder Status,
- hängt nicht von den Umständen ab (es kann auch mal durch schwere Zeiten gehen),
- hat mit Sinnerfüllung des Lebens zu tun,
- ist eine Angelegenheit der inneren Einstellung und Haltung,
- bedeutet, sich selbst zu genügen, es mit sich selbst aushalten zu können,
- bedeutet, nicht von der Bestätigung anderer abhängig zu sein,
- ist Entscheidungssache.
Wenn „glücklich sein“ die Konsequenz einer persönlichen Entscheidung ist, muss man glücklich sein wollen. Glücklich ist man nicht aufgrund einer genetischen Anlage und auch nicht aufgrund glücklicher Umstände (z. B. Millionengewinn im Lotto), sondern weil man es möchte. Entscheidend ist dabei auch, wie man sein Leben selbst beurteilt, nicht was andere darüber denken.
Glücklich sein – eine Momentaufnahme oder Dauerzustand?
Kann man in einem Moment glücklich sein, im nächsten Moment aber wieder unglücklich? Dies wäre so, wenn man sich von seinen Stimmungen treiben lässt. Wenn man jedoch glücklich sein will, dann möchte man sicherlich dauerhaft und in seiner Grundstimmung glücklich sein, und nicht nur vorübergehend. Dann möchte man das Wechselspiel zwischen glücklich sein und unglücklich sein nicht (mehr) mitmachen.
Ein sehr wesentlicher Aspekt ist sicherlich der, „sich selbst zu genügen, es mit sich selbst aushalten zu können“. Wenn man nach immer mehr strebt, wird man nicht dauerhaft glücklich sein können. Etwas überspitzt ausgedrückt: nie wird es genug sein. Immer gibt es irgendetwas, was man noch nicht besitzt oder erreicht hat. Der „Haben-Mensch“, so drückt es der Psychoanalytiker und Sozialpsychologe Erich Fromm aus, will immer noch mehr. Und dann kann er es auch schwerlich mit sich selbst aushalten. Er wird immer von etwas getrieben sein. Und selbst wenn er es so weit gebracht hat, dass andere ihn um dies oder jenes beneiden, wird er immer noch nicht wirklich glücklich sein. Immer wird es noch etwas geben, dem er nachjagen kann.
Sich selbst zu genügen bedeutet selbstverständlich nicht, keine Ziele im Leben zu haben. Man verschließt sich nicht, aktiv zu sein, aktiv am Leben teilzunehmen, sich zu engagieren. Aber man macht sich nicht von der Bestätigung anderer Menschen abhängig, gleichwohl man sie genießen kann. In weiterer Konsequenz lässt man sich nicht von anderen vorgeben, ob und/oder wann man glücklich sein darf.
Nicht weniger bedeutsam ist der Aspekt der Sinnerfüllung. Wenn man ein sinnerfülltes Leben führt, wenn man weiß, wofür man jeden Tag aufsteht, hat das Glücklichsein ein Rückgrat. Es stützt und trägt auch in den schwierigeren Zeiten des Lebens.
Sicherlich wird es Zeiten im Leben geben, in denen man unglücklich ist. Vielleicht hat man gerade einen geliebten Menschen verloren. Oder vielleicht hat man einen anderen schweren Schicksalsschlag erlebt. Wäre es dann hilfreich, sich krampfhaft vorzumachen, dass man jetzt trotzdem glücklich ist? Man ist es ja nicht. Wenn man authentisch ist, belügt man sich nicht selbst. Aber nach einiger Zeit wird das Pendel wieder zurückschwingen und man wird sich in der Grundstimmung wieder glücklich fühlen. Das Glücklichsein hängt vorübergehend, jedoch nicht dauerhaft, von den Umständen ab. Die eigene Entscheidung, glücklich sein zu wollen, wird schließlich nicht revidiert.
Unter dem Strich gesehen ist Glücklichsein eine Grundhaltung, ein Dauerzustand. Dazu muss man glücklich sein wollen.
