Nur wenn ich mich selbst wertvoll fühle, kann ich mich …Lesezeit: 9 Min.

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„Nur wenn ich mich selbst wertvoll fühle, kann ich mich akzeptieren, kann ich authentisch sein, kann ich ICH sein.“

Jorge Bucay
Nur wenn ich mich selbst wertvoll fühle, J. Bucay - Gestaltung: privat
Gestaltung: privat

Jorge Bucay (geb. 1949) ist ein argentinischer Psychiater, Gestalttherapeut und Autor. Mit dem Titel „Komm, ich erzähl dir eine Geschichte“ gelang ihm der internationale Durchbruch als Autor. Bucays Bücher wurden in mehr als dreißig Sprachen übersetzt und haben sich weltweit über zehn Millionen Mal verkauft. Neben Paulo Coelho ist er einer der meistgelesenen Autoren Lateinamerikas.

Versteckt hinter einer Fassade

Bernd (Name geändert) erschien seinen Mitmenschen gegenüber als ein fröhlicher Mensch. Oft konnte man ihn lachen sehen und auch hören. Bei zwischenmenschlichen Kontakten wirkte der etwas beleibte Bernd zugewandt und freundlich. Manchmal hatte sein Verhalten sogar etwas Clownhaftes an sich. So stand er im Mittelpunkt, und das wollte Bernd wohl auch. Gelegentlich erzählte er Geschichten, deren Wahrheitsgehalt bei etwas Nachdenken schnell fragwürdig erschien.

Zweifellos konnte man Bernd als sozial gut eingebundenen Menschen bezeichnen. Er nahm Anteil am Leben der Menschen in seinem engeren Umfeld, kümmerte sich um sie und war sehr hilfsbereit. Gerne machte er auch das ein oder andere Geschenk. Mit Geld schien er manchmal etwas freizügig umzugehen, gewissermaßen über seine Verhältnisse zu leben.

Wer Bernds Lebensverhältnisse einigermaßen kannte, dem fiel auf, dass es dem nach außen hin fröhlichen Bernd in Wirklichkeit nicht so gut gehen konnte. Er führte ein von den Eltern übernommenes Einzelhandelsgeschäft. Obwohl er mit seinen Kunden einen guten Umgangsstil pflegte – auch da war er der gutgelaunte Bernd –, liefen die Geschäfte nicht sonderlich gut. Man konnte sich fragen: Wie nur erzielt er den notwendigen Umsatz, um „über die Runden zu kommen“? Auch im familiären Bereich gab es das ein oder andere Problem. Doch in Gesprächen vermittelte Bernd einen psychisch gesunden Eindruck.

Wer Bernd länger kannte, hatte den Eindruck, dass er sich hinter einer Fassade versteckte. Bernd war nicht authentisch. Er gab vor jemand zu sein, der er in Wirklichkeit nicht war. Man ahnte, dass er sich nicht entsprechend seinem „wahren Selbst“ verhielt, begegnete gewissermaßen nur seiner Fassade. Sein eigentliches Wesen hatte er vor seinen Mitmenschen abgeschottet.

Wie kam es dazu, dass sich Bernd so entwickelte? Sehr wahrscheinlich führt die Spur zu seiner Kindheit. Vielleicht hatte er sich nicht geliebt gefühlt, hatte ständig Angst davor, verlassen zu werden. Eine ausgeprägte Selbstwertproblematik war eine naheliegende Folge.

Gab es vielleicht schon früh in Bernds Leben Glaubenssätze, die er derart verinnerlichte, dass er nicht (mehr) als authentisch erschien? „Ich werde nur dann geliebt, wenn ich hilfsbereit und fröhlich bin“ ist ein Beispiel für einen solchen Glaubenssatz. Möglicherweise gehörte er auch zu den seinen.

Bernd ist beileibe nicht die einzige Person, die die Fassade des zugewandten, fröhlichen und aktiven Menschen zeigt. Dieses Verhalten gründet in einem an sich natürlichen Bedürfnis: dem Bedürfnis, von seinen Mitmenschen wahrgenommen und gesehen zu werden. Um Aufmerksamkeit auf sich zu lenken, zeigen Menschen wie Bernd oft ein Verhalten, das sich als theatralisch und extravertiert beschreiben lässt. Ihre manchmal übermäßige Emotionalität ist gewissermaßen Mittel zum Zweck.

Wann ist man wertvoll?

Sehr wahrscheinlich hatte Bernd ein schwach ausgeprägtes Selbstwertgefühl. Er suchte nach Anerkennung und Bestätigung von außen. Deshalb lenkte er mit erprobten Verhaltensmustern immer wieder die Aufmerksamkeit auf sich.

