„Wer mit wenig nicht glücklich ist, wird auch mit viel nicht glücklich sein.“
Laotse
Laotse (auch andere Schreibweisen, wie z. B. Laozi, sind bekannt) war ein legendärer chinesischer Philosoph und gilt als Begründer des Daoismus. Er soll im 6. Jahrhundert v. Chr. gelebt haben, jedoch wird grundsätzlich infrage gestellt, ob er wirklich existiert hat.
Der Daoismus ist eine chinesische Philosophie und Weltanschauung. Ein zentrales Thema des Daoismus ist die Suche nach Unsterblichkeit.
Wie viel braucht man, um glücklich zu sein?
Was braucht man an Geld und materiellen Dingen zum Glück? Verhilft etwa ein Lottogewinn zum Glück? Ja, durchaus. Viele Studien zeigen, dass es eine Phase des mit dem Lottogewinn verbundenen Glücksgefühls gibt. Aber diese Phase hat ein Ende und schon nach etwa einem Jahr fühlen sich die meisten Lottogewinner nicht mehr glücklicher als andere Menschen. Ganz ähnlich verhält es sich bei einer Gehaltserhöhung. Nach einiger Zeit ist der Glückseffekt verpufft.
Wenn es vordringlich um Geld und materielle Dinge geht, ist dann nicht Glück ein nie erreichbares Ziel? Entwickelt sich dann nicht geradezu zwangsläufig eine Spirale des Habenwollens, und zwar immer mehr? Angenommen, man hat ein Zwischenziel erreicht, beispielsweise die erste Million. Kann man sich zufriedengeben oder treibt man sich sogleich selbst wieder an, die zweite Million zu erreichen? Steht man dann sogar dem Glück nicht selbst im Weg?
Dass man auch mit sehr wenig Geld und Besitz glücklich und zufrieden leben kann, beweisen tagtäglich unzählige Menschen. Manche trennen sich sogar ganz bewusst von Besitz und haben sich dem Minimalismus, dem einfachen Leben, verschrieben. Unter diesen Menschen befinden sich durchaus auch Wohlhabende, die ihren Besitz nicht brauchen, um glücklich zu sein.
Wäre man bereit, sich für einen Moment vorzustellen, wie es wäre, wenn man selbst freiwillig auf Besitz verzichten würde? Wie wäre es, wenn man selbst zum Minimalisten würde? Wäre man dann noch glücklich? Wenn ja, macht man sein Glück nicht von Besitz abhängig. Man hat andere Glücksquellen, die nicht versiegen. Wenn nein, wird man sehr wahrscheinlich auch nicht glücklich sein, wenn man (sehr) viel mehr als jetzt besitzen würde.
Man kann (sehr) wenig besitzen und dennoch reich sein. Laotse drückt es so aus: „Reich ist, wer weiß, dass er genug hat.“
Wie kann man mit wenig glücklich sein?
Angenommen, man stimmt Laotse zu. In der Konsequenz müsste man dann zuallererst danach streben, mit wenig glücklich zu sein?
In der Regel hat man noch wenig, wenn man in das Berufsleben einsteigt. Dann wäre es folgerichtig, sich schon relativ früh im Leben mit der Frage „Wie kann ich mit wenig glücklich sein?“ auseinanderzusetzen und für sich einen Weg zu finden, mit wenig glücklich zu sein. Wenn es sich fügen sollte, dass man später mehr oder vielleicht sogar sehr viel mehr hat, ist man schon glücklich. Und wenn nicht, ist man auch schon glücklich.
Was ist überhaupt „wenig“ und was ist „viel“? Einen objektiven Maßstab gibt es nicht. Was für den einen viel sein mag, ist für den anderen vielleicht wenig. Jemand mag beispielsweise sagen: „Ich habe alles, was ich brauche, um finanziell über die Runden zu kommen. Ich habe viel.“. Ein anderer mit gleichem Einkommen und gleichen Lebenshaltungskosten mag sich etwas anders ausdrücken: „Ich habe gerade das, was ich brauche, um finanziell über die Runden zu kommen. Ich habe wenig.“.
