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„Wer sich der Torschlusspanik hingibt, der vergisst, dass sich neue Tore öffnen, während sich die alten schließen.“

Viktor Frankl
Wer sich der Torschlusspanik hingibt, V. Frankl - Gestaltung: privat
Gestaltung: privat

Viktor Frankl (1905-1997) war ein österreichischer Neurologe und Psychiater. Er begründete die Logotherapie und Existenzanalyse, die vielfach auch als die „Dritte Wiener Schule der Psychotherapie“ bezeichnet wird.

Eine problematische Beziehung

Saskia (Name geändert) lernte vor ein paar Monaten Lukas (Name geändert) kennen. Es ist Saskias erste längere Beziehung überhaupt. Sie überlegt, ob sie mit Lukas zusammenziehen sollte. Allerdings lässt sie etwas zögern: ihr Bauchgefühl, ihre innere Stimme, meldet sich und signalisiert ihr, dass in dieser Beziehung etwas nicht stimmt. Sie hat den Eindruck, dass Lukas sie nicht wirklich liebt, sondern sie einfach nur besitzen möchte. Und es gefällt ihr ganz und gar nicht, wie er sie manchmal herablassend behandelt und abfällig mit ihr spricht. Es ist keine Beziehung auf Augenhöhe. Es hat den Anschein als wolle Lukas ihr gegenüber Überlegenheit, Macht und Dominanz demonstrieren. Aber sie liebt ihn – glaubt sie.

Wenn Saskia mit der Beziehung nicht zufrieden ist, führt an einem gemeinsamen Gespräch kein Weg vorbei. In diesem Gespräch würde sie Grenzen setzen und Lukas deutlich machen, dass sie nicht möchte, wie er mit ihr umgeht, dass sie nicht dazu bereit ist, sein Verhalten weiterhin zu tolerieren. Sie würde ihm außerdem sagen, wie sie sich die Beziehung konkret vorstellt und wo ihre Grenzen liegen. Wenn sie diese als überschritten erachtet, würde sie ihrerseits für die Beziehung keine Zukunft mehr sehen.

Wenn es Lukas vor allem darauf ankommt, Macht- und Dominanzgefühle auszuleben und diese Bedürfnisse nicht mehr befriedigt werden, wird er höchstwahrscheinlich seinerseits die Beziehung beenden. Dann schließt sich für Saskia gewissermaßen eine „alte“ Tür.

Es mag auch sein, dass Lukas trotz Saskias nachdrücklich geäußerten Vorstellungen sein Verhalten nicht ändert. Dann hat die Beziehung keine Zukunft, denn Machtwille und wahre Liebe vertragen sich nicht miteinander. Der Psychiater Carl Gustav Jung formulierte es so: „Wo die Liebe herrscht, da gibt es keinen Machtwillen, und wo die Macht den Vorrang hat, da fehlt die Liebe. Das eine ist der Schatten des andern.“. In der Konsequenz müsste Saskia die Konsequenzen ziehen und die Beziehung beenden.

Sich der Torschlusspanik hingeben?

Saskia befindet sich in einem Spannungsfeld. In ihr wehrt sich etwas gegen den Gedanken, ihrem inneren Unbehagen nachzugeben und die Beziehung lieber zu beenden. Sie hat die Erfahrung gemacht, dass die Männer ihr nicht gerade hinterherlaufen. Würde es ihr gelingen, wieder einen Mann kennenzulernen, und zwar einen, mit dem eine wirkliche Liebesbeziehung entstehen kann? Jünger wird sie schließlich auch nicht. Und da ist dann auch noch die biologische Uhr. Wenn sie Mutter werden möchte, hat sie dazu nicht unbegrenzt viel Zeit.

Ist die Angst vor dem alleine bleiben übermächtig? Saskia kennt die Zukunft nicht. Sie kann nicht wissen, was noch kommt. Für Saskia ist es nicht einfach. Sagt sie sich: „Lieber Lukas als gar kein Mann“ in Anlehnung an das bekannte Sprichwort „Lieber der Spatz in der Hand als die Taube auf dem Dach“? Kommt Torschlusspanik auf?

Torschlusspanik bezeichnet umgangssprachlich eine auftretende Angst, etwas zu versäumen, zu verpassen oder etwas nicht mehr zu bekommen oder zu erreichen. Aus dieser Angst heraus werden möglicherweise voreilig Entscheidungen getroffen, die sich im Nachhinein als übereilt oder ungünstig erweisen können.

Für Torschlusspanik gibt es nur dann einen Anlass, wenn man über das Gewünschte oder Benötigte keine Kontrolle hat. Es muss einem gegeben oder gewährt werden. Man kann nicht selbst bestimmen, ob und/oder wann man das Gewünschte oder Benötigte bekommt.

In früheren Zeiten – und daher hat die Redewendung ihren Ursprung – wurden die Stadttore bei Anbruch der Dunkelheit verschlossen. Wer zu spät kam, wurde nicht mehr in die Stadt eingelassen, musste gezwungenermaßen außerhalb der Stadtmauern übernachten und war der Gefahr ausgesetzt, überfallen und verletzt zu werden. Die Kontrolle über die Stadttore lag bei dazu beauftragten Personen.

Knappes und weniger Knappes

Je knapper etwas ist, das nicht unter eigener Kontrolle steht, desto eher wird man in der Gefahr stehen, in Torschlusspanik zu verfallen. Es gibt Erlebnisse, die nur einmal im Leben möglich sind. Ein Kind, als Beispiel, kann man nur ein einziges Mal gebären. Zwar kann eine Frau mehrere Kinder bekommen, doch jede Geburt ist etwas Einmaliges. Und es gibt Dinge, die nur bis zu einem bestimmten Lebensalter möglich sind. Niemand wird beispielsweise im Alter von 40 Jahren daran denken, eine Karriere als Profi-Fußballer zu beginnen. Dafür wäre es aufgrund nachlassender körperlicher Leistungsfähigkeit eindeutig zu spät!

Manches ist weitaus weniger knapp. Es gibt im Leben mehrere Gelegenheiten, es zu bekommen oder zu erleben. Als Beispiel sei der Kauf eines TV-Geräts genannt. Man hat zwar nicht unter Kontrolle, wie viele TV-Geräte angeboten werden. Jedoch ist es normalerweise, die entsprechenden finanziellen Möglichkeiten vorausgesetzt, mehrmals im Leben möglich, ein TV-Gerät zu erwerben.

Im Marketing wird die künstliche Verknappung gezielt dazu eingesetzt, die Nachfrage und das Kaufinteresse der Kunden zu steigern. Ein Produkt oder eine Dienstleistung wird bewusst in begrenzter Menge oder Verfügbarkeit angeboten. „Nur noch 5 Plätze zu diesem Preis verfügbar“ oder „nur noch heute 30 Prozent Rabatt“ sind Beispiele für Werbebotschaften, mit denen ein potenzieller Kunde zum sofortigen Kauf bewogen werden soll. Häufig werden jedoch künstlich verknappte Produkte oder Dienstleistungen nur wenig später erneut angeboten, möglicherweise wiederum künstlich verknappt.

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Torschlusspanik führt zum Kompromiss

Saskia wünscht sich einen Partner, mit dem sie für den Rest ihres Lebens glücklich sein kann. Doch der Mann, der nach ihrem Empfinden Interesse an ihr hat, ist ihr lange Zeit nicht begegnet. Erst vor einigen Monaten trat Lukas in ihr Leben.

Niemand kann Saskia sagen, ob sie in der Zukunft einen Mann kennenlernen wird, bei dem ihre innere Stimme nicht zur Vorsicht rät. Es liegt nicht in ihrer Hand. Sie kann dafür zwar einiges tun, doch letztlich hat sie darüber keine Kontrolle. Ebenso wenig liegt es letzten Endes in ihrer Hand, wann der Zeitpunkt kommt, ab dem sie nicht mehr Mutter werden kann. Dann sich also doch über die innere Stimme hinwegsetzen? Dann also doch versuchen, Lukas unter allen Umständen bei sich zu halten?

Saskia hätte also vordergründig durchaus Grund zur Torschlusspanik. „Jetzt oder nie!“ wäre die verständliche Devise. Lukas wäre in gewisser Weise ein „Kompromisspartner“. Würde sie mit einem „Kompromisspartner“ glücklich werden?

Zur Gelassenheit finden?

Wenn Saskia alles dafür tun würde, um Lukas zu halten, wäre sie ganz auf ihn fokussiert. Dann vernachlässigt sie ihre eigenen Bedürfnisse. Und möglicherweise denkt sie nicht daran, dass sich ihre Gefühle gegenüber Lukas verändern. Die Verliebtheitsphase, in der man den anderen durch die sprichwörtliche „rosarote Brille“ sieht, währt nicht für immer. Das Verliebtsein wird immer schwächer, je intensiver sich Saskia und Lukas gegenseitig kennenlernen und erfahren.

Der Psychoanalytiker, Philosoph und Sozialpsychologe Erich Fromm beschäftigte sich intensiv mit dem Thema „Liebe“. Sein Buch „Die Kunst des Liebens“ zählt zu den erfolgreichsten Sachbüchern aller Zeiten. Er formulierte: „Es gibt einen großen Unterschied zwischen sich verlieben und verliebt bleiben.“. Sichtweise und Wahrnehmung ändern sich.

Wenn sich Saskia der Torschlusspanik hingibt, drückt sie damit aus, dass sie keine Möglichkeit mehr für neue sich öffnende Türen sieht. Sie würde unausgesprochen sprichwörtlich ausdrücken: „Der Ofen ist aus!“.

Wenn sie sich an Lukas hängt, geht sie zudem der Frage aus dem Weg, ob sie sich selbst bedingungslos liebt. Wenn sie sich selbst liebt, und zwar bedingungslos, strahlt sie das aus. Und dann wirkt sie selbstbewusst und anziehend. Und früher oder später wird ihr dann sehr wahrscheinlich der Mann begegnen, der sie wirklich liebt.

Verbirgt sich unter der Anhänglichkeit an Lukas in Wirklichkeit mangelnde Selbstliebe, ja vielleicht sogar Selbsthass, der sie dazu bringt, in die vermeintliche Liebe zu Lukas zu fliehen? Wenn das so ist, dann wird diese unechte Liebe zu ihm sehr wahrscheinlich früher oder später in Hass umschlagen. Und dann würde sich Saskia selbst sehr viel Leid zufügen.

Saskia hilft sich selbst, wenn sie die Frage zulässt: „Was ist der eigentliche, tiefe Grund weshalb ich an Lukas festhalten will?“. Wenn sie sich selbst diese Frage ehrlich beantwortet, wird sie ihre Bedürfnisse klarer erkennen.

Eine weitere Frage kann lauten: „Reichen meine Stärken aus, um den Hang zur Torschlusspanik zu überwinden?“. Wenn die Antwort ein „ja“ ist, kann Saskia letzten Endes zu Gelassenheit finden. Dann kann Saskia besser damit zurechtkommen, dass sich eine Tür schließt. Sie erwartet, ja, geht sogar davon aus, dass sich neue Türen öffnen.

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Neue Türen sind nicht unbedingt sofort erkennbar

Das Leben ist ständig im Fluss, auch wenn es nicht den Anschein haben mag. Immer wieder einmal wird sich eine Tür schließen, manchmal plötzlich und unerwartet. Doch öffnet sich dann gleich und automatisch eine neue Tür?

Da ist vielleicht die Umstrukturierung in dem Unternehmen, in dem man beschäftigt ist. Die Entscheidung, sich sozialverträglich von einer ganzen Reihe von Mitarbeitern zu trennen, ist gefallen. Man hörte Gerüchte und war dann doch überrascht, wie schnell alles ging und welches Ausmaß die Umstrukturierung annahm. Was macht jetzt beispielsweise der 58-jährige Angestellte, er sei Christian genannt, der vor einer ungewissen Zukunft steht? Er erhält zwar eine ordentliche Abfindung, macht sich aber Sorgen, ob er mit seinen Fähigkeiten und Erfahrungen noch eine aus seiner Sicht geeignete Arbeitsstelle finden wird. Für das Rentnerdasein ist es noch zu früh. Davon abgesehen will Christian arbeiten.

Natürlich wäre aus Christians Sicht ein eins-zu-eins-Szenario optimal: während sich die alte Tür schließt, öffnet sich gleich eine neue Tür in Form eines passenden Stellenangebots. Doch wahrscheinlich werden potenzielle neue Arbeitgeber nicht Schlange stehen und Christian Stellen anbieten.

Vielleicht ist es erforderlich, sich zusätzliche Qualifikationen anzueignen. Dadurch erhöht Christian seine Chancen, eine geeignete und zufriedenstellende Arbeitsstelle zu finden. Ist das Aneignen neuer Qualifikationen schon die neue Tür? Würde sich Christian der Torschlusspanik hingeben und gleich die erstbeste Stelle annehmen, wäre es eine Kompromisslösung, die ihn sehr wahrscheinlich nicht zufriedenstellt.

Auch bei Saskia ist das eins-zu-eins-Szenario – die Beziehung mit Lukas endet und Saskia lernt gleich wieder einen Mann kennen, in den sie sich verliebt und mit dem sie sich eine längerfristige Beziehung vorstellen kann – nach ihren bisherigen Erfahrungen eher weniger zu erwarten. Wenn die Beziehung mit Lukas endet, könnte Saskia etwas für sich tun. Sie könnte daran arbeiten, ihr Selbstwertgefühl zu stärken. Dies hätte konkrete Folgen. Auf eine Beziehung, in der sich nicht beide Partner auf Augenhöhe begegnen, würde sich Saskia nicht mehr einlassen.

Ist das Stärken des Selbstwertgefühls schon eine neue Tür? Ja, denn Saskia würde, wenn sie nichts für sich tut und wieder einen Mann kennenlernt, möglicherweise ein Déjà-vu erleben. Die Geschichte mit Lukas könnte sich in ähnlicher Form mit einem anderen Partner wiederholen. Wieder würde sich die innere Stimme melden und Unbehagen signalisieren. Wieder wäre Saskia in der Beziehung unglücklich.

Es gibt neue Türen. Doch eine neue Tür ist nicht unbedingt gleich als solche erkennbar. Sie öffnet sich, doch hindurchgehen muss man selbst.

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Ich bin Dieter Jenz, Begleiter, Berater und Coach mit Leidenschaft. Über viele Jahre hinweg habe ich einen reichen Schatz an Kompetenz und Erfahrung erworben. Meine Themen sind die "4L": Lebensaufgabe, Lebensplanung, Lebensnavigation und Lebensqualität.