Wann ist man eigentlich wertvoll? Schon der Philosoph Immanuel Kant (1724-1804) formulierte es so: Alles hat einen Wert, der Mensch aber hat eine Würde. Dies bedeutet: Jeder Mensch ist immer, gewissermaßen ununterbrochen, wertvoll, weil er ein Mensch ist. Deshalb ist jeder Mensch auch dann wertvoll, wenn er beispielsweise krank ist, nicht arbeiten und nichts zum Bruttosozialprodukt beitragen kann.

Etwas konkreter ausgedrückt: Jeder Mensch ist bedingungslos wertvoll und hat eine Würde – unabhängig vom Herkunftsland, von der Hautfarbe, vom Geschlecht, vom Alter oder von der Religion. Diese Würde wird in der Bundesrepublik Deutschland durch Artikel 1 des Grundgesetzes geschützt.

In der Konsequenz ist es völlig unmöglich, den Wert eines Menschen in Geld zu bemessen. Deshalb hat kein Mensch ein Preisschild um den Hals hängen. Trotzdem gab es in der Vergangenheit Zeiten, in denen Menschen als Handelsware betrachtet wurden. Es handelte sich um Sklaven, die in völliger wirtschaftlicher und rechtlicher Abhängigkeit von einem anderen Menschen als dessen Eigentum lebten und wirtschaftlich ausgebeutet wurden. Aus Dokumenten zur Sklavenhaltung im Brasilien des 19. Jahrhunderts, als Beispiel, lässt sich erschließen, dass Männer im Alter zwischen 15 und 40 Jahren etwa um den Faktor 2 bis 2,5 teurer als Frauen in dieser Altersspanne waren. Seinerzeit war ein männlicher Sklave für etwa 100 Euro erhältlich.

Leider wird auch in der Gegenwart gelegentlich über Fälle von Sklavenhandel berichtet. Es kann nur als Schande bezeichnet werden, dass noch immer Menschen als persönliches Eigentum betrachtet und so behandelt werden als hätten sie keine Würde.

Bestätigung von anderen ist nicht (mehr) notwendig

Wenn jeder Mensch wertvoll ist, wird Bestätigung von anderen nicht (mehr) benötigt. Sicherlich wirkt es positiv auf das Selbstwertgefühl, wenn man Anerkennung erhält und gelobt wird, wenn man gebraucht wird, einen Beitrag leistet und sich wichtig vorkommt, wenn man geliebt wird, usw. Diese Bestätigungen kommen von außen, nicht von innen, von einem selbst.

Bestätigungen von anderen Menschen sind nicht unbedingt dauerhaft. Was wäre beispielsweise, wenn man für die berufliche Tätigkeit bisher viel Anerkennung bekommen und daran sein Selbstwertgefühl festgemacht hat, aber der Beruf durch einen Unfall bedingt nicht mehr ausgeübt werden kann? Die Bestätigung fällt weg. Verliert man dann das Selbstwertgefühl?

In der Gesamtschau wäre es fatal, wenn man seinen Wert an Bedingungen, die nicht unter der eigenen Kontrolle stehen, die man nicht steuern kann, bindet. Dadurch entsteht eine Abhängigkeit von anderen Menschen oder von Verhältnissen.

Vielleicht ist es gewissermaßen zur Gewohnheit geworden, seinen Wert vom Urteil anderer abhängig zu machen. Vielleicht war es auch schon immer so. Dann ist ein Umdenken notwendig! Doch wie kann man es schaffen, das „Ich bin bedingungslos wertvoll“ zu verinnerlichen?

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„Kopfwissen“ oder „Herzwissen“ – oder beides?

Man kann verstandesmäßig bejahen, dass man wertvoll ist und Würde besitzt. Doch eingefahrene Denkmuster ziehen wie ein Gummiband immer wieder in bisherige Denkgewohnheiten zurück. Auch die Gefühle können alte Denkmuster immer wieder bestätigen.

Die herausfordernde Aufgabe besteht jetzt darin, „Kopfwissen“ auch als „Herzwissen“ zu verankern. Doch wie kann das „Kopfwissen“ zu „Herzwissen“ werden? „Herzwissen“ hat mit dem Fühlen und Erspüren der Tatsache zu tun: „Ich bin bedingungslos wertvoll!“.

Wenn man sich bedingungslos wertvoll fühlt, fällt es leichter, sich selbst anzunehmen. Selbstannahme, Selbstakzeptanz, sich selbst mit allen Stärken und Schwächen bejahen, grundsätzlich „ja“ zu sich sagen, ist eine wichtige Voraussetzung auf dem Weg, „Kopfwissen“ im Herzen zu verankern. Das Herz steht an dieser Stelle nicht für das Organ, sondern für die Weisheit des Gefühls. Das Herz wird oft als Sitz der Gefühle bezeichnet.

Es ist unmöglich, eingefahrene Denkmuster über Nacht zu verändern. Deshalb ist es wichtig, sich jeden Tag auf die ein oder andere Weise daran zu erinnern: „Ich bin bedingungslos wertvoll!“. Diese Wahrheit kann man beispielsweise mit großen Buchstaben auf ein Blatt Papier schreiben und an einer gut sichtbaren Stelle, an der man immer wieder vorbeikommt, anbringen. Dafür gut geeignet ist der Spiegel im Badezimmer. Wenn man das Geschriebene liest, kann man es auch gleich laut aussprechen.

Um die Wahrheit „Ich bin bedingungslos wertvoll!“ nicht nur im Kopf, sondern auch im Herzen zu verankern, wird sie mit einem gedanklichen Bild verknüpft. Das Bild sollte etwas überaus Wertvolles darstellen, beispielsweise einen einzigartigen Diamanten. „Ich bin wie ein einzigartiger, wertvoller Diamant“, wäre die Aussage.

Normen für Gefühle gibt es nicht. Gefühle werden subjektiv erlebt und bewertet. Menschen können in identischen Situationen unterschiedlich fühlen. Maßgeblich ist, was man selbst fühlt und was stimmig ist. Deshalb kann auch der Diamant durch etwas anderes ersetzt werden.

Zu einem Zeitpunkt kann man auch immer nur ein Gefühl spüren. Man kann beispielsweise nicht gleichzeitig froh und traurig sein. Dass man nicht mehrere Gefühle gleichzeitig spüren kann ist durchaus ein Vorteil. Man konzentriert sich auf ein Gefühl und kann sich diesem Gefühl ganz widmen.

Um das gedankliche Bild des wertvollen, einzigartigen Diamanten mit dem Gefühl zu verknüpfen, kann man sich in seinen Gedanken vorstellen, einen solchen Diamanten in der Hand zu halten, ihn anzusehen, ihn mit den Fingern zu erspüren, ihn mit allen Sinnen wahrzunehmen. So wird die Botschaft „Ich bin bedingungslos wertvoll!“ verstärkt.

Mit der wiederholten Erinnerung und der Verknüpfung mit dem Gefühl wird mit der Zeit das „Kopfwissen“ auch zu „Herzwissen“. Dieses „Herzwissen“ hat spürbar positive Auswirkungen auf das Leben.

Authentisch sein – endlich?

Wer möchte nicht authentisch sein? Wohl jeder möchte ganz ICH sein und als authentisch wahrgenommen werden. Authentisch sein heißt von anderen Menschen als eine Person wahrgenommen zu werden, die sich mit den Begriffen „echt“, „ehrlich“, „ungekünstelt“, „unverbogen“, „stimmig“, beschreiben lässt.

Anderen etwas vorzugaukeln, was man in Wirklichkeit nicht ist, kann ganz schön anstrengend sein. Auf die Dauer verliert man unweigerlich Glaubwürdigkeit und auch Respekt. Auch Bernd ging es so. Wer weiß, wie sich Bernd zu Hause fühlte, wenn er alleine war und seine Rolle nicht spielen konnte?

Wer authentisch ist, kann auch gut für sich selbst sorgen. Es gelingt viel leichter, seine Werte und Überzeugungen auszuformen, in Übereinstimmung mit diesen zu handeln, und sich Gruppenzwängen und Manipulationsversuchen durch andere zu widersetzen. Und auch der Mut wächst, sich in sozialen Beziehungen mit seinen Gedanken, Gefühlen und Einstellungen zu zeigen.

Auch der Umgang mit den eigenen Schwächen fällt leichter und man kann sich zu ihnen stellen, sich in seiner Unvollkommenheit annehmen. Man empfindet sich ja auch mit seinen Schwächen als bedingungslos wertvoll.

Gutes und Sinnvolles tun – ganz praktisch

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Mensch und Handlungen voneinander trennen

Bei alledem ist jedoch auch bewusst, dass sich das „Ich bin bedingungslos wertvoll!“ auf den Menschen bezieht, nicht auf die Handlungen des Menschen. Der Mensch an sich ist bedingungslos wertvoll. Verhalten oder Handlungen können jedoch durchaus kritikwürdig oder sogar höchst verabscheuungswürdig sein.

Da ist vielleicht der unechte und verlogene Opportunist, der seine Werte und Überzeugungen verleugnet. Er verkauft gewissermaßen seine Authentizität für einen bestimmten Vorteil. Oder da ist der Betrüger, der das Wertvolle durch strafbare Handlungen beschmutzt. Dennoch kann auch der schlimmste Mensch seine Würde nie verlieren. Sie ist und bleibt unantastbar.

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Ich bin Dieter Jenz, Begleiter, Berater und Coach mit Leidenschaft. Über viele Jahre hinweg habe ich einen reichen Schatz an Kompetenz und Erfahrung erworben. Meine Themen sind die "4L": Lebensaufgabe, Lebensplanung, Lebensnavigation und Lebensqualität.