Wer beurteilt, was „wenig“ und was „viel“ ist? Beurteilt man dies selbst und nach eigenen Maßstäben oder nimmt man den Vergleich als Maßstab? Wenn man sich mit anderen vergleicht, empfindet man das, was man hat, viel eher als „wenig“. Es gibt immer Menschen im Umfeld, die mehr haben, und so zieht man im Vergleich den Kürzeren. Und man verbaut sich das Glück. Der Philosoph, Theologe und Schriftsteller Søren Kierkegaard drückte es so aus: „Das Vergleichen ist das Ende des Glücks und der Anfang der Unzufriedenheit.“.
Wie auch immer man zu der Einschätzung gelangt ist, dass man wenig hat – wie kann man einen für sich stimmigen Weg finden, auch mit wenig Geld und materiellen Gütern glücklich zu sein? Dankbarkeit, Achtsamkeit und Geben sind wohl die drei Schlüsselworte, auf die es ankommt.
Dankbarkeit
Das Leben ist sehr viel mehr als Geld und Besitz materieller Güter. Die wirklich entscheidenden Faktoren, die unbezahlbaren Dinge im Leben, sind Gesundheit und zwischenmenschliche Beziehungen. Zwar kann man sich möglicherweise gesundheitliche Besserung kaufen, Gesundheit jedoch nicht. Und auch zwischenmenschliche Beziehungen kann man sich nicht kaufen. Zwar kann man sich bestimmte zwischenmenschliche Dienstleistungen kaufen, echte Zuneigung und Liebe jedoch für kein Geld der Welt.
Wenn man gesund ist und Menschen um sich hat, die einem zugeneigt sind, ist das dann nicht ein Grund für Dankbarkeit? Ändert sich dann nicht auch gleich die Sichtweise und aus „wenig“ wird „viel“?
Francis Bacon, Philosoph, Jurist und Staatsmann, stellte die Glücklichen und die Dankbaren gegenüber: „Nicht die Glücklichen sind dankbar. Es sind die Dankbaren, die glücklich sind.“. Ist Dankbarkeit nicht ein Schlüssel für Glück?
Achtsamkeit
Wenn man schon morgens beim Frühstück E-Mails liest, in der Zeitung blättert, sich gedanklich mit den anstehenden Ereignissen des Tages beschäftigt, lenkt man seine Aufmerksamkeit in verschiedene Richtungen. Man beschäftigt sich mit den verschiedensten Dingen, aber mit nichts so wirklich richtig. Vielleicht weiß man sogar hinterher noch nicht einmal, was und wie viel man überhaupt gegessen hat und wie es geschmeckt hat.
Achtsamkeit ist das genaue Gegenteil. Man achtet im Hier und Jetzt darauf, was man gerade tut, was man gerade fühlt und empfindet, was man gerade denkt. Die Aufmerksamkeit ist auf den aktuellen Moment fokussiert. Sie wird von einer offenen und akzeptierenden Grundhaltung gegenüber eigenen Erfahrungen, Gedanken und Gefühlen untermauert.
Durch diese offene und akzeptierende Haltung macht man es sich selbst leichter, Erlebnisse positiver wahrzunehmen. Wenn man beispielsweise das Kaffeearoma riecht und dies bewusst wahrnimmt, wird das Erlebnis „angereichert“ und verstärkt. Aber auch wenn man beispielsweise Anspannung empfindet, kann Achtsamkeit eine positive Wirkung haben. Vielleicht denkt man an den bevorstehenden Arbeitstag und fühlt sich angespannt. Wird die Anspannung bewusst wahrgenommen, jedoch nicht bewertet oder gar unterdrückt, öffnet man sich selbst dafür, eine Situation neu zu interpretieren. Die Anspannung könnte dann als sinnvoll und positiv aufgefasst werden. Schließlich kann ein gewisser Grad an Anspannung auch hilfreich sein, denn man wird unter Anderem motiviert, sich zu konzentrieren.
Ist man achtsam, wird selbst jede noch so kleine Begebenheit zu einem Erlebnis. Man erlebt, fühlt und empfindet tiefer. Aus „wenig“ wird „viel“.
Geben
Wenn die Frage gestellt wird: „Spenden ärmere Menschen einen prozentual höheren Teil ihres Einkommens als Reiche?“ – wie würde man antworten? Es ist tatsächlich so, dass ärmere Menschen im Verhältnis mehr spenden als Reiche. Ärmere Menschen erkennen besser, wie es ihren Mitmenschen geht. Im Unterschied zu „Reichen“ sind sie mehr auf zwischenmenschliche Unterstützung, auf gegenseitige Hilfe, angewiesen.