Glücklich sein in einer Beziehung
Wer würde sich nicht wünschen, in einer Freundschaft oder Ehe glücklich zu werden? Bei diesem Gedanken schwingt auch der Wunsch mit, dass der Andere einen glücklich macht. Und natürlich möchte man selbst den Anderen ebenfalls glücklich machen. Sollte, ja müsste man sogar selbst schon glücklich sein, um den Anderen glücklich machen zu können?
Glücklich sein – auch in einer schwierigen Beziehung?
Ralf* und Angelika* sind seit über 40 Jahren miteinander verheiratet. Angelika war knapp 20 Jahre alt, als sie Ralf heiratete. Ralf war 24 Jahre alt. Auf die Frage, ob sie erwartet habe, dass Ralf sie glücklich mache, antwortete sie sinngemäß mit einem „Nein“. Sie sei bereits glücklich gewesen und habe keinen Mann dazu gebraucht, glücklich zu werden.
Bei Ralf verhielt es sich etwas anders. Er erwartete, dass Angelika ihn glücklich macht. Aber er wollte auch sie glücklich machen. So kaufte er ihr hin und wieder schöne Dinge. Von einer Geschäftsreise brachte er ihr beispielsweise einmal ein Fläschchen „Opium“ mit, ein etwas teureres Parfum. Doch Angelika schien es nicht wirklich zu schätzen.
Ralf engagierte sich beruflich sehr stark. Für die Familie und ihre Beziehung blieb nur wenig Zeit. Ralf wollte Angelika glücklich machen und fokussierte sich auf äußere Dinge. Aber in Wirklichkeit machte er sie unglücklich. Sie wollte keine schönen Kleider, Parfums oder gar Reichtümer, sie wollte lebendige Beziehung.
Wahrscheinlich wäre die Ehe längst zerbrochen, wenn Angelika nicht schon in ihrer Grundstimmung glücklich gewesen wäre. Von der Grundstimmung her war sie glücklich, aber in ihrer Ehe zeitweise unglücklich. Sie beschloss, für sich einen gangbaren Weg zu suchen, den sie dann auch fand, um sich nicht in ihrem zeitweisen Unglück zu verlieren.
Hätte sie erwartet, von Ralf glücklich gemacht zu werden und ihr Glücklichsein von ihm abhängig gemacht, wäre sie bitter enttäuscht worden. Vielleicht wäre sie sich irgendwann vorgekommen wie in einem „goldenen Käfig“. Auch wenn Ralf ihr allen materiellen Wohlstand geboten hätte, so wäre sie dennoch unglücklich gewesen.
Trotz mancher Schwierigkeiten blieben Ralf und Angelika zusammen. Sie wollten zusammenbleiben, weil die gegenseitige Liebe immer noch da war. Ihre Ehe geriet wieder in ein besseres Fahrwasser. Sie sprachen sich über ihre Bedürfnisse aus und nehmen jetzt darauf Rücksicht.
Glücklich sein – eine Voraussetzung für eine Beziehung?
Wenn man sich für einen Moment auf die Bedingung einlässt, dass man den Anderen nur dann glücklich machen kann, wenn man selbst glücklich ist – welche Konsequenzen ergeben sich daraus?
Man könnte sich beispielsweise folgendes Szenario vorstellen: Man ist Single und hält Ausschau nach einer künftigen Partnerin bzw. einem künftigen Partner, nicht nur nach einer flüchtigen Bekanntschaft. Es trifft sich, dass man jemanden kennenlernt. Man findet einander sympathisch, verbringt Zeit zusammen und lernt sich immer mehr und besser kennen.
Was wäre, wenn man den Anderen fragen würde: „Bist du in deiner Grundstimmung glücklich“? Würde man über die Antwort und vielleicht einen darauffolgenden Gedankenaustausch ein besseres Gefühl dafür bekommen können, ob man zusammenpassen könnte?
Wenn der Andere darauf mit einem „Nein“ antworten würde, wäre das sogar ein Grund, die Beziehung lieber nicht zu vertiefen? Wäre es zunächst besser, zu klären, was der Andere von einem erwartet? Erwartet der Andere, dass man ihn glücklich macht?
Die Erwartung, vom Anderen glücklich gemacht zu werden – ist sie überhaupt erfüllbar? Und wie stellt sich der Andere dies vor? Wie soll die Beziehung den Gewöhnungseffekt überstehen. Schließlich verliert mit der Zeit so gut wie alles Neue irgendwann seinen Reiz. Die teuren Restaurantbesuche – mit der Zeit werden sie zur Gewohnheit. Die neuen schicken Schuhe – irgendwann kann man sie gar nicht mehr alle anziehen. Was hält dann die Beziehung am Leben? Wird die Bürde für den „Glücklich-Macher“ irgendwann ganz einfach zu schwer?
Der Wunsch nach einer Beziehung wird oft von dem unbewussten Wunsch nach Heilung getragen. Der Andere möge etwas in einem heilen und einen glücklich machen. Diese Heilung kann auch stattfinden, aber sie erfordert Authentizität. Der Religionsphilosoph, Pädagoge und Schriftsteller Martin Buber drückte es so aus: „Wo zwei Menschen sich authentisch begegnen, findet Heilung statt.“. Aus Passivität (der Andere soll etwas tun) wird Aktivität. Man trägt selbst zur Heilung bei.
Sich zuerst um sich selbst kümmern?
Wie verhält es sich, wenn man selbst in seiner Grundstimmung nicht glücklich ist? Würde dies bedeuten, dass man sich erst einmal um sich selbst kümmern sollte? Wäre dies nicht sogar eine Art von Fürsorge, sowohl für sich als auch für den Anderen? Wenn man sich selbst dafür entschieden hat, glücklich sein zu wollen, tut man etwas für die Beziehung.
In eine Beziehung bringt man eigene Lebenszeit ein, ein kostbares Gut, denn Lebenszeit ist endlich. Man möchte in der Beziehung Glück erleben und sich nicht andauernd aufreiben. Insofern ist die Entscheidung, glücklich sein zu wollen – und dies unabhängig vom Anderen -, eine gute Investition in die Beziehung.
Zum Glücklichsein beitragen – bei anderen und bei sich selbst
Kann man andere Menschen glücklich machen, womöglich sogar gegen deren Willen? Wie schon angeklungen ist, ist dies nicht möglich. Wer unglücklich bleiben will, wird unglücklich bleiben. Man kann niemand das Glücklichsein überstülpen.
Wer glücklich ist, strahlt etwas aus. Diese Ausstrahlung wirkt auf andere heilsam. Wer diese Art von heilsamer Ausstrahlung annimmt, wird davon ergriffen.
Diese positive Ausstrahlung kann auf vielfältige Art und Weise transportiert werden. Eine Möglichkeit besteht in der persönlichen Gegenwart. Der Psychologe Marshall B. Rosenberg formulierte es so: „Deine Gegenwart ist das wertvollste Geschenk, das du einem anderen menschlichen Wesen machen kannst.“ Weitere Möglichkeiten bestehen beispielsweise in der Kommunikation per Brief und über soziale Medien.
Johann Wilhelm Ludwig Gleim blieb im 18. Jahrhundert außer der persönlichen Begegnung nur der Brief, um mit Freunden in Verbindung zu bleiben. Die Postkutsche kam in seinem Wohnort Halberstadt nur zweimal pro Woche vorbei, kein Vergleich mit den Möglichkeiten moderner Kommunikation. Dennoch stand er mit 550 Frauen und Männern in freundschaftlicher Verbindung. So trug er zum Glücklichsein seiner Freunde bei und vermehrte auch sein eigenes Glück.
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