Nur was ich annehme kann ich verändern. – Zitat von C. G. JungLesezeit: 9 Min.

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„Nur was ich annehme kann ich verändern.“

Carl Gustav Jung
Nur was ich annehme, C.G. Jung - Gestaltung: privat
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Carl Gustav Jung (1875-1961), war ein Schweizer Psychiater und der Begründer der analytischen Psychologie. In dieser von ihm begründeten analytischen Psychotherapie ist die Auseinandersetzung mit unbewussten Aspekten der Psyche, wie sie z. B. in den psychischen und somatischen Krankheitssymptomen, in Träumen, Fantasien und Symbolen zum Ausdruck kommen, ein wichtiger Bestandteil.

In der Selbstvorwurfspirale gefangen

Franziska (Name geändert) machte sich große Vorwürfe. In der Vergangenheit hatte sie Weichen falsch gestellt. Sie verlor ihre Wohnung und musste ausziehen. Sie verfing sich völlig in dieser misslichen Situation. „Hätte ich doch nur …“, so oder ähnlich tauchte sie immer wieder in ihre Selbstvorwurfspirale ein. Sie zeigte Anzeichen einer Depression und erlebte sich selbst als minderwertig.

Mit der Anregung, „Ja“ zu ihrer Situation zu sagen und sie anzunehmen, die Realität zu akzeptieren, konnte sie sich zuerst überhaupt nicht anfreunden. Sie wollte sich gewissermaßen immer wieder an sich selbst dafür rächen, dass sie diesen Fehler begangen hatte und in diese Situation geraten war. Eine weitere Anregung für sie war, sich selbst zu vergeben, um sich damit sich von der Last, für ihren Fehler büßen zu müssen, zu befreien. Mit anderen Worten: Selbstvergebung bricht den Zusammenhang zwischen Schuld und Sühne auf. Wenn Schuld vergeben wird, ist keine Sühne mehr erforderlich.

Immer wieder beschäftigt sich Franziska mit der jetzt nicht mehr veränderbaren Vergangenheit. Dadurch hemmt sie sich selbst und schneidet sich gewissermaßen von ihrer Gegenwart und Zukunft ab. Sie benötigt viel Energie, um stets wieder neu in das Hier und Jetzt zurück zu finden, um dann wieder nach vorne schauen zu können.

Gefangene(r) oder Stehaufmännchen?

Franziska ist beileibe nicht alleine. Wohl jede und jeder geht irgendwann einmal im Leben durch eine schwierige und dunkle Zeit. Vielleicht ist man für das auslösende Ereignis selbst verantwortlich, so wie Franziska. Oder es haben sich Dinge zum eigenen Nachteil gefügt und man befindet sich in einer Lage, in die man niemals geraten wollte. Vielleicht ist man Opfer von Umständen geworden, die sich der eigenen Kontrolle entziehen.

Ein Blick in das eigene Umfeld zeigt, dass Menschen mit schwierigen Situationen sehr unterschiedlich umgehen. Da nimmt man vielleicht den Menschen wahr, der unter dem belastenden Geschehen sehr stark leidet. Er scheint den Halt im Leben und das innere Gleichgewicht verloren zu haben. Das Erlebte und Erlittene zieht sich, bildlich gesprochen, wie eine Wolke über das Leben. Sie scheint sich nicht mehr von der Stelle zu bewegen, denn er ist ja in der Vergangenheit gefangen. Er strahlt etwas aus, das sich etwa so beschreiben lässt: „Es ist vorbei. Ich komme auf keinen grünen Zweig mehr.“.

Den Gegenpol bilden Menschen, die auch schwere Schicksalsschläge verkraften. Sie verlieren nicht den Boden unter den Füßen. Es scheint sogar so, dass sie sich, bildlich gesprochen, nach dem Aufstehen aus dem Dreck den Schmutz aus den Kleidern schütteln und dann ihren Weg weitergehen. Sie flüchten sich nicht in die Opferrolle, auch wenn sie, objektiv betrachtet, Opfer geworden sind. Und sie scheinen sich so stark zu fühlen, dass sie sich selbst in einer schwierigen Situation zutrauen, Lösungen für sich zu finden. Ihre Einstellung kann in etwa so umschrieben werden: „Was auch immer geschehen mag, ich werde damit klarkommen können und eine gangbare Lösung für mich finden.“.

Das Spektrum zwischen diesen Polen ist sehr breit. Wie kommt es, dass Menschen sich in schwierigen Lebenssituationen so unterschiedlich verhalten? Wie kommt es, dass manche Menschen seelisch widerstandsfähig sind und andere in schwierigen Lebenssituationen seelisch zerbrechen? Eine Antwort findet sich in Prägungen der Kindheit.

Welche Rolle spielen Prägungen aus der Kindheit?

In der Kindheit werden Weichen für das gesamte Leben gestellt. Dies trifft auch für die seelische Widerstandsfähigkeit (Resilienz) zu.

Emotionale Beziehungen

Seelisch widerstandsfähige (resiliente) Menschen können, wenn sie auf ihre Kindheit zurückblicken, mindestens eine Person benennen, mit der sie eine enge emotionale Beziehung verbunden hat. So berichtete beispielsweise der evangelische Theologe Dietrich Bonhoeffer (1906-1945), wie auch seine Geschwister, von einer glücklichen Kindheit.

Bonhoeffers Vater, Professor Karl Bonhoeffer, wird als eine eher verstandesorientierte, sehr disziplinierte Persönlichkeit beschrieben. Für ihn war die Beherrschung der eigenen Gefühle wichtig. Diese Charakterzüge schmälerten jedoch keineswegs die Zuneigung der Kinder zum Vater. Bonhoeffers Mutter war hingegen stärker gefühls- und beziehungsorientiert. Beide, Vater und Mutter, vermittelten ihren Kindern Sicherheit und Zuverlässigkeit.

Dietrich Bonhoeffer, wie auch seine Geschwister, wurde von seinen Eltern akzeptiert und geachtet. So konnte er ein gesundes Selbstwertgefühl entwickeln. Sicherlich hatten die Eltern auch Vorbildcharakter. Sie lebten ihm vor, wie man mit Konflikten und Problemen umgehen kann. Im Elternhaus entwickelten sich starke Wurzeln für das Leben.

Später, im Gefängnis, bewahrte Dietrich Bonhoeffer nach außen hin eine souveräne Haltung. Er ließ sich nicht brechen, auch wenn er innere Kämpfe durchlebte, wie er in seinem Gedicht „Wer bin ich?“ anklingen lässt. Es beginnt mit den Worten:

Wer bin ich? Sie sagen mir oft,
ich träte aus meiner Zelle
gelassen und heiter und fest
wie ein Gutsherr aus seinem Schloss.

Dietrich Bonhoeffer, Juni 1944

Wenn Eltern ihrem Kind vermitteln, dass Probleme lösbar sind, legen sie ein solides Fundament für seine weitere Entwicklung. Sie stärken die Resilienz ihres Kindes.

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Erzählungen von Eltern und Großeltern

Im Kindesalter erfährt man viel über die Geschichte der Eltern und Großeltern. Ihr Umgang mit schwierigen Lebenssituationen, mit Rückschlägen und unerfüllten Wünschen, vermittelt ein Vorbild, das sich auch in den Einstellungen des Kindes niederschlägt. Wie kann man es schaffen, etwas anzunehmen, wenn plötzlich alles völlig anders kommt? Dies lernen Kindern zuerst an und bei ihren Eltern und Großeltern.

Christines Eltern und Großeltern zählten zur Volksgruppe der Bessarabiendeutschen, die zwischen 1814 und 1940 in Bessarabien lebte (das frühere Bessarabien deckt sich heute weitgehend mit dem westlich des Dnister liegenden Teil der Republik Moldau). Als Folge des Hitler-Stalin-Pakts von 1939 wurde Bessarabien im Sommer 1940 von der Sowjetunion militärisch besetzt. Ihre Vorfahren wurden gewissermaßen Opfer dieses Pakts, mussten bald nach der Besetzung ihre Heimat Bessarabien verlassen und in das heutige Polen umsiedeln. Von einer sicheren und auskömmlichen Existenz blieb nichts mehr. Nur vier Jahre später, 1944, als die Rote Armee immer weiter nach Westen vorrückte, musste die Familien erneut flüchten, diesmal nach Baden-Württemberg. Dort bauten sie sich nach dem Krieg eine neue Existenz auf.

Aus den Erzählungen ihrer Eltern und Großeltern formte sich in Christine in ihrer Kindheit das Bild, dass es jederzeit wieder zu einer Flucht kommen könnte. Ihre Lebenseinstellung, dass nichts dauerhaft sicher ist, wurde sicherlich von diesen Erzählungen maßgeblich beeinflusst. Sie lebt beispielsweise unterschwellig mit dem Gedanken, dass man mühsam erarbeitetes Eigentum auch jederzeit verlieren kann und man vielleicht sogar selbst einmal fliehen muss – so, wie es bei den Eltern und Großeltern tatsächlich der Fall war.

Was haben die Eltern und Großeltern von ihrem eigenen Erleben erzählt? Wie haben sie schwierige Lebenssituationen und Rückschläge erlebt? Haben sie diese als Schicksal erlebt, als Plan einer höheren Macht (Gott), oder gar als Strafe einer höheren Macht? Wie sind die Eltern und Großeltern mit unerfüllten Wünschen umgegangen? Das Erleben von Eltern und Großeltern hat eine gewisse Vorbildfunktion und es verwundert nicht, dass Christine dieses erzählte Erleben auch in sich birgt.

Die Situation annehmen oder nicht annehmen?

Hätte Franziska überhaupt eine Wahl gehabt, das, was geschehen war, anzunehmen? Die verstandesmäßige Antwort lautet kurz und bündig: Nein. Ihre Wohnung hatte sie verloren und daran war im Nachhinein nichts mehr zu ändern. Ob sie sich Selbstvorwürfe machte oder nicht war völlig unerheblich. Es würde nicht das Geringste ändern.

Ihre gesamte Vergangenheit ließ sich rückwirkend nicht mehr ändern. Sie war gewissermaßen festgeschriebene Geschichte. Wenn sie in ihren Selbstvorwürfen gefangen blieb, konnte sie sich nur immer wieder selbst an die Vergangenheit binden und es sich so auch erschweren, nach praktikablen Lösungen für ihre Zukunft zu suchen. Und ihre Minderwertigkeitsgefühle würden ein ständiger Begleiter sein und bleiben.

Die Gefühle sprechen jedoch oft eine andere Sprache als der Verstand. Franziska empfand ein Gefühl der Trauer, wenn sie auf ihr Leben mit den mancherlei falschen Entscheidungen zurückblickte. Gefühle wollen zugelassen werden und es braucht Zeit, sie zu „bearbeiten“. Doch man kann sich auch in Gefühlen verlieren, in ständiges Grübeln geraten. Die Situation auch gefühlsmäßig annehmen zu können, kann ein längerer Weg sein. Doch der Weg lohnt sich.

Das Annehmen einer Situation nimmt eine Last bzw. macht sie wenigstens deutlich leichter. Dann ist es möglich, den Blick wieder konzentrierter nach vorne zu richten und Wege zur Veränderung zu erkennen und konsequent zu erschließen. Und dann werden Fortschritte erlebbar. Energie wird nicht mehr absorbiert, sondern für das Gestalten der Gegenwart und Zukunft eingesetzt.

Gutes und Sinnvolles tun – ganz praktisch

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Veränderung vorbereiten – aber wie?

Wenn man eine schwierige Situation annehmen kann, öffnet man sich selbst für den nächsten Schritt: Veränderung vorbereiten. Das Leben geht weiter und es bietet wieder neue Herausforderungen, denen man sich stellen muss.

Es mag zunächst schwerfallen, gedanklich einen Schritt zurückzutreten und sich zu fragen, ob das Erlebte trotz allem auch irgendwelche positiven Seiten haben könnte. Dennoch ist es hilfreich. Man könnte sich die schwierige Lebenssituation als ein tiefschwarzes Blatt Papier vorstellen. Gibt es auf dem schwarzen Papier nicht doch irgendwelche hellen Punkte? Welche sind es? Vielleicht konnte man in der schwierigen Zeit einen Kontakt knüpfen, der sich jetzt als hilfreich erweist – ein heller Punkt. Oder vielleicht erkennt man, dass eine Art Teilerfolg doch noch möglich ist – auch ein heller Punkt.

Sich von der Vergangenheit zu lösen und die Aufmerksamkeit gezielt auf das Hier und Jetzt zu lenken, gehört ebenfalls zu diesem Vorbereitungsschritt. Jetzt ist vielleicht auch ein guter Zeitpunkt für Selbstvergebung gekommen.

Man öffnet sich und kann auch wieder den Blick weiten. Vielleicht hatte man schon Lebensziele, aber sie sind in der schwierigen und dunklen Zeit aus dem Blick geraten. Jetzt kann man sich ihnen wieder zuwenden. Welche persönlichen Lebensziele möchte man wieder verfolgen und sein Handeln danach richten?

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Ich bin Dieter Jenz, Begleiter, Berater und Coach mit Leidenschaft. Über viele Jahre hinweg habe ich einen reichen Schatz an Kompetenz und Erfahrung erworben. Meine Themen sind die "4L": Lebensaufgabe, Lebensplanung, Lebensnavigation und Lebensqualität.