Nicht jeder kann etwas von seinem Geld geben. Aber jeder kann etwas von seiner Zeit geben, der wertvollsten endlichen Ressource, die man hat. Doch worin liegt der persönliche „Gewinn“ des Gebens? Wie kann durch Geben aus „wenig“ „viel“ werden?
Wenn man sich gewissermaßen selbst gibt, kann man für andere Menschen wichtig sein. Es geht nicht um den Blick auf Leistung, sondern um den Blick auf das „Sein“. Man kann für einen oder mehrere Mitmenschen etwas sein und ihr/sein Leben bereichern. Dietrich Bonhoeffer formulierte es so: „Es gibt kaum ein beglückenderes Gefühl, als zu spüren, dass man für andere Menschen etwas sein kann.“.
Der Arzt und Psychotherapeut Alfred Adler fasste den Zusammenhang von Glück und dem Gefühl des Gebens in Worte: „Und da ein wahres Glück untrennbar verbunden ist mit dem Gefühl des Gebens, so ist es klar, dass der Mitmensch dem Glück viel nähersteht als der isoliert nach Überlegenheit strebende Mensch.“. Der nach Überlegenheit strebende Mensch hat nur sich selbst im Blick. Wie soll er Glück finden?
Den Aspekt, dass nicht der Besitz glücklich macht, sondern das Geben, betonte der französische Schriftsteller André Gide: „Das Geheimnis des Glücks liegt nicht im Besitz, sondern im Geben. Wer andere glücklich macht, wird glücklich.“. Eigenes Glück ist in dieser Hinsicht an das Glück des Mitmenschen gebunden. Und auch Martin Seligman, Pionier der Positiven Psychologie, war überzeugt, dass es nichts gibt, was zum eigenen Glück so sehr beiträgt, wie andere glücklich zu machen.
Sir Winston Churchill rückte den Gestaltungsaspekt des Lebens in den Vordergrund. Wer gibt, gestaltet dadurch auch sein Leben. Er drückte es so aus: „Wir leben von dem, was wir bekommen, aber wir gestalten unser Leben durch das, was wir geben.“. Die Möglichkeiten, die Einnahmenseite positiver zu gestalten, mögen begrenzt sein. Wie man sein Leben gestaltet, die „Ausgabenseite“, trifft auf so gut wie keine Grenzen. Vieles von dem, was man geben kann, kostet nichts, nur Zeit. Möglichkeiten, sich zu engagieren, gibt es im Überfluss.
Wenig haben – aber trotzdem reich und glücklich sein?
Geld und materieller Besitz sind keine Garantie für Glück. Dies wird auch von vielen Menschen in ihrem Leben so erfahren. Sonst wären die Superreichen dieser Welt allesamt und ohne Einschränkung glücklich. Sonst wären die Superreichen dieser Welt allesamt und ohne Einschränkung glücklich. Dies ist jedoch nicht der Fall. Stets steht auch die Sorge um Geld und Besitz im Raum. Das Vermögen muss schließlich ständig vor Wertverlust geschützt werden.
Auch wenn man wenig hat, kann man reich sein, durchaus im Sinne von „vermögend“. Das Vermögen bezieht sich aber nicht auf das „Haben“, sondern auf das „Sein“ und „geben können“. Der Psychoanalytiker, Philosoph und Sozialpsychologe Erich Fromm brachte es auf den Punkt: „Nicht der ist reich, der viel hat, sondern der, welcher viel gibt.“. Geben führt in soziale Beziehungen, insbesondere dann, wenn man etwas von seiner Zeit für andere gibt. Soziale Beziehungen und Engagement für andere zählen zu den wesentlichen Faktoren, die zum subjektiven Wohlbefinden beitragen.
Die Erfahrung, wenig zu haben, aber trotzdem reich und glücklich zu sein, machten und machen viele Menschen. Als Beispiel sei der als „Urwaldarzt“ bekannte Albert Schweitzer genannt. Selbst in Mühen und Entbehrungen erlebte er Glück: „Das Miterleben des Glückes um uns herum mit dem Guten, das wir selbst schaffen können, ist das einzige Glück, welches uns das Leben erträglich macht.“